Geschichten:Leuenfrieder Rondraordal - Der Streiter Hartsteens

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Kloster Leuenfried am 2. Rondra 1043

„Blut! Die Sturmherrin fordert ein Duell zwischen den streitenden Grafschaften. Ein Duell bis aufs Dritte Blut!“, hallte der Ruf der in den Farben Rondras gewandeten Kaiserinnentante über den weiten Klosterhof, auf dem sich Graf Drego und Odilbert von Hartsteen gegenüberstanden, ihr ritterliches Gefolge mit einigem Abstand hinter sich.

Der friedliche Vergleich war also gescheitert, nahm Praiodan von Steinfelde inmitten der Hartsteener Ritterschaft ungerührt zur Kenntnis. Dass Luidors Sohn nie und nimmer einlenken würde, war von vornherein klar gewesen. Auch dass Reichsforst seinerseits nicht bereit war, Sühne zu leisten, konnte den Steinfelder nicht wirklich überraschen. Schließlich war der Ritter auf Odilberts Schwertleite vor einem halben Jahr Zeuge der Anmaßungen Lurings und seiner arroganten Räte geworden. Die damals gezeigte Missachtung hätte vielleicht Warnung sein müssen. In der Rückschau schien es Praiodan, als hätten es die Reichsforster schon länger und systematisch auf eine Eskalation des schwelenden Konfliktes abgesehen. Der Tjostunfall auf dem Erlgardsfeld hatte das Fass schließlich zum Überlaufen gebracht und nach dem Massaker gab es kein Zurück mehr. Die leise Hoffnung so manches Hartsteeners im Vorfeld, dass der weithin als weich bekannte Drego vor der Unnachgiebigkeit der Igelkrone einknicken würde, hatte der Steinfelder darum nicht teilen können.

Nun ertönte die Stimme des Reichsforster Grafen, der verkündete, dass ein anderer an seiner Stelle streiten würde, woraufhin der neben Praiodan stehende Ritter Tsadorn von Bugebühl zischte: „So ein Feigling! Der Mann hat keinen Mumm in den Knochen!“

Auch unter dem übrigen Gefolge des Hartsteener Grafensohns brach sich gemurmelte Missbilligung Bahn, in die der Steinfelder nur zu gerne einstimmte. Doch Odilbert brachte seine Gefolgsleute mit einer gebietenden Handbewegung zum Verstummen: „Das ist sein Recht und basta!“

Dann, halb an die Rondra-Diener halb an die eigenen Ritter gerichtet, fuhr er fort: „Auch ich schwöre vor der Leuin, für Hartsteen den Richtspruch der Göttin anzunehmen. Auch Hartsteen wird einen Vertreter in die Bahn senden. Wer wird das Grafenschwert Morsang für Hartsteen führen?“

Praiodan von Steinfelde hatte den Roten Buhurt auf wundersamer Weise nahezu unverletzt überlebt, doch die schockierenden Szenen jenes Tages hatten ihn verfolgt – nicht nur bei Nacht sondern auch bei Tag und sie ließen ihm keine Ruhe, fast wie damals der Traum vom wiedererschienen Korgond oder die Gesichte daimonischer Fratzen, die ihn seit den Kämpfen gegen den Bethanier immer wieder heimsuchten. Leider war an seine altbewährte Strategie, mit derlei Problemen umzugehen – Branntweinsaufen bis zur Besinnungslosigkeit – diesmal nicht zu denken gewesen.

Als treue Stütze des Grafen von Hartsteen hatte er zuerst Odilberts Gemahlin zu ihrem Bruder in den Kosch in Sicherheit gebracht und war dann auf dem Weg zurück durch Waldstein geritten, wobei er die Freunde und Verwanden Hartsteens in der Gegend über die Ereignisse ins Bild gesetzt hatte. Nach seiner Rückkehr nach Oberhartsteen schließlich hatte er die kurze Zeit am Krankenlager seines stetig und unübersehbar hinfälliger werdenden Schwagers damit zugebracht, mit diesem die Möglichkeiten und Varianten abzuklopfen, wie am besten auf verschiedene mögliche Entwicklungen auf dem bevorstehenden Schiedstreffen zu reagieren sei. Freilich, der heißspornige Odilbert sollte die Legation nach Leuenfried anführen, aber Graf Luidor war trotz seiner Schwäche deutlich darin gewesen, was er von Praiodan erwartete: die Wahrung der Hartsteener Ehre und den Schutz des Lebens seines designierten Nachfolgers – um jeden Preis.

Als nun die Frage Odilberts im Raum stand, musste der gestandene Ritter gar nicht erst überlegen. Dies hier war seine Aufgabe – und obendrein die Gelegenheit, jene immer wieder in ihm aufsteigenden Bilder vom blutgetränkten, 'Mord' schreienden Erlgardsfeld loszuwerden, sei es durch den eigenen Tod - oder den seines Gegners. Ohne Zögern trat Praiodan darum vor und rief mit fester Stimme: „Steinfelde wird für Euch streiten.“

„So sei es“, verkündete Odilbert von Hartsteen mit einem anerkennenden Nicken in Richtung seines ehemaligen Knappenvaters, „Praiodan von Steinfelde wird Morsang führen. Möge Rondra seinen Arm führen!“