Geschichten:In einer Hand - Wider Kron und Lehen

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Schloss Gerbaldsaue in der Gerbaldsmark, Anfang Ingerimm 1035 BF

»Habt Dank, dass Ihr für Euren Neffen ein wenig Zeit erübrigen könnt«, bedankte sich Malwarth von Eslamsgrund bei Rondriane von Eslamsgrund, der Burggräfin der Gerbaldsmark, die zugleich seine Tante war. »Ich bin mir vollauf bewusst, dass Ihr als Gastgeberin des Großen Kabinetts derzeit alle Hände zu tun habt, um den gesamten Adel aller drei Provinzen angemessen zu bewirten.«

Rondriane seufzte und nickte. »Ja, allein den fast 200 Herren und Damen des Hochadels muss ich für die Zeit von fast einer Woche eine ihres Standes einigermaßen angemessene Wohnstatt verschaffen, ganz zu schweigen von den Grafen und Markgrafen«, machte sie ihren Sorgen Luft. »Die Verfügung, wonach die Bürger von Grambusch den Gästen ein traviagefälliges Quartier überlassen müssen, hat man zwar nach außen hin ohne Beschwerden angenommen, aber nicht wenige lassen ihren Unmut freien Lauf, vor allem nachdem die Zuordnungspläne veröffentlich wurden. Eine der wohlhabenden Händlerfamilien versuchte doch glatt durch Schmiergelder zu verhindern, dass ein Baron aus dem Finsterkamm bei ihnen Unterkunft nehme und stattdessen einer der reichen Barone aus Eslamsgrund ihm zugeteilt würde. Nachdem die Sache aufgeflogen ist, konnte ich nicht anders, als den Schreiber in den Schandkragen zu stecken und dem Patrizier eine stattliche Geldbuße aufzudrücken.«

Die Burggräfin, deren Schläfen bereits ergraut waren, wies ihrem Neffen einen Polstersessel zu und schickte einen Diener eine Karaffe Wein nebst Pokale zu holen. Deutlich war ihr anzusehen, dass sie ihre Pflichten als Gastgeberin sehr ernst nahm, um ein solches Ereignis wie das Große Kabinett zu einem gelungenen Treffen werden zu lassen, jedenfalls soweit, wie es in ihrer Macht stand. Denn sie wusste genau, dass bei jedem Eklat und an jedem Skandal, den es bei diesem Adelstreffen geben würde, ihr Titel, ihr Name und ihre Familie genannt und in die Geschichtsbücher eingehen würden.

»Ich bin fest davon überzeugt, teuerste Tante, dass man Euer Werk ausgiebig loben und rühmen wird. Wann immer Ihr eine helfende Hand braucht, seid Euch der Hilfe der Familie sicher. Ihr mögt zwar mit meinem Vater, Eurem Bruder Narbosius gebrochen haben, und auch unsere offen geäußerte Meinung tadeln, dass unsere Familie wieder auf den Grafenthron von Eslamsgrund kommen müsse, aber Familie ist Familie, und es gibt kein stärkeres gemeinsames Band, als das gemeinsam geteilte kostbare Blut«, erwiderte Malwarth voller Respekt und Höflichkeit, sich dabei auf seinem Sessel förmlich verbeugend.

Rondriane antwortete nicht, schaute ihren Neffen aber freundlich an.

»Es gibt aber natürlich einen Anlass, der mich zu diesem Besuch veranlasst«, fuhr Malwarth mit gedämpfterer Stimme fort. »Wie Ihr sicherlich vernommen habt, soll auf dem Großen Kabinett auch um die Schulden der Grafschaft Eslamsgrund verhandelt werden. Der bemitleidenswerte Lanzeslaus von Ruchin, der ja als Bannerträger des Reiches im Kampf gegen den Ewigen Heerwurm seine beiden Arme verloren hat, hat sich ja bereits für unsere Sache eingesetzt. Ich bitte Euch deshalb als Euer treuer und ergebener Verwandter, setzt Euch für diese Sache ein. Die Grafschaft Eslamsgrund braucht diesen Schuldenerlass.«

»Warum setzt Ihr Euch dafür ein?« fragte Rondriane mit skeptischen Blick zurück. »Gerade dem „Wilde Haus Eslamsgrund“ kommt es doch zupass, wenn der Ehrensteiner Graf durch seine praiotischen Eskapaden seine Grafschaft in den finanziellen Abgrund reitet. Ihr habt doch selber gesehen, was in der Alriksmark passiert ist. Niemand hätte es je gewagt zu glauben, dass eine Burggräfin in den Bankerott geht und sich von ihrer Stadt die Bedingungen ihrer Resignation diktieren lässt. Das hat alle Bürgerlichen aufhorchen und Morgenluft wittern lassen. In der Reichsstadt Perricum etwa bewegt sich der Stadtrat und will sich das Umland einverleiben. Warum wartet Ihr nicht einfach, bis Graf Siegeshart ebenfalls zahlungsunfähig ist und das Haus Eslamsgrund die Scherben der Grafschaft aufsammeln kann?«

Malwarth, der den Ausführungen Rondrianes mit einem zustimmenden Kopfnicken folgte, erwiderte: »Die Sache ist ganz einfach. Um die nötigen Stimmen des Kabinett zusammen zu bekommen, bedarf das Haus Ehrenstein der Stimmen aller Eslamsgrunder Edlen, denn wohl kaum wird man etwa im kopflos verschuldeten Hartsteen oder dem rückständigen Waldstein auf Unterstützung in dieser Sache hoffen. Die Bedingung für unsere Zustimmung ist aber, dass der Graf die Schulden aller seiner Vasallen als seine eigenen übernimmt, und diese Gesamtsumme anschließend der Krone übergibt.«

»Das ist ein ziemlicher Winkelzug«, zeigte sich Rondriane beeindruckt. »Das würde mit einem Schlag dem gesamten Eslamsgrunder Adel jedwede Geldsorgen nehmen.«

»Und es würde dem Haus Eslamsgrund die Mittel in die Hand geben, sich für eine Konfrontation mit den Ehrensteins zu rüsten«, endete Malwarth mit einem triumphierenden Lächeln seinen Gedankengang.

»Ich werde darüber nachdenken«, versicherte Rondriane und stand auf, um Malwarth zu verabschieden. An der Tür hielt sie plötzlich inne und ging zu ihrem Schreibtisch. »Eine Sache habe ich noch, wenn Ihr gerade hier seid.« Sie holte aus einem geheimen Schubfach ein Stück Pergament hervor und übergab es ihrem Neffen. »Diese nicht unterzeichnete Botschaft habe ich vor einigen Tagen bekommen. Ich weiss nicht genau, was ich davon zu halten habe und mich würde Eure Einschätzung interessieren.«

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An Ihre Hochwohlgeboren Rondriane von Eslamsgrund!
 
 
 
 
Als Tochter von Yesatan von Eslamsgrund, dessen frevelhaftes Streben die Stützen des feudalen Mittelreichs zu zerstören mit Kerkerhaft auf den Zyklopeninseln bestraft wurde, sowie als Schwester von Narbosios von Eslamsgrund, dessen Verschwörung gegen das Leben der Kaiserin, nachdem er sich bereits als Unterstützer des Usurpators Answin von Rabenmund gegen die Kaiserkrone aufgelehnt hatte, mit der Verbannung nach Jilaskan bestraft wurde, wird es Euch sicherlich interessieren, dass sich in unserem Besitz brisante Dokumente, insbesondere Verhörprotokolle Eures Bruders Narbosius, befinden, welche eine viel tiefere Verstrickung Eurer Familie in die Verschwörung wider die Kaiserin nahelegen. Insbesondere werdet Ihr namentlich beschuldigt, hinter einer Fassade von gespielter Reichstreue den Umsturz der Kaiserfamilie fortzutreiben.
Wir wollen nicht, dass diese Dokumente ein schlechtes Licht auf Eure Bemühungen als Gastgeberin des Großen Kabinetts werfen, und sind daher bereit, natürlich gegen ein entsprechendes Entgegenkommen von Eurer Seite, die belastenden Dokumente in Euren Besitz zu übergeben. Unser Mittelsmann wird Euch am Eröffnungstag des Großen Kabinetts unter vier Augen die Bedingungen für den reibungslosen Ablauf unseres Geschäfts mitteilen. Solltet Ihr wider Erwarten versuchen irgendwelche Schritte zu unternehmen, die uns schaden könnten, werden wir keinen Augenblick zögern, das für Euch und das gesamte Haus Eslamsgrund vernichtende Beweismaterial an das Licht der praiosgefälligen Öffentlichkeit zu ziehen und Eure Stellung als Burggräfin zu vernichten.
 
 
 
 


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1. Ing 1035 BF
Wider Kron' und Lehen


Kapitel 1

Treue mit Treue vergelten
Autor: Hartsteen