Geschichten:Gramfelden - Guter Geist

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Neu-Auenwacht, 19 Phex 1043 auf Avesruh

"Bin mal gespannt ob der Vairningen was für uns hat." ranzte Konnar. "Hat ja ne nette Ecke aus dem Loch hier gemacht." "Ja hat er gut hinbekommen. Trotz dessen, oder vielleicht genau jetzt - Weil - er nicht vom Alten unterstützt wird. Mich regt die scheisse auf. Mit fast einem Mond Verspätung kam der Zaster rein und jetzt dürfen wir gucken wie wir mit dem Geld vom Marktvogt jedes vermalledeite Fallobst aus der Ecke zusammen raffen damit wir damit dann wieder unser eigenes Geld auslösen können." Korwin spuckte eine dicken gelben Flatschen auf den Boden. "Wenn wir Glück haben, machen wir hier noch ein paar Wochen gut." Korwin und Konnar ritten weiter den Weg nach Neu-Auenwacht rein. Der letzte graue Schneematsch klebte an den brandneuen Zäune entlang der Weide. Wenn die Straße neu gepflastert wäre, hätte ihn das auch nicht gewundert. In ein paar Dutzend Schritt Entfernung standen zwei dick eingepackte Wächter. "Den Zwölfen zum Gruße Werte Herren. Wir wünschen seine wohlgeboren Leubrecht von Vairningen zu sprechen. Wo finden wir ihn?

Die beiden Wächter musterten die Neuankömmlinge eindringlich. Probleme hatten sie hier schon mehr als genug mit der Brache, da brauchten sie nicht auch noch zwielichtiges Gesindel, das sich hier herum trieb. “Seine Wohlgeboren ist derzeit auf einem Patrouillenritt, wird aber in Kürze zurückerwartet.” Gab der ältere der beiden Wächter wieder. Da die beiden Gestalten den Ritter sehen wollten, blieb ihm vorerst wenig anderes übrig, als sie gewähren zu lassen. “Dort drüben könnt Ihr Eure Pferde versorgen lassen und Euch etwas aufwärmen. Ich werde Seine Wohlgeboren über Eure Anwesenheit informieren.”

"Vielen Dank werte Herren." Korwin hob die Hand zum Gruße, dann ritten sie weiter. "Guck an, wer hätte das gedacht.", schmunzelte Konnar. Sie folgten dem Pfad bis zu ihrem Ziel und stiegen von den Gäulen. Zwei Stallburschen kamen derweil angerannt und stritten sich und die Zügel. "Bursche" Korwin winkte den kleineren der beiden herbei. "Sorgt dafür das unsere Pferde gute und lange Decken bekommen." Er schnappte ein Silberstück zu den beiden Knaben herüber und zwinkerte. "Jawohl mein Herr", erschallte es im Duett und die Beiden begannen unverzüglich wieder zu streiten. Korwin und Konnar machten sich auf zur Tür, welche sich schon vor dem Klopfen öffnete.

Eine große, blonde Frau schickte sich soeben an, das Gebäude zu verlassen. Dabei vermochten weder ihr wärmender Mantel noch der wattierte Wappenrock der Sturmleuin ihr attraktives Erscheinungsbild zu verbergen. Etwas überrascht blieb sie vor Korwin stehen, der sogleich die schon mehrfach an der Seite des Ritters gesehene Rondra-Geweihte wiedererkannte. “Rondra zu Gruße, Wohlgeboren.”, begrüßte sie den benachbarten Brachenwächter mit kräftiger Stimme und würdigte seinen Begleiter nur mit einem kurzen Nicken.

"Leomara Flammenzunge, es erfreut mich euch wiederzusehen" begrüßte Korwin sie freundlich. Konnar hingegen nickte ebenfalls und grinste dabei etwas schelmisch. Ohne zu zögern, würde er sie hinter den nächsten Schuppen mitnehmen. Sie wäre auch nicht die erste von Stand, die sich seiner erfreute. Aber diese Frau war irgendwie unnahbar für ihn. "Die Wachen teilten uns mit das wohlgeboren Leubrecht von Vairningen auf einem Patrouillenritt ist? Wir müssen ihn in einer für uns wichtigen Angelegenheiten sprechen die auch für Neu-Auenwacht interessant werden kann." Die feuchte Kälte sog sich allmählich sein schmerzendes Bein hoch. Welch Wohltat der warme Leib seines Pferdes war. Korwin war sichtlich noch unschlüssig, wie er das Thema behandeln wollte. Die Chancen für Leubrecht schnelles Geld zu machen oder seine eigene Not. Er war sich unschlüssig.

Leomara musterte die beiden Besucher noch einmal und beschloss derweil notgedrungen ihre eigenen Pläne vorerst hintan zu stellen. “Da haben Euch die Wachen korrekt informiert. Ich denke, es wird nicht mehr lang dauern, bis er wieder hier ist. Doch kommt doch vorerst herein und wärmt Euch in der guten Stube.” Lud die Neuankömmlinge ein und hielt ihnen die Tür offen. Durch das Portal betraten sie den Pallas. Ein Stück weiter geradeaus führte eine Treppe nach oben, während sich der hohe Raum mit Galerie nach links hin öffnete. Zielstrebig führte die Geweihte die Männer die Treppe nach oben in einen behaglichen Salon. Ein Feuer spendete Wärme und Licht und ließ die Holzvertäfelung rötlich leuchten. In seinem Zentrum luden mehrere Sitzgelegenheiten zum Verweilen ein und waren gleichzeitig noch auf einen Schreibtisch samt Stuhl ausgerichtet. Wandteppiche schmückten die Wände, ebenso wie das Gemälde einer mächtigen, strahlend weißen Festung, die oben auf einem Felsplateau thronte und über die sie umgebende Ebene wachte.

Korwin wandelte durch den herrschaftlichen Raum mit einer gewissen Demut. Nicht als ob ihm Salons wie dieser nicht zu genüge bekannt waren. Aber dieser hier war das stilvollere Ebenbild zu seinem eigenen mehr oder minder nicht vorhandenen Salon auf der Gramwacht. Das ärgerte ihn ein wenig. Er schlenderte zu dem Gemälde mit der weißen Festung. Das Gebäude kam ihm nicht bekannt vor. Aber das in Öl gemalte Bild mit den grünen Wäldchen, den satten Kornfeldern und den Wölkchen hatte schon was hübsches und zugleich unwirkliches. Er blickte zu dem nahen Fenster und sah die dunkle Brache die wie ein niederhöllischer Fleck in der Landschaft lag. Dann blickte er erneut zu dem Gemälde und beide Bilder verschwammen leicht miteinander. Unnötiger Zierrat dachte er in dem Augenblick in Gegenden wie dieser und ging zurück in die Mitte des Salons. Er deute auf die Stühle und blickte zur Geweihten herüber? "Darf ich? Mein Bein bringt mich um blinder Kälte." Konnar stand unterdessen neben der Tür.

Auch wenn sie sie noch nicht persönlich gesehen hat, so wusste das Leomara, dass die auf dem Gemälde verewigte Burg tatsächlich im Reiche Rauls des Großen stand. Häufig stand Leubrecht nachdenklich vor dem Bild, tief in Gedanken versunken und scheinbar allen derischen Reizen entrückt. “Natürlich Wohlgeboren”, entgegnete die Geweihte freundlich auf die nur halb ausgesprochene Frage. “Ich werde Euch etwas zum Essen und Trinken bringen lassen, während Ihr wartet.” Mit diesen Worten verschwand sie aus dem Salon und ging nur Augenblicke später bereits die Treppe hinunter. Die beiden Männer indes blieben mich sich und ihren Plänen allein zurück.

Korwin setzte sich auf den breiten Stuhl zu forderst des breiten Tisches des Hausherren. Er war mit deinem weichen Leder gepolstert. Korwin rutschte etwas hin und her bis er seine Position gefunden hatte, aber dann konnte er endlich sein Bein entlassten. Korwin blickte abermals zu dem Bild das eben noch Leomara betrachtet hatte. Diesmal jedoch achtete er auf das handwerkliche Geschick des Künstlers. Kurze Zeit später wurde sie durch ein Klopfen und den eintretenden Dienstboten aus ihren Gedanken gerüttelt. Auf der sauber polierten Baumscheibe lagen ein paar feine duftende Würste. Dem Augenschein nach Wildschwein. Dazu etwas goldgelber Käse und ein wenig helles frisches Brot. Korwin und Konnar waren hoch erfreut ob diesen schlichten aber deftigen Mahles. "Etwas zu Kräften kommen, mein Freund?"

Eventuell war es ein halbes Stundenglas, das Korwin und sein Begleiter warten mussten. Doch dann drangen Geräusche aus dem Eingangsbereich bis an die Tür des Salons und hindurch. Jemand musste eingetroffen sein. Jemand, dessen Ankunft für einige Betriebsamkeit sorgte. Und bereits kurze Zeit später öffnete sich die Tür und der Hausherr trat ein. Leubrecht von Vairningen war groß und kräftig, sein Gesicht war etwas gerötet und doch strahlte es Ruhe und Besonnenheit aus. Ganz offensichtlich hatte sich der Brachenwächter von Neu-Auenwacht aufgrund seiner Gäste nicht erst groß herausgeputzt, sondern lediglich seinen Mantel abgelegt. So blieb den Gramwachtern nicht verborgen, dass frische Blutspritzer seinen weißen Wappenrock besprengt hatten und auch wenn seine Hände sauber waren, auch seine Ärmel nicht frei von Blut waren. “Die Zwölfe zum Gruße!”, begrüßte er seine Gäste freundlich mit kräftiger Stimme. “In Travias Namen, heiße ich euch herzlich in meinem Heim willkommen.” Derweil schritt der Vairninger Korwin entgegen, um seinen Mitbrachenwächter auch per Handschlag zu begrüßen. “Was treibt Euch bei diesem Wetter nach Neu-Auenwacht?”

Korwin erhob sich schweren Schrittes von seinem liebgewonnenen Thron und schritt Leubrecht mit offener Hand zum ritterlichen Gruße entgegen. Er freute sich. War es jetzt dann doch schon ein paar Wochen her, dass sie sich zuletzt begegnet waren. "Die Zwölfe zum Gruße werter Leubrecht. Danke, dass Ihr uns in eurem Heime trotz unseres Überfalls empfangt." Korwin musterte Leubrechts Waffenrock. "Wie ich sehe, war Eure Jagd erfolgreich, ich hoffe, Firun war Euch holt und Rondras Segen war mit euch."

Der Vairninger lächelte schwach. “Nun mit einer Jagd hatte das eher wenig gemein. Wir sind die Baumgrenze abgeritten, als plötzlich eine dieser Kreaturen daraus hervorbrach und meinen Waffenknecht in die Brache schleifen wollte. Nunja, nach etwas anständiger Überzeugungsarbeit…”, wobei der Ritter seinen Schwertknauf tätschelte, “... konnten wir die Ordnung wieder herstellen.” Wie blutig diese Überzeugungsarbeit gewesen sein muss, konnte Korwin sich anhand der Flecken auf Leubrechts Gewändern nur allzu gut vorstellen.

"Danken wir den Zwölfen, dass Euch Glück und Geschick gegeben sind. Darf ich mich wieder setzten? Mein Bein ist leider nicht viel besser geworden und besonders bei nass kaltem Wetter, hab ich stets das Gefühl die Brache steckt noch in mir.

Korwin setzte sich, ohne auf die Antwort zu warten. Er hoffte, dass der Hausherr dies nicht beleidigend auffassen würde, aber sein verdammtes Bein tat ihm heute wirklich weh. "Ihr vermutet sicherlich zurecht, dass wir nicht zum Plaudern hier sind, bringen aber auch keine schlechte Kunde." Er machte eine kurze Pause. Was den Hausherren durchaus beruhigte. Hätte allerdings eine wirklich ernste Lage vorgelegen, so hoffte Leubrecht inständig, dass sein Nachbar einen Boten sandte und sich selbst derweil der Bedrohung stellte, bis Hilfe eintraf. "Wir benötigen Eure Hilfe. Anders gesagt, wir möchten Euch einen Handel oder ein Geschäft vorschlagen." Korwin lehnte sich ein wenig zurück, Wuchtete das eine Bein über das andere und legte seine gefalteten Hände auf sein Knie. "Wir handeln seit geraumer Zeit mit unserem Gramfelder Krammet. Das Geschäft läuft ansehnlich. Die Zeiten sind zwar unruhig, aber das tut den Wirtshäusern und Tavernen glücklicherweise keinen Abbruch. In einigen Tavernen Gareths wird ausschließlich unser Krammet kredenzt. Aber genau das ist auch gleichzeitig mein Problem. Ich muss liefern. Und wir sind nahe zu am Limit. Die Äpfel für den Krammet werden nicht schnell genug heran gekarrt. Die eigenen Lager leeren sich. Ich brauche jemand der mit entweder Äpfel liefern kann oder aber direkt Apfelgeist. Die anschließende Veredelung danach zum Krammet ist dann nicht mehr das Problem. Um es auf den Punkt zu bringen. Habt ihr Zeit, Muße und Travias Früchte, um uns helfen zu können?” Nachdem sich sein Besucher bereits wieder hingesetzt hatte, durchquerte Leubrecht den Raum und blieb hinter dem Schreibtisch stehen. Die Hände auf die Lehne gestützt, folgte er dem Ersuchen seines Nachbarn. Dukaten wuchsen nicht an Bäumen und was sollte er sagen, es war nun einmal der Phex-Mond. Wenn, also wenn nicht jetzt, war ein Mond, in dem man Geschäfte durchaus bedenken konnte. “Ihr versteht sicherlich, dass ich die genauen Zahlen nicht im Kopf habe.”, entschuldigte sich Leubrecht erst einmal beim Gramwachter. “Aber nichts, desto trotz bin ich guter Dinge, dass Euch geholfen werden kann. Im Weiler Apfelhain haben wir, wie Ihr anhand des Namens richtig vermuten könnt, viele Apfelbäume. Wenn es Euch recht ist, würde ich morgen jemanden zum Weiler entsenden und dort die genauen Zahlen einholen lassen. Anschließend könnte mein Bote Euch in Gramwacht aufsuchen oder Ihr bleibt für diese Nacht meine Gäste und wartet seine Rückkehr auf die Vairnwacht ab.”

"Vielen Dank werter Leubrecht." Korwin blickte aus dem Fenster. Trotz dessen, dass die Praiosscheibe in Rahja untergeht, schien die Brache jegliche Helligkeit in sich aufzusaugen. Er blickte zu Konnar. Dabei schweifte sein Blick über Leubrechts Waffenrock. "Die Brache ist aktuell etwas unruhig. Selbst wenn der Ritt nur ein Kurzer wird, halte ich es für unklug, noch aufzubrechen." Er blickte erneut zu Konnar. Der nickte. "Gerne nehmen wir Euer traviagefälliges Angebot an." Er lächelte. "Ich danke dir für deine Gastfreundschaft. Sei versichert, dass dir und allen Brüdern und Schwestern unseres Bundes ebenfalls immer ein Platz am Herd in Gramfelden freigeräumt wird." Er deutete eine leichtes verbeugendes Kopfnicken an. “Wenn schon alle verrückt spielen, so sollten zumindest jene zusammenstehen die die Brache im Zaum behalten.”, gab Leubrecht auf den Dank freundlich zurück. “Ich werde Euch ein Zimmer bereiten lassen.” An sich selbst herabschauend, fuhr er fort. “Ich denke, wir sehen uns dann in Kürze beim Essen, bis dahin fühlt Euch ganz wie zu Hause. Ich selbst werde mich bis dahin ein wenig passender herrichten.”

Kurze Zeit später betrat der gleiche Mann den Raum, der ihnen auch das Essen gebracht hatte. “Euer Wohlgeboren, wenn Ihr mir kurz folgen wollt. So würde ich Euch zu Eurem Zimmer führen.” Trug dieser ausgesprochen höflich vor.

Korwin nickte ebenfalls höflich zurück und bedankte sich. Dann folgten die beiden Gäste dem Mann.

Tatsächlich war der Weg sehr kurz. Das Stück zurück zur Treppe und anschließend noch etwas weiter auf der Galerie. Schon waren sie am Gästezimmer angelangt. Dieses war bescheiden, doch gemütlich eingerichtet und bot alles, was ein Gast benötigte. “Bis zum Essen könnt Ihr gerne weiterhin den Salon nutzen, ansonsten findet Ihr, wenn Ihr dort durch die Tür schreitet, hinter der zweiten Tür links die Bibliothek Seiner Wohlgeboren.”

"Vielen Dank nochmal," entgegnete ihm Korwin, dann betrat er das Zimmer. Es gefiel ihm. Er hatte in seiner Zeit im Svelltland und im nördlichen Grenzland von Weiden Herrschaftshäuser betreten, die nicht im Ansatz an dieses Gästezimmer herankamen. Er legte seinen schweren Lederwams ab, setzte sich auf die Bettkante und zerrte mit Leibeskräften an seinen Stiefeln. Er konnte sein Bein jedoch nicht so weit beugen, dass er genug Kraft hätte aufbringen können, die Stiefel abzubekommen. "Elende verdammte Scheisse." Er wuchtete sich hoch und ging zum Nebenraum in dem Konnar untergebracht war. Er pochte an die Tür. "Hilf mir mal!" Konnar öffnete die Tür. "Das Bein?" Kopfnicken. "Komm. Du musst mal zu nem Heiler, Quaksalber oder nem Geweihten. Das wird ja immer schlimmer. Oder du opfert Firun die nächste Sau. Vielleicht ists um dich ja dann nicht so kalt." Konnar lachte. Sie gingen in Korwins Zimmer. Er drehte sich um und zog an den Stiefeln des mittlerweile wieder Sitzenden. Sie lösten sich und er warf sie ihm in die Arme. "Hab Hunger. Bin mal gespannt ob Leubrechts Küche so gut ist wie seine Gastfreundschaft." Dann ging er.

Korwin kam sich in diesem Augenblick sehr gewöhnlich vor. In diesen Momenten spürte er trotz einiger Jahre am Hofe, dass er wenig von adeligen Stand besaß. Er war mehr Bär als Zwölfender und die Jahre in der Wildnis haben seine Etikette sicherlich nicht gefördert. "Seis drum." Sagte er zu sich selbst. Er griff nach den ledernen Schlappschuhen am Fußende und roch daran. Dann streifte er sie über. Innen waren sie mit Schafsfell ausgepolstert und fühlten sich warm und himmlisch weich an. Er träumte einige Zeit vor sich hin. Dann pochte es an der Tür. "Herein" Konnar stand im Türrahmen mit dem Bediensteten im Schlepptau. "Es gibt Essen Euer Wohlgeboren." "Danke, ich komme."

Konnar und Korwin folgten dem Mann hinunter ins Erdgeschoss, wo sich hinter einer Doppeltür der kleine Saal befand. In einem großen U waren hier Tische aufgestellt worden, wobei der Hausherr gegenüber der Tür am Kopfende bereits Platz genommen hatte. An seiner Seite saß die Geweihte der Herrin Rondra, während viele der restlichen Plätze bereits von den anderen Bewohnern der Vairnwacht belegt worden waren. Dem Brachenwächter aus Gramfelden wurde durch den Boten der Platz an der Seite Leubreuchts gewiesen, während Konnar den freien Platz neben Leomara Flammenzunge einnehmen sollte.

Korwin bedankte sich höflich beim Gastgeber. Konnar verneinte sich bei seiner geweihten Sitznachbarin und rieb sich vor Hunger freudig die Hände.

Als auch die Gäste Platz genommen hatten, wurde eine kleine Glocke geläutet und kurz darauf wurden einige Schüsseln mit warmen und herrlich duftenden Eintopf hereingetragen und auf den Tischen verteilt. Ein junger Mann von vielleicht 12 Götterläufen, ebenfalls in den Farben derer von Vairningen angetan und vermutlich der Page Leubrechts, tat den qedlen Herrschaften und ihren Gästen das Essen auf. Erst danach machten sich auch die anderen Anwesenden daran, sich etwas aufzutun.

Als alle etwas von dem köstlich duftenden Eintopf vor sich hatten, erhob kurz die Geweihte das Wort. “Herrin Rondra, einen weiteren Praioslauf lang, haben diese tapferen Seelen den schützenden Schild wider die Brache gehalten. Gebe ihnen die Kraft, dass sie ihre Pflicht auch am kommenden und allen darauf folgenden Praiosläufen erfüllen können. Auch danken wir der Herrin Travia, für ein warmes Heim, nahrhafte Speisen und Wärme im Herzen.”

Leise hörten die Gäste die anderen Anwesenden das kurze Tischgebet mitsprechen, ehe sie nach dessen Abschluss mit Begeisterung zu essen begannen und sich unterhielten.

‘Travia und Praios’, dachte Korwin bei sich. Doch auch die übrigen der Zwölfe sollten hier gehört werden, denn Aspekte jeden einzelnen hatte er schon hier in so vielen Augenblicken erlebt. Deshalb erweiterte er sein Gebet um den Rest und bat um Milde, falls sich der eine oder einer durch das Gebet der Sprecherin vernachlässigt fühlte. Dann machte er sich wie der Rest über das herrliche Essen her. "Der Eintopf ist großartig Leubrecht." Ein Bröckchen Kartoffel hing an seinem Mundwinkel und er schleckte es mit der Zunge weg. "Mir gefällt, wie Ihr eure Runde zusammen haltet." Er blickt sich um. Sah Gesinde, Gemeine, Kämpfer und das unmittelbare Gefolge des Lehnsherren. "Ich nehme an, jeder an eurer Tafel hat es sich redlich verdient hier zu sitzen."

Der Ritter hatte sich eben erst den Löffel in den Mund geschoben, schluckte deshalb erst einmal das Essen herunter und ließ derweil den Löffel sinken. “Der Bund der Brachenwächter mag sich aus den belehnten Rittern ergeben. Ohne die restlichen Bewohner der Vairnwacht, wäre ich allerdings wohl kaum in der Lage meiner Pflicht nachzukommen.”

"Ich denke wir sollten auch dringend mit den übrigen Brachenwächtern wieder zusammenkommen. Unsere letzte Zusammenkunft nach der Brachenhatz ist nun schon Monde her. Wir haben Gefolge verloren und neue Brüder und Schwestern sind hinzugekommen. Dennoch ist unser Bund noch lange nicht so gefestigt wie er sein sollte. Nicht einmal die Frage unseres Schutzheiligen ist geklärt.”

Leubrecht hatte den Löffel nicht erneut gehoben und stattdessen abgewartet, was Korwin zu sagen hatte. Einen Moment lang überlegte er, denn es war durchaus wahres an den Worten seines Nachbarn. “Ein Erlebnis wie die Brachenhatz wird es vermutlich nicht so schnell wieder geben. Nicht nur die Brache ist derzeit sehr unruhig, was uns alle irgendwie an unsere Güter bindet, sondern auch der Rest des Königreiches…” Der Vairninger ließ offen, was er womöglich noch sagen wollte. Stattdessen gönnte er sich einen Schluck verdünnten Wein und fuhr fort. “Dennoch habt Ihr Recht, der Bund handelt nicht so geschlossen, wie er es für seine Pflichterfüllung tun sollte. Vieles haben wir während des Essens nach der Hatz angesprochen und diskutiert. Einigkeit gab es allerdings nur darin, dass es den Bund geben muss, nichts aber darüber hinaus.” Erneut nahm Leubrecht einen kleinen Schluck, während sein Blick etwas in die Ferne wanderte. “Vielleicht sollten wir nach dem Essen einen gemeinsamen Brief aufsetzen”, überlegte er schließlich laut. “Um den Diskurs wieder anzustoßen, Vorschläge zu sammeln und anschließend zur Wahl zu stellen.”

Korwin nickte zustimmend. "Gut gesprochen. Ungeachtet dessen, dass uns der umliegende Adel noch immer als Barnhelms Schoßhündchen und Verwalter von Not und Elend ansieht, gilt der Stärkung unseres Bundes oberstes Augenmerk." Korwin machte eine Pause. Griff nach seinem Glas. Erhob sich ächtzend. "Auf unseren Gastgeber, auf alle tapferen Streiterinnen und Streiter unseres Bundes und seinem Gefolge, die täglich ihr Leben riskieren, damit Gareth auch weiterhin ein unbedarftes Leben führen kann.”

Die meisten Anwesenden waren in ihre eigenen Gespräche vertieft gewesen und wurde damit von Korwins Tost etwas überrumpelt. So kam von ihnen mit einiger Verzögerung oft ein umso kräftigeres: “Hört! Hört!” oder “Genau!” Leubrecht hingegen verstand es wohl und nahm den Tost auf: “Auf die Brachenwächter und all die tapferen Seelen der Brachenwacht!” Ebenso hatte die Geweihte der Sturmherrin ein offenes Ohr für das Gespräch der beiden Brachenwächter gehabt. “Auf die Wacht. Den Schild, der das Königreich davor bewahrt, aus seinem Inneren heraus zu verderben.” Bewusst oder unbewusst formulierte sie dabei ganz neue Aufgaben. Zumindest kam dem Vairninger dieser Gedanke. Könnten die Brachenwächter derart an Bedeutung gewinnen, dass sie über ihre eigentliche Aufgabe hinaus auch ordnenden Einfluss auf den Adel der Kaisermark auszuüben vermochten?

Sein Essen genüsslich kauend, begann Korwin etwas undeutlich daher zu reden. "Ich mein, habt ihr jemals Besuch aus den benachbarten Lehen bekommen? Ich komm mir vor als würden wir den ganzen Dreck jetzt abhalten und keinen interessiert es. Eine meine Bauersfrauen sagte mir, dass es früher Gang und Gebe war, dass auch in Silkwiesen oder Grambusch Gezücht aufgetaucht ist. Sich mal das ein oder anders Schaaf oder nen nächtliche Rumtreiber gerissen hat. Das war einfach so. Ich garabtier dir Leubrecht bei mir in Gramaue kommt nichts mehr durch. Problematisch wirds nach Firun. Da ist da Lehen nur wenige dutzend Schritt von der Reichsstraße entfernt. Aber das bekomme ich auch noch hin." Er deutete auf die kupferne Bierkanne zu seine übernächsten Nachbarn. "Kann ich die Kanne mal haben?" Der Mann stand sogar extra auf und schenkte ihm ein."Danke." Entgegnete Korwin. Leubrecht musste an der ein oder anderen Stelle etwas überlegen, doch letztlich bildete er sich ein Korwin verstanden zu haben. “Nach der Belehnung bin ich in Grambusch gewesen, neben den anderen Brachenwächtern und der Brache ist das Gut mein einziger Nachbar”, erklärte er kurz. Dabei konnte er sich an seinen damaligen Besuch gut erinnern. Germuth von Königslinden hatte ihn nur milde belächelt. Was scherte es ihn, mit welchen Mitteln die Wächter ihrer Aufgabe nachkommen sollten. Der alte Barnhelm hatte eine neue Ordnung verfügt und damit dem Grambuscher eine lästige Arbeit abgenommen. Besser noch, er konnte jedes ungeklärte Vorkommnis als Versagen der Wächter darstellen. “Ich denke fürs Erste sollten wir die Gemeinschaft der Brachenwächter stärken und erst wenn wir mehr als nur dem Name nach eine Gemeinschaft sind, uns stärker nach Außen wenden.”

Korwin schluckte den Bissen herunter und wischte sich mit dem Ärmel den Mund ab. "Was schlägst du vor? Ein Brief? Ein gemeinsamer Schwur? Wir haben vor Barnhelm gekniet. Aber knien wir auch vor seinem Nachfolger? Und die Nachfolger der toten Brachenwächter werden vielleicht aus anderen Beweggründen angetrieben die nicht unseren entsprechen."

Er griff nach seinem Becher. Blickte ihn an. Dann Leubrecht. Dann trank er einen tiefen Schluck. Schaum hing an seinem Mundwinkel.

"Ich mache keinen Hehl daraus. Das ist alles was ich habe. Und verdammt nochmal ich mag es. Es gibt meinem Leben eine Bedeutung. Ich bin durchs Sveltland gezogen. Habe mich als Mietklinge verdient. Mehr Orks den Schädel eingeschlagen als du Becher für das ganze Gut hast. Aber wofür? Das ist das erste Echte was ich tue. Vor unserem Herren Praios kann ich schwören, dass ich mein Leben geben würde für unsere Sache. Und wenn alle anderen zusammen als eine Stimme sprechen kann diesen Bund so schnell nichts mehr brechen.

Nachdenklich blickte der Ritter in seinen Becher. Schwenkte ihn ein wenig und sah zu, wie sich sein Getränk darin begann zu bewegen. “Mhm…”, machte leise. In der Tat war seine Ausgangslage eine gänzlich andere, als es die seines Mitwächters war. Zumal sich seine Lage, durch die Entwicklungen in der Fehde, hier in Garetien noch deutlich verbessert hatte. Dann stellte er abrupt seinen Becher ab und erhob sich. Sogleich blickten viele Gesichter zu ihm.

Korwin blickte etwas verwundert auf.

“Bitte entschuldigt mich, esst in Ruhe weiter”, gingen seine ersten Worte mehr an das Gro der Anwesenden. An seinen Gast und das mithörende Umfeld gewandt fügte er noch hinzu: “Ich gehe hoch und setzte einen ersten Entwurf auf. Wir können ihn anschließend gemeinsam diskutieren, eh wir ihn an alle Wächter senden.” Damit verließ Leubrecht von Vairningen den Raum mit weit greifenden Schritten in Richtung seines Arbeitszimmers.