Geschichten:Gedankengift Teil 17b

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Später auf Burg Trollhammer


Simiona kannte keine Gnade. Sie marschierte schnurstracks in das Hauptgebäude der Burg hinein. Die ersten Diener, die ihr über den Weg liefen, wurden kurzerhand erschossen.

Überall säumten umgestürzte Möbelstücke, Blutlachen an Wänden und auf dem Boden sowie zahlreiche Leichen ihren Weg. Irgendwann drang sie in ein Gemach einer Dienerin vor. Die Frau hatte sich vor lauter Angst unter dem Bett versteckt. Simiona riss die Decke fort und hielt ihr die Waffe an den Kopf.

„Mein So`n! Wo ist er?“ herrschte sie sie an.

„Wer…was?“ stotterte sie.

„Mein So`n Randolf! Bringe misch sofort zu i`m.“ Als die Frau zögerte, schoss ihr Simiona das linke Ohrläppchen weg. Die Frau schrie auf und begann zu wimmern. „Der nächste trifft dein Auge, klar? Los, bring misch zu meinem So`n.“

Die Frau führte sie schluchzend durch die Gemächer bis in die herrschaftlichen Wohnbereiche. Inzwischen waren weitere Wachen alarmiert worden und hatten sich im Gang hinter Schildern verschanzt. Als Simiona das bemerkte, nahm sie die Dienstmagd in den Würgegriff und hielt ihr ihre Waffe an den Kopf.

„Waffen und Schilde weg und Hände über den Kopf, oder sie stirbt!“ schrie Simiona.

„Niemals. Ihr werdet eure Waffe senken und euch ergeben. Wir haben Befehl, euch um jeden Preis aufzuhalten.“

Simiona näherte sich den Wachsoldaten und trieb dabei die verängstigte Frau langsam vor sich her. Sie zählte im Gang sechs Männer, zum Teil zusätzlich mit Armbrüsten bewaffnet.

„Keinen Schritt weiter, oder wir schießen!“ brüllte der Weibel.

„Dann `abt i`r diese Schlampe `ier auf dem Gewissen. Wollt ihr das wirklisch?“ Die Frau schluchzte jämmerlich. In ihren Zügen stand schiere Angst. Simiona packte sie noch fester in den Würgegriff, konzentrierte sich auf einen der Gegner und flüsterte ein paar Worte in einer uralten Sprache – der Sprache ihres dunklen Gottes.

Einer der hinteren Wachen trat daraufhin plötzlich einen Schritt zurück. Als sich sein Nebenmann zu ihm umdrehte, machte der Wächter einen völlig verwirrten Eindruck. „Norman, was ist denn mit dir? Reiß dich mal was zusammen, Mann!“

„Ich... kann... nicht… nicht.“ Die Fackeln, die den Gang erleuchteten, verloschen plötzlich und ein eisiger Hauch war zu spüren. Die Wachen konnten diese mordende Furie im Dunkeln nun kaum noch ausmachen.

Der vorne stehende Anführer wurde nervös. Die Dinge schienen ihm zu entgleiten. „Was ist denn da los? Zurück in die Reihe, sofort!“ schrie er.

Plötzlich schreckte der Soldat namens Norman wie aus einem Traum hoch, riss seine Waffe hervor und schlug wie ein Irrer auf seine Kameraden ein, wodurch die Reihen in Unordnung gerieten. „Verrat! Schießt!“ brüllte der Anführer.

Zwei Bolzen trafen die Dienstfrau in die Brust. Simiona stieß sie beiseite und schoss ebenfalls. Ihr Bolzen bohrte sich dem Anführer in die Stirn. Noch bevor dieser über seinem Schild zusammengebrochen war, hatte sie sich hinter eine Ecke verborgen, ihre Waffe nachgeladen und legte erneut an. Die hinteren Wachen waren damit beschäftigt, den Wüterich im Zaun zu halten und die vorderen Wachen gerieten in Panik. Einer schrie: „Der Weibel ist tot. Wir müssen…“ in diesem Moment traf den Soldaten ein Bolzen in die Schläfe. Als die anderen das realisierten, ergriffen sie die Flucht. Einen traf noch der Berserker und brachte ihn so zu Fall. Simiona schritt rasch nach vorne, schoss dem Wütenden ebenfalls in den Kopf, zückte ihr Rapier und erstach den am Boden liegenden, der gerade dabei war, sich aufzurappeln.

Dann blickte sie sich um. Der Boden füllte sich langsam mit auslaufendem Blut. Am Gangende entdeckte Simiona eine große Doppeltüre. Sie hielt darauf zu und öffnete sie. Es war das Gemach des Barons zu Hirschfurten. Der alte Mann lag keuchend in seinem Bett. Simiona trat an ihn heran.

„Verzei`ung, dass isch `ier so `ereinplatze, euer `ochgeboren, aber isch bin `ier, um meinen So`n abzu `olen. Eure Männer waren leider etwas un`öflisch zu mir, also musste isch sie ein wenig Respekt le`ren. Das verste`t i`r doch sischer, nischt wa`r?“ Ihre Stimme troff geradezu vor Zynismus.

Radulf sah sie zunächst zornig, dann furchterfüllt an. Die Frau erschien ihm fast als Botin der Niederhöllen. „Was…willst… Du?“ stammelte er mühsam.

Simiona beugte sich nahe an sein Ohr heran. „Nur meinen So`n, und ein klitzekleines bißschen Rache für Nimmgalfs Verrat!“

In diesem Moment zückte sie ein Mengbillar aus einer Beinscheide und stach zu. Die Klinge traf den alten Mann in die linke Schulter. Schmerzgepeinigt schrie er kurz auf. Dann verfiel er in ein hektisches Keuchen.

„Das Gift der Rattenpilze wird Eusch sanft einschlafen lassen, Baron. Und vor`er `abt I`r noch viel Zeit, über die Allmacht des All-Einen nachzudenken. Er wird Eusch mit offenen Armen empfangen. Bedenkt dies in Euren letzten Augenblicken auf Dere!“

Damit verlies Simiona den alten Mann.

Sie suchte systematisch den Wohntrakt der Herrschaften ab. Schon bald hatte sie ein Stockwerk höher Nimmgalfs private Gemächer ausfindig gemacht. Instinktiv ging sie zu einer kleinen Wandkammer, wo sie eine dicke zusammengekauerte Magd vorfand, die einen kleinen Jungen zu beschützen schien. Es war ihr Sohn.

„Randolf, mein Kleiner. Komm zu mir.“

„Mami, Mami, du bist wieder da!“ rief der kleine Junge. Er riss sich von der Magd los, die ihn erst festhalten wollte, ihn dann aber tränenüberströmt gehen lies, und lief auf Simiona zu. Diese nahm ihn in die Arme und drückte ihn an sich. Eine kleine Träne lief ihr die Wange hinab. Der kleine Junge umarmte seine Mutter und liebkoste sie.

Simiona streichelte ihm über das Köpfchen. „Mein lieber kleiner Randolf, wir machen jetzt eine kleine Reise. Du musst keine Angst `aben, Mami wird disch vor allem Bösen beschützen.“

Sie trat an das Fenster und blickte auf den von Fackeln erleuchteten Burghof. Inzwischen hatten sich die Wachen neu formiert und drangen gerade mit einem größeren Trupp in das Gebäude vor. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sie finden würden. Für einen weiteren Konflikt fehlte es ihr an Munition. Simiona setzte den kleinen Randolf ab und gab ihm einen sanften Kuss auf die Stirn.

„Ge` schon mal vor in den Flur, ja? Mami kommt gleich nach.“

„Kommt Tante Selma auch mit?“ fragte er sie mit großen Augen.

Simiona schüttelte den Kopf. „Nein, Randolf, nur wir beide! Aber Mami ge`t sisch noch kurz von Tante Selma verabschieden, ja?“

Der Junge nickte und lief dann in den Flur. Dort wartete er. Er hörte einen kurzes Klacken und einen leichten Aufschrei, der rasch wieder verstummte, doch er konnte nicht genau sagen, woher das ihm unbekannte Geräusch kam. Kurz darauf kam Simiona wieder und nahm ihn bei der Hand. Ihre Tasche war leichter geworden, etwas hatte sie dort gelassen. Zusammen liefen sie zum Bergfried, zu dessen zweiten Stock es eine direkte Verbindung von den Wohngemächern aus gab, und stiegen die Stufen zum Dach empor.

Simiona wusste, dass nun Eile geboten war, denn ihre Verfolger kamen näher. Schon auf dem Weg auf die Dachplattform sandte sie einen Ruf, der für Menschen unhörbar war, jedoch durch ihre Kraft über die Grenzen der Sphären hinaus getragen wurde. Oben angekommen entzündete sie eine Fackel, die einen merkwürdigen violetten Qualm erzeugte. Schon nach kurzer Zeit war das Rauschen großer Schwingen zu vernehmen. Eine Kreatur, die aussah wie ein großer schwarzer Löwe mit tiefvioletten Krallen und Zähnen, tauchte wie aus dem nichts auf und landete auf dem Bergfried. Seine Mähne schien nichts als wallende Finsternis zu sein.

Randolf fing an zu weinen, als er das Wesen sah, und versuchte sich hinter Simiona zu verstecken. Simiona nahm ihren Sohn auf den Arm, und drückte ihn feste an sich. „Schhhht, `ab keine Angst, mein Kleiner. Das Wesen ist doch unser Freund. Es wird uns beide beschützen und sischer nach `ause bringen. Zeig Mami jetzt, dass du schon ein großer Junge bist.“ Randolf schluchzte noch einmal und beruhigte sich dann wieder.

Simiona stieg mit ihrem Sohn auf den Grakvaloth auf und gab ihm einen Befehl in der uralten Sprache der Diener des Namelosen. Daraufhin erhob die Schreckenskreatur sich mit ihren ledrigen Schwingen in die Lüfte und flog Richtung Norden von dannen.