Geschichten:Altes Blut - Zu unser aller Sicherheit: Unterschied zwischen den Versionen

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'''''28. Praios 1037 – [[Handlungsort ist::Garetien:Zum Winterkönig|Zum Winterkönig]], [[Handlungsort ist::Garetien:Stadt Rallerspfort|Stadt Rallerspfort]] ([[Handlungsort ist::Garetien: Baronie Rallerspfort|Baronie Rallerspfort]])'''''
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'''''2. Rondra 1037 – [[Handlungsort ist::Garetien:Handelshaus Rallersgrunder|Handelshaus Rallersgrunder]], [[Handlungsort ist::Garetien:Reichsstadt Hirschfurt|Reichsstadt Hirschfurt]]'''''
  
Wie so oft in letzter Zeit, verbrachte [[Garetien:Haldan von Rallersgrund|Haldan von Rallersgrund]] auch diesen Abend bei kühlem Wein und gedämpfter Musik im Gasthaus „Zum Winterkönig“. Er spitzte seinen Federkiel sorgfältig an, tauchte ihn in ein vorbereitetes Tintenfass und begann zu schreiben.
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„[[Hauptdarsteller ist::Garetien:Stordan von Rallersgrund|Stordan]]! Komm her!“, die durchdringende Stimme [[Hauptdarsteller ist::Garetien:Cordovan von Rallersgrund|Cordovans von Rallersgrund]] schallte durch das Arbeitszimmer seines Hirschfurter Stadthauses. Ungeduldig tippelte er mit den Fingern seiner rechten Hand auf der abgenutzten, ledernen Schreibunterlage herum. Aus einer der unteren Etagen hörte er ein gehetztes „Ich komme, Onkel!“ und eilige Schritte auf dem polierten Stein. Er erhob sich, öffnete das Fenster und verzog enttäuscht das Gesicht, als die eindringende Luft der Abenddämmerung nicht die erhoffte Abkühlung brachte. Stattdessen überflutete ihn der angenehme Lärm der Stadt: rumpelnde Karren, die Waren transportierten, das Kratzen der Besen der Krämer, die ihre kleinen, ranzigen Läden nach vollbrachtem Tagwerk säuberten und das Betteln der Armen, die nichts aus ihrem Leben gemacht hatten und nun, zu recht, nichts besaßen.  
  
''„Sehr geehrter Vater,
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Die Tür öffnete sich und Stordan trat ein. Cordovan musterte ihn. Man konnte nicht leugnen, dass er Teil seiner Familie war, auch wenn er dies noch zu häufig anzweifelte. Er war groß gewachsen, breit gebaut, mit blauen Augen. Sein Haar hatte die Farbe eines Straßenköters, doch das war gut, wie Cordovan fand; es zeigte den einfachen Leuten, seine Familie sei am Boden geblieben. Am Boden. Was gab es da schon zu holen? Alle sagten, es sei gut, am Boden zu bleiben, doch gleichzeitig wünschten sie sich hoch hinaus zu kommen – ein Widerspruch, den Cordovan nie akzeptieren wollte.
''es war eine ausgezeichnete Entscheidung, mich nach Rallerspfort zu entsenden, entwickelt sich unsere Angelegenheit unter meinem Zutun doch in herausragender Weise. Auch wenn mir das Glück durchweg hold ist, liegt es in nicht geringem Maße an meinem Vorgehen, dass ich zur Jagd geladen wurde, an welcher die hohe Gesellschaft Rallerspforts teilnehmen und, wissend oder unwissend, meine Sache unterstützen wird, da bin ich mir sicher. Wir befinden uns auf dem Pfad des Sieges und ich gedenke nicht, ihn zu verlassen oder mich verleiten zu lassen.''
 
''Erwähnung finden sollte auch, dass es mir gelang, einen Geweihten für mich zu gewinnen. Nach anfänglicher Skepsis erwies sich diese als haltlos, wird seit zwei Wochen doch, ohne weiteres Zutun meinerseits, bloß noch in unserem Sinne auf den Straßen gepredigt. Mit Parolen, wie ‚Die ungesühnte Sünde des Vaters, ist die Sünde des Sohnes‘ sorgt er für zustimmende Zurufe von den Rechtschaffenden und mit Gleichnissen, wie ‚Die Sünde ist wie eine rottende Leiche im Keller – zu Beginn meinst du sie verdrängen zu können, doch der Geruch wird intensiver und bald schon lässt sie sich nicht mehr verbergen, bis du daran erstickst‘ findet er das Wohlwollen der Massen, während er sie auf unser Kommen vorbereitet. Von Zeit zu Zeit stelle ich mir vor, wie auch Raulbrin von Rallerspfort an seinem Kamin sitzt und die gut gewählten Worte lobt, die seinen Sturz bedeuten.''
 
''Mit diesen Worten ende ich für heute.''
 
''Gehabt euch wohl''
 
''Euer pflichterfüllter Sohn''
 
''Haldan“''
 
  
Haldan hielt inne, streute etwas Löschbims auf die Tinte, schüttelte ihn ab und las das Geschriebene. Als er aufblickte, bemerkte er eine Gruppe von Reisenden, die soeben den Gastraum betrat. Es handelte sich um Leute von Adel, wie die Wappen verrieten und auch die Zugehörigkeit war Haldan bekannt. Es waren der [[Garetien: Alandro von Leuchtenfeld|Junker von Leuchtenfeld]] und seine Gefolgsleute. Haldan vermutete, dass auch sie einige Tage in Rallerspfort verbringen wollten, um neue Kleidung, Jagdwaffen und weitere Ausstattung zu kaufen, um in Zerbelhufen protzen zu können. Nun jedoch waren sie an einem vollen Bauch interessiert und wandten sich dem Tresen zu. Haldan blickte sich um. Der Gastraum war gut gefüllt und nur wenige Plätze waren frei. Er wandte sich an seine Tischnachbarn.
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Stordan zupfte gerade seine Samtweste zurecht, straffte sich und schaute seinen Onkel an.  
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„Stiefel“, gab Cordovan scharf von sich und Stordan zuckte hastig zusammen und säuberte seine Stiefelspitze. „Gut. Setz dich.“ Stordan setzte sich. Ihm am nächsten stand ein ausladender, lederner Sessel, doch er wagte es nicht, sich darin zurückzulehnen, sondern saß unbequem auf der Kante.
  
„Entschuldigt die Störung, doch sind soeben Freunde von mir eingetroffen. Würde es große Unannehmlichkeiten bereiten, den Tisch zu räumen?“
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„Mein Sohn hat mir geschrieben“, begann Cordovan, „Er schreibt, dass sich seine Geschäfte ausgezeichnet entwickeln; habe ich auch nicht anders erwartet. Da ich mir darum also vorerst keine Gedanken zu machen brauche, habe ich Zeit für etwas Neues. Was gibt es Neues, Stordan?“
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„Die Stadtgarde und die Spießbürger haben die Anzahl der Waffenübungen erhöht. Man erwartet in Bälde den Marschbefehl der Kaiserin.“
Fragende Blicke.  
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Cordovan fuhr sich mit seiner Hand durchs Haar und strich eine verschwitzte Strähne aus der Stirn. „Sooo? Was die Reichsstädte tun, werden auch bald die Grafen tun. Stordan, sag mir, was ist das wichtigste, möchte man einen Krieg gewinnen?“
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„Genügend Soldaten“, antwortete Stordan sicher.
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„Falsch. Ich nehme es dir nicht übel, hätte ich in deinem Alter doch genau so geantwortet. Die Antwort eines vierzehnjährigen Jungen.“ Er schritt um seinen Tisch herum und setzte sich auf die Lehne des Sessels. Während er fortfuhr legte er den Arm um die Schultern des Jungen. „Als Junge stellte ich mir den Krieg auch vor wie einen Schauplatz von Heldenmut und Tapferkeit. Eisenharte Männer liefern sich großartige Gefechte, das Klirren der Schwerter klingt wie eine Hymne von Rondra Höchstselbst und in all diesem Glanz entscheidet sich die jahrzehntelange Ränkepolitik des Adels.“ Der Junge sah ihn irritiert an.
  
„Ich zahle jedem ein Silberstück, der auf der Stelle verschwindet.“ Seine Nachbarn erhoben sich augenblicklich, nahmen das Geld und gingen. Es war viel Geld gewesen, aber Haldan hoffte, dass es das wert gewesen war. Zumindest ging sein Plan auf. Während er sich wieder seinem Brief widmete, bemerkte er, wie die Herrschaften an seinem Tisch Platz nahmen und umgehend in ein Gespräch versanken.
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„Gut, dass du aufmerkst. ‚Politik? In der Schlacht? Was hat Rondra mit Politik zu tun?‘ Gar nichts, sage ich dir. Genau dies ist die Stelle, die auch ich nie verstand. Wie vereinbare ich Heldenmut und Tapferkeit mit Politik und Intrige? Wie kann sich dies ebenbürtig sein. Es gibt nur eine Lösung: Sie sind es nicht. Heldenmut ist der Knecht der Politik. Heldenmut ist das Werkzeug der Politik. Während Generationen von Jungs wie dir eingetrichtert bekommen, wie wichtig es ist, heldenhaft zu sein, gibt es eine kleine Gruppe von Männern, die bei dem Spiel nicht mitmachen und sich das nehmen, was sie wollen. Der Rest stirbt einen heldenhaften, aber frühen Tod“ Er erhob sich wieder, während man Stordan ansehen konnte, wie es in seinem Kopf ratterte.
  
„Der [[Garetien:Raulbrin von Rallerspfort|Baron]] wird nicht erscheinen?“ Erstaunen schwang in der melodischen Stimme der Frau mit, die neben Haldan Platz genommen hatte. Ein kurzes Aufblicken verriet, dass es sich um [[Garetien: Celissa von Lichtenhayn|Celissa von Lichtenhayn]] handelte, eine junge Ritterin in feinem, grünem Wollkleid, welches mit perainegefälligen Motiven raffiniert, aber nicht zu protzig verziert war. Aber nicht nur sie war überrascht. Für einen Augenblick muss auch Haldan die Überraschung im Gesicht gestanden haben, denn ein grober Ritter von fast fünfzig Götterläufen bemerkte seinen Blick.
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„Aber…“, begann er, „Euer Sohn wurde doch zu einem genau solchen Krieger ausgebildet …?“
  
„Und wer seid Ihr, dass Ihr Euch so für unser Gespräch interessiert?“ [[Garetien: Aromir von trutzen|Aromir von Trutzen]] saß in frisch geöltem Kettenhemd auf der Bank und sein Wappenrock wies einige Stellen auf, die einst genäht werden mussten. Aromir war einer der herausragenden Ritter der Baronie – herausragend, weil nicht schon lange aus dem besten Alter heraus – ein echter Haudegen.
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Cordovan machte kurz ein irritiertes Gesicht, fasste sich aber schnell wieder und gab dem Jungen einen Klaps auf den Hinterkopf. „Das war doch etwas völlig anderes!“
  
„Mein Name ist Haldan Rallersgrunder und Euer Gespräch weckte meine Aufmerksamkeit, da ich hörte, dass Ihr, so wie ich, ebenfalls an der Jagd zu Zerbelhufen teilnehmen werdet. Dass unser werter Baron nicht teilnimmt, mag ich kaum zu begreifen, hatte ich mich doch auf ein Kennenlernen gefreut.
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Stordan ließ entmutigt den Kopf hängen. „Sitz gerade“, tönte es sofort. Der Junge straffte sich und versuchte es erneut: „Was ist dann das Wichtigste, um einen Krieg zu gewinnen?
  
Die Brust des Ritters blähte sich auf, als er die Worte Haldans vernahm. Das nicht vorhandene „von“ im Namen störte ihn ganz offensichtlich. „Wie kommt Ihr zu der Ehre geladen zu sein?“, fragte er, wobei die Betonung unüberhörbar auf dem „Ihr“ lag.
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„Ein gesichertes Hinterland. Die stärkste Schwerthand ist nutzlos, wenn ein schwacher Arm sie trägt, doch hält sie ein starker Arm, wird der Gegner bald schon fallen.
  
„Vielleicht wegen meines großen Geschicks als Jäger.“
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Stordan lächelte und nickte, weil er verstand. Er verstand gar nichts, dachte sich Cordovan. „Doch was nützt uns das?“ Das Lächeln des Jungen erstarb. „Was bringt uns ein rascher Krieg?“  
Aromir schien etwas belustigt, schaute in die Runde und sagte: „Ihr seht beileibe nicht wie ein Jägersmann aus.
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Ratlosigkeit. Dann die Antwort: „Frieden“ Cordovan kratzte sich, wo sein verschwitzter Hemdkragen den Hals berührte.
  
„Ganz im Gegensatz zu Euch, natürlich. Mit Lanze und Schild stellt Ihr Euch dem wütenden Eber?“
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„Der Frieden ist schön. Der Frieden ist gut. Alle wollen Frieden und das zu Recht. Man kann vernünftige Geschäfte machen und sich irgendwann einmal einen vernünftigen Sarg leisten, in welchem man vor sich hin rottend den vernünftigen Frieden von unten beobachten kann. Doch erst der Krieg bringt neue Bewegung in dieses Spiel. Er weckt alle auf, die im Alltagstrott vor sich hin rotten und während diese Leute“, er zeigte zum Fenster hinaus „während diese Leute überrascht aus ihren Betten fallen, stehen wir schon lange dort und warten ab, bis der erste vorbeikommt, der sich vor Hunger an den eigenen Fingern nagt. Nun sag mir also, Stordan, was ist die Rolle des Händlers im Krieg? Was trägt er bei?“
  
Der breit gebaute Mann schaute ihn durchdringend aus dem einen, ihm noch zur Verfügung stehenden Auge an und verzog das Gesicht zu einem breiten Lachen. Das Eis war gebrochen und der Abend verstrich wie im Flug. Während all dem geselligen Treiben kam Haldan nicht umhin einige Sonderlichkeiten an seinen Tischnachban zu bemerken. Der scheinbar hochrangigste war der Junker Alandro von Leuchtenfels, der mit seinem streng nach hinten gekämmten, silbernen Haar, wie ein junger Bursche den gutaussehenden Damen hinterher sah, dabei aber ein Gesicht zog, als würde ihn alles anekeln und eine unnormale Reinlichkeit an den Tag legte. So ließ er keinen Becher vor dem Einschenken nicht ausgewischt, kein Messer unpoliert und regelmäßig bat er um ein Tuch für seine Hände.
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„Die Männer?“
  
Alandro gegenüber saß eine junge Frau, Aromirs Knappin. Während die übrigen Anwesenden im Gastraum zum Tanz baten, oder sich bitten ließen, blieb sie an ihrem Platz und unterhielt sich bloß mit Alandro, der es ebenfalls vermied zu tanzen.
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„Die Männer?! Hast du den Verstand verloren? Geh fort von deinen Männern. Denke um!“
  
Haldan wandte sich an seine Tischnachbarin, Celissa von Lichtenhayn. Er erhob sich, öffnete ihr seine Hand und neigte sich zu ihrem Ohr herunter.
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„Die Waffen, Onkel.
  
„Darf ich so unverschämt sein und Euch um einen zwanglosen Tanz bitten?“
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„Richtig, doch Waffen kaufst du einmal. Ein Geschäft ist gut, doch wir wollen mehr. Was liefert der Händler?“ Der Ton wurde rauer, er sprach immer schneller.
  
„Zwanglos? Ich denke durchaus nicht, dass es zwanglos ist. Wie stündet Ihr da würde ich nun ablehnen?“
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„Den Proviant?“
  
„Wie ein Narr“, gab Haldan geradeheraus zurück.
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„Den Proviant! Schrei es hinaus, wenn du richtig liegst, schrei es hinaus! Der Proviant ist das Entscheidende.“ Eilig schritt er zurück zum Sessel, kniete vor dem Jungen nieder, nahm dessen Hände in die seinen und fuhr fort. „Und nun erinnere dich, Stordan. Was habe ich dir eben gesagt? Was wollen wir?“
  
„Doch noch immer besser als ich, würde man mir doch Grausamkeit unterstellen.“ Sie lächelte, nahm seine Hand und ließ sich von ihm aus der Bank helfen. Bei ihren Worten wurde Haldan für einen Augenblick ganz warm, doch ermahnte er sich selbst zur Vernunft. Er führte sie galant auf die Tanzfläche.
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„Einen langen Krieg.“
Während des Tanzes nutzte er die Gelegenheit, das Gespräch auf die übrige Gesellschaft zu lenken.
 
  
„Ich bin ein wahrer Glückspilz.“
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„Richtig. Und was liefern wir?
  
„Weshalb?
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„Den Proviant.
  
„Weil ich den Abend in solch außergewöhnlicher Gesellschaft verbringen darf. Zwei hübsche, junge Damen an meinem Tisch und noch dazu von Adel.“ Celissa lächelte sacht. „Hätte mich Alara nicht das Fürchten gelehrt, würde ich auch sie ganz tollkühn zum Tanz auffordern.“
+
Ruckartig sprang Cordovan auf und klatschte in die Hände. „Du hast es begriffen! Du hast es begriffen. Jetzt fehlt uns nur noch ein Narr, der ihn kauft und Glück, damit der Krieg lange dauert.“ Stordan nickte eifrig. „Gut. Genug für heute. Hol dir einen Becher Wein aus der Kammer, du hast ihn dir verdient. Wir sehen uns beim Abendessen.“ Stordan stand auf und verließ den Raum.
  
Celissa musste lachen. „Das Fürchten? Was hat sie getan, dass Euch der Mut versagt?“
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Cordovan schnaufte durch und schenkte sich selber einen Becher Wein ein. Er stellte sich ans Fenster, schaute hinaus und nippte langsam an seinem Getränk. Seine Schwester Glenna hatte einen guten Jungen. Er begriff doch recht schnell, man musste ihn nur auf den richtigen Weg bringen. Während er in Gedanken verloren dort stand, bemerkte er, wie sich ein Freund seinem Haus näherte. Er schenkte einen weiteren Becher ein, straffte seine Kleidung und erwartete ihn an seinen Tisch gelehnt. Bald schon öffnete sich die Tür und Baltram Lindentaler trat ein. Baltram war ein Angestellter Cordovans und für Geschäftsabschlüsse in der Ferne zuständig. Er hatte einen bemerkenswert guten Riecher für profitable Geschäfte und man konnte sich auf ihn verlassen.
  
„Bisher lehnte sie jede Aufforderung ab, ganz egal von wem sie diese erhielt.“
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„Baltram, wie schön dich zu sehen.“ Mit ausgebreiteten Armen ging Cordovan auf den etwas untersetzten Mann zu und reichte ihm den vorbereiteten Becher Wein.
  
„Ich will dieses Rätsel für Euch lösen und Euch von der Furcht befreien. Sie ist verlobt.
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„Das kann ich nur zurückgeben.“ Er nahm den Becher und sie stießen an.
  
Haldan mimte den Erleichterten, zur Freude Celissas. „Vielen Dank, dass Ihr mich aufgeklärt habt. Wer ist der Glückliche?“
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„Setz dich, setz dich, Baltram und erzähl mir von Rallerspfort.“ Cordovan setzte sich entspannt und mit ausgebreiteten Armen in den Sessel und schloss die Augen, als erwarte er eine Einschlafgeschichte.
  
„Firnhold von Zweifelfels. Ich kenne ihn, da ich einige Jahre meiner Knappenzeit mit ihm verbrachte. Ein großartiger Mann. Ich kann verstehen, weshalb sie jeden anderen fortschickt.“ Haldan nickte nachdenklich. Zweifelfels. Bislang hatte er sich noch kaum mit den Familien des Umlandes beschäftigen müssen, doch schien kein Weg daran vorbei zu führen.
+
„Nun, wie von dir aufgetragen bin ich nach Rallerspfort, oder genauer, zum Rallerspfort gereist, um ihm ein Angebot zu unterbreiten. Er schien besorgt, doch ich ließ mich davon nicht irritieren. Ich begann von den Kriegsvorbereitungen der Stadt Hirschfurt zu sprechen und lenkte so das Gespräch auf das Thema, welches ich ansprechen wollte. Ich fragte ihn also, ob er sich schon Gedanken über die Versorgung seiner Truppen gemacht hätte und er plante, die Vorräte immer vor Ort zu erstehen. An dieser Stelle hakte ich auch direkt schon ein und erinnerte daran, dass die Möglichkeit bestünde, dass die Landwehr eingezogen werden würde, was wiederum bedeuten würde, dass rund zwanzigtausend Männer vor Ort versorgt werden müssten. Ich sagte ihm also, dass der weise Mann schon hier vorsorgt. Er meinte, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Landwehr eingezogen werden würde, aber der Punkt hatte dennoch Eindruck hinterlassen. Von da an war er offener für mein Angebot. Ich teilte ihm mit, dass das Handelshaus „Rallersgrunder“ die Möglichkeit sieht, den Heerzug seiner Baronie mit Proviant und den ständigen Anschaffungen während des Heerzugs zu unterstützen. Er wäre somit von dieser Last befreit und könne sich auf Dinge konzentrieren, die seinem strategischen Genie eher entsprechen. Somit wäre dieser Handel eine Investition zum Wohle des Reiches, müssten doch keine wichtigen Ressourcen an falscher Stelle verschwendet werden.“ Cordovan nickte zustimmend und sichtlich zufrieden.
  
Als die Musik endete geleitete er Celissa zurück zu ihrem Platz, bevor er sich von den übrigen verabschiedete und sein Zimmer aufsuchte. Er entschied sich die Jagd abzuwarten und dann zu entscheiden, an wen er sich wenden würde außerhalb Rallerspforts. Er stand noch ganz am Anfang und würde Schützenhilfe gut gebrauchen können.
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„Ist er darauf eingegangen? Haben wir den Vertrag in trockenen Tüchern?“
  
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„Nun ja, ja, haben wir. Nach der Geschichte mit dem „Wohle des Reiches“ war es an sich nur noch Feilschen. Er ließ sich nicht von der Landwehr überzeugen, sah also keine ernsthafte Dringlichkeit, war aber einverstanden, für diese Entlastung und unser entstehendes Risiko durch schlechter bewachte Handelswege zu zahlen. Ich konnte ihn nicht dazu bringen, die Waren zu Kriegspreisen, entsprechend denen vor Ort, zu erstehen, aber auch bei den Preisen machen wir deutlichen Gewinn, nur eben nicht so viel wie erhofft.“
  
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„Das ist nicht weiter tragisch. Zu unser aller Sicherheit werde ich einige meiner zuverlässigsten Männer die Wagen bewachen lassen.“ Cordovan rieb sich die Hände. „Wichtig ist, dass wir den Vertrag haben. Ausgezeichnete Arbeit Baltram.“ Die beiden Männer stießen erneut an. „Nun da wir dieses Projekt abgeschlossen haben, können wir den nächsten Schritt angehen. Ich werde in den folgenden Tagen Beizenhals aufsuchen bezüglich meiner Idee einer gemeinsamen Handelsgesellschaft. Es wäre sicherlich von Vorteil, würdest du mich dabei begleiten. Es steht einiges auf dem Spiel.“
  
  
 
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Aktuelle Version vom 29. April 2023, 23:24 Uhr

2. Rondra 1037 – Handelshaus Rallersgrunder, Reichsstadt Hirschfurt


Stordan! Komm her!“, die durchdringende Stimme Cordovans von Rallersgrund schallte durch das Arbeitszimmer seines Hirschfurter Stadthauses. Ungeduldig tippelte er mit den Fingern seiner rechten Hand auf der abgenutzten, ledernen Schreibunterlage herum. Aus einer der unteren Etagen hörte er ein gehetztes „Ich komme, Onkel!“ und eilige Schritte auf dem polierten Stein. Er erhob sich, öffnete das Fenster und verzog enttäuscht das Gesicht, als die eindringende Luft der Abenddämmerung nicht die erhoffte Abkühlung brachte. Stattdessen überflutete ihn der angenehme Lärm der Stadt: rumpelnde Karren, die Waren transportierten, das Kratzen der Besen der Krämer, die ihre kleinen, ranzigen Läden nach vollbrachtem Tagwerk säuberten und das Betteln der Armen, die nichts aus ihrem Leben gemacht hatten und nun, zu recht, nichts besaßen.

Die Tür öffnete sich und Stordan trat ein. Cordovan musterte ihn. Man konnte nicht leugnen, dass er Teil seiner Familie war, auch wenn er dies noch zu häufig anzweifelte. Er war groß gewachsen, breit gebaut, mit blauen Augen. Sein Haar hatte die Farbe eines Straßenköters, doch das war gut, wie Cordovan fand; es zeigte den einfachen Leuten, seine Familie sei am Boden geblieben. Am Boden. Was gab es da schon zu holen? Alle sagten, es sei gut, am Boden zu bleiben, doch gleichzeitig wünschten sie sich hoch hinaus zu kommen – ein Widerspruch, den Cordovan nie akzeptieren wollte.

Stordan zupfte gerade seine Samtweste zurecht, straffte sich und schaute seinen Onkel an. „Stiefel“, gab Cordovan scharf von sich und Stordan zuckte hastig zusammen und säuberte seine Stiefelspitze. „Gut. Setz dich.“ Stordan setzte sich. Ihm am nächsten stand ein ausladender, lederner Sessel, doch er wagte es nicht, sich darin zurückzulehnen, sondern saß unbequem auf der Kante.

„Mein Sohn hat mir geschrieben“, begann Cordovan, „Er schreibt, dass sich seine Geschäfte ausgezeichnet entwickeln; habe ich auch nicht anders erwartet. Da ich mir darum also vorerst keine Gedanken zu machen brauche, habe ich Zeit für etwas Neues. Was gibt es Neues, Stordan?“ „Die Stadtgarde und die Spießbürger haben die Anzahl der Waffenübungen erhöht. Man erwartet in Bälde den Marschbefehl der Kaiserin.“

Cordovan fuhr sich mit seiner Hand durchs Haar und strich eine verschwitzte Strähne aus der Stirn. „Sooo? Was die Reichsstädte tun, werden auch bald die Grafen tun. Stordan, sag mir, was ist das wichtigste, möchte man einen Krieg gewinnen?“

„Genügend Soldaten“, antwortete Stordan sicher.

„Falsch. Ich nehme es dir nicht übel, hätte ich in deinem Alter doch genau so geantwortet. Die Antwort eines vierzehnjährigen Jungen.“ Er schritt um seinen Tisch herum und setzte sich auf die Lehne des Sessels. Während er fortfuhr legte er den Arm um die Schultern des Jungen. „Als Junge stellte ich mir den Krieg auch vor wie einen Schauplatz von Heldenmut und Tapferkeit. Eisenharte Männer liefern sich großartige Gefechte, das Klirren der Schwerter klingt wie eine Hymne von Rondra Höchstselbst und in all diesem Glanz entscheidet sich die jahrzehntelange Ränkepolitik des Adels.“ Der Junge sah ihn irritiert an.

„Gut, dass du aufmerkst. ‚Politik? In der Schlacht? Was hat Rondra mit Politik zu tun?‘ Gar nichts, sage ich dir. Genau dies ist die Stelle, die auch ich nie verstand. Wie vereinbare ich Heldenmut und Tapferkeit mit Politik und Intrige? Wie kann sich dies ebenbürtig sein. Es gibt nur eine Lösung: Sie sind es nicht. Heldenmut ist der Knecht der Politik. Heldenmut ist das Werkzeug der Politik. Während Generationen von Jungs wie dir eingetrichtert bekommen, wie wichtig es ist, heldenhaft zu sein, gibt es eine kleine Gruppe von Männern, die bei dem Spiel nicht mitmachen und sich das nehmen, was sie wollen. Der Rest stirbt einen heldenhaften, aber frühen Tod“ Er erhob sich wieder, während man Stordan ansehen konnte, wie es in seinem Kopf ratterte.

„Aber…“, begann er, „Euer Sohn wurde doch zu einem genau solchen Krieger ausgebildet …?“

Cordovan machte kurz ein irritiertes Gesicht, fasste sich aber schnell wieder und gab dem Jungen einen Klaps auf den Hinterkopf. „Das war doch etwas völlig anderes!“

Stordan ließ entmutigt den Kopf hängen. „Sitz gerade“, tönte es sofort. Der Junge straffte sich und versuchte es erneut: „Was ist dann das Wichtigste, um einen Krieg zu gewinnen?“

„Ein gesichertes Hinterland. Die stärkste Schwerthand ist nutzlos, wenn ein schwacher Arm sie trägt, doch hält sie ein starker Arm, wird der Gegner bald schon fallen.“

Stordan lächelte und nickte, weil er verstand. Er verstand gar nichts, dachte sich Cordovan. „Doch was nützt uns das?“ Das Lächeln des Jungen erstarb. „Was bringt uns ein rascher Krieg?“ Ratlosigkeit. Dann die Antwort: „Frieden“ Cordovan kratzte sich, wo sein verschwitzter Hemdkragen den Hals berührte.

„Der Frieden ist schön. Der Frieden ist gut. Alle wollen Frieden und das zu Recht. Man kann vernünftige Geschäfte machen und sich irgendwann einmal einen vernünftigen Sarg leisten, in welchem man vor sich hin rottend den vernünftigen Frieden von unten beobachten kann. Doch erst der Krieg bringt neue Bewegung in dieses Spiel. Er weckt alle auf, die im Alltagstrott vor sich hin rotten und während diese Leute“, er zeigte zum Fenster hinaus „während diese Leute überrascht aus ihren Betten fallen, stehen wir schon lange dort und warten ab, bis der erste vorbeikommt, der sich vor Hunger an den eigenen Fingern nagt. Nun sag mir also, Stordan, was ist die Rolle des Händlers im Krieg? Was trägt er bei?“

„Die Männer?“

„Die Männer?! Hast du den Verstand verloren? Geh fort von deinen Männern. Denke um!“

„Die Waffen, Onkel.“

„Richtig, doch Waffen kaufst du einmal. Ein Geschäft ist gut, doch wir wollen mehr. Was liefert der Händler?“ Der Ton wurde rauer, er sprach immer schneller.

„Den Proviant?“

„Den Proviant! Schrei es hinaus, wenn du richtig liegst, schrei es hinaus! Der Proviant ist das Entscheidende.“ Eilig schritt er zurück zum Sessel, kniete vor dem Jungen nieder, nahm dessen Hände in die seinen und fuhr fort. „Und nun erinnere dich, Stordan. Was habe ich dir eben gesagt? Was wollen wir?“

„Einen langen Krieg.“

„Richtig. Und was liefern wir?“

„Den Proviant.“

Ruckartig sprang Cordovan auf und klatschte in die Hände. „Du hast es begriffen! Du hast es begriffen. Jetzt fehlt uns nur noch ein Narr, der ihn kauft und Glück, damit der Krieg lange dauert.“ Stordan nickte eifrig. „Gut. Genug für heute. Hol dir einen Becher Wein aus der Kammer, du hast ihn dir verdient. Wir sehen uns beim Abendessen.“ Stordan stand auf und verließ den Raum.

Cordovan schnaufte durch und schenkte sich selber einen Becher Wein ein. Er stellte sich ans Fenster, schaute hinaus und nippte langsam an seinem Getränk. Seine Schwester Glenna hatte einen guten Jungen. Er begriff doch recht schnell, man musste ihn nur auf den richtigen Weg bringen. Während er in Gedanken verloren dort stand, bemerkte er, wie sich ein Freund seinem Haus näherte. Er schenkte einen weiteren Becher ein, straffte seine Kleidung und erwartete ihn an seinen Tisch gelehnt. Bald schon öffnete sich die Tür und Baltram Lindentaler trat ein. Baltram war ein Angestellter Cordovans und für Geschäftsabschlüsse in der Ferne zuständig. Er hatte einen bemerkenswert guten Riecher für profitable Geschäfte und man konnte sich auf ihn verlassen.

„Baltram, wie schön dich zu sehen.“ Mit ausgebreiteten Armen ging Cordovan auf den etwas untersetzten Mann zu und reichte ihm den vorbereiteten Becher Wein.

„Das kann ich nur zurückgeben.“ Er nahm den Becher und sie stießen an.

„Setz dich, setz dich, Baltram und erzähl mir von Rallerspfort.“ Cordovan setzte sich entspannt und mit ausgebreiteten Armen in den Sessel und schloss die Augen, als erwarte er eine Einschlafgeschichte.

„Nun, wie von dir aufgetragen bin ich nach Rallerspfort, oder genauer, zum Rallerspfort gereist, um ihm ein Angebot zu unterbreiten. Er schien besorgt, doch ich ließ mich davon nicht irritieren. Ich begann von den Kriegsvorbereitungen der Stadt Hirschfurt zu sprechen und lenkte so das Gespräch auf das Thema, welches ich ansprechen wollte. Ich fragte ihn also, ob er sich schon Gedanken über die Versorgung seiner Truppen gemacht hätte und er plante, die Vorräte immer vor Ort zu erstehen. An dieser Stelle hakte ich auch direkt schon ein und erinnerte daran, dass die Möglichkeit bestünde, dass die Landwehr eingezogen werden würde, was wiederum bedeuten würde, dass rund zwanzigtausend Männer vor Ort versorgt werden müssten. Ich sagte ihm also, dass der weise Mann schon hier vorsorgt. Er meinte, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Landwehr eingezogen werden würde, aber der Punkt hatte dennoch Eindruck hinterlassen. Von da an war er offener für mein Angebot. Ich teilte ihm mit, dass das Handelshaus „Rallersgrunder“ die Möglichkeit sieht, den Heerzug seiner Baronie mit Proviant und den ständigen Anschaffungen während des Heerzugs zu unterstützen. Er wäre somit von dieser Last befreit und könne sich auf Dinge konzentrieren, die seinem strategischen Genie eher entsprechen. Somit wäre dieser Handel eine Investition zum Wohle des Reiches, müssten doch keine wichtigen Ressourcen an falscher Stelle verschwendet werden.“ Cordovan nickte zustimmend und sichtlich zufrieden.

„Ist er darauf eingegangen? Haben wir den Vertrag in trockenen Tüchern?“

„Nun ja, ja, haben wir. Nach der Geschichte mit dem „Wohle des Reiches“ war es an sich nur noch Feilschen. Er ließ sich nicht von der Landwehr überzeugen, sah also keine ernsthafte Dringlichkeit, war aber einverstanden, für diese Entlastung und unser entstehendes Risiko durch schlechter bewachte Handelswege zu zahlen. Ich konnte ihn nicht dazu bringen, die Waren zu Kriegspreisen, entsprechend denen vor Ort, zu erstehen, aber auch bei den Preisen machen wir deutlichen Gewinn, nur eben nicht so viel wie erhofft.“

„Das ist nicht weiter tragisch. Zu unser aller Sicherheit werde ich einige meiner zuverlässigsten Männer die Wagen bewachen lassen.“ Cordovan rieb sich die Hände. „Wichtig ist, dass wir den Vertrag haben. Ausgezeichnete Arbeit Baltram.“ Die beiden Männer stießen erneut an. „Nun da wir dieses Projekt abgeschlossen haben, können wir den nächsten Schritt angehen. Ich werde in den folgenden Tagen Beizenhals aufsuchen bezüglich meiner Idee einer gemeinsamen Handelsgesellschaft. Es wäre sicherlich von Vorteil, würdest du mich dabei begleiten. Es steht einiges auf dem Spiel.“