Geschichten:Eslamsgrunder Ingerimmsturnier 1047 BF - Die Bühne von Eslamsgrund

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Turnierplatz zu Eslamsgrund, Ingerimm 1047 BF

Der Duft von Pferden, Metall und frischem Gras lag in der Luft, während die Trommeln der Musiker dumpf über den Platz hallten. Das Turnier zu Eslamsgrund war in vollem Gange, Ritter und Recken aus dem ganzen Mittelreich hatten sich eingefunden – und mittendrin auch eine junge Frau aus dem fernen Horasreich.

Esquiria Nandura Ollantur, Ritterin aus Ruthor, stand in glänzender Rüstung auf dem sandigen Platz. Ihr Helm war geöffnet, sodass das Publikum ihr offenes, von braunen Strähnen umrahmtes Gesicht sehen konnte. Die Sonne spiegelte sich auf dem fein gearbeiteten Brustharnisch, dessen Ziselierungen Szenen aus alten Gladiatorenspielen Bosparans zeigten. Ein rotes Tuch bestickt mit dem Symbol der Rahja, flatterte an ihrem Gürtel. Mit einer eleganten, fast tänzerischen Bewegung hob sie den Arm. Ihre Stimme, klar und geschult durch jahrelange Übung mit ihrer Schwester, der berühmten Schauspielerin Dalia Ollantur, schallte über den Platz wie von einer Bühne herab. „Edle Damen, wackere Herren von Eslamsgrund und dem ganzen Mittelreich!“, begann sie mit einem gewinnenden Lächeln, das sie ebenso von ihrer Schwester übernommen hatte. „So höret mich, Esquiria Nandura Ollantur, Ritterin aus dem schönen Ruthor, wo Kunst und Tapferkeit sich die Hand reichen!“

Ein Murmeln ging durch die Menge – wer war diese Fremde, die sprach, als stünde sie auf den Brettern eines Schauspielhauses?

„Nach den ehrwürdigen Traditionen meiner Heimat, in denen Mut und Anmut gleichermaßen gepriesen werden, ist es Brauch, dass eine Reizerin sich eine würdige Trutzerin selbst erwählt.“ Sie machte eine dramatische Pause, ihr Blick glitt vermeintlich suchend umher, ehe er sich auf eine der garetischen Ritterinnen richtete.

„Geführt von der Hand der holden Rahja selbst, ward mein Blick gefangen von einer Schönheit, wie sie nur die Götter zu formen vermögen!“, rief Nandura aus und deutete theatralisch auf die Baronin Tsaiana von Waldfang-Angerwilde. Ein Raunen ging durch die Reihen. Die horasische Ritterin forderte eine Baronin?

Tsaiana von Waldfang-Angerwilde, Zierde Garetiens, leuchtendes Beispiel der Tugend und Anmut!“, fuhr Nandura fort, während sie sich tief verneigte. „Ich fordere Euch zum Lanzengang – aus Verehrung für Eure Schönheit! Möge das Göttliche in Eurer Gestalt mich prüfen und läutern!“

Einige Lacher und erstaunte Ausrufe mischten sich unter die Zuschauer, doch Nandura war noch nicht fertig. Sie richtete sich mit einer geschmeidigen Bewegung auf, drehte sich zum Publikum und streckte beide Arme aus wie eine Schauspielerin beim Finale eines großen Dramas.

„Doch bevor die Lanzen gekreuzt werden, so bitt' ich Euch, edle Maiden und junge Recken dieses herrlichen Landes!“ Ihr Blick schweifte verführerisch über die vorderen Reihen, wo manche junge Dame und mancher Knappe errötete. „Wessen Herz ist kühn genug, mir seine Gunst zu schenken? Wer wird mir einen Kranz, ein Band, ein Zeichen der Zuneigung reichen, das mich im Kampf gegen solch göttliche Schönheit stärkt?“

Im Publikum erhob sich ein Gemurmel und Raunen, einen solchen Auftritt war man hier in Eslamsgrund nicht gewohnt. Noch fand sich keiner, der der Aufforderung nachkommen wollte. Doch dann erhob sich einer der Gäste auf der Tribüne, was das Publikum sofort verstummen ließ. Denn es handelte sich um niemand Geringeren als Alarich Rumrath von Gareth-Sighelmsmark, der Burggraf zu Kaiserlich Sighelmsmark und des Reiches Erzkanzler, der an der Seite seiner Gemahlin Lorindya Amene von Firdayon-Bethana dem Schauspiel beiwohnte.

Langsam klatschte er in die Hände. “Bravo, bravissimo. Eine imposante Vorstellung fürwahr habt Ihr uns da beschert, werte Esquiria Ollantur. Ich bin zwar nicht mehr der Jüngling von einst, doch möchte ich Euch als Gast aus dem fernen Ruthor hier willkommen heißen. Und gerne gewähre ich Euch, so Ihr es denn annehmen mögt, die Gunst in meinem Namen zu streiten. Auf dass es Euch im Kampfe gegen die schöne Baronin Tsaiana helfen möge. Nur wenige achteten in diesem Moment auf seine Gattin Lorindya, die ihm zürnende Blicke zuwarf, dabei jedoch sehr darauf bedacht war die Contenance zu wahren.

Für einen Herzschlag lang war Nandura wie versteinert. Die Worte des Burggrafen hallten in ihrem Kopf wider, während ihr Blick unwillkürlich zu der ehrwürdigen Gestalt Alarich Rumrath von Gareth-Sighelmsmark schweifte. Der Erzkanzler selbst... Seine Gunst! Ihr Herz schlug schneller, doch nicht aus Freude allein – es war diese Mischung aus Überraschung, Ehrfurcht und einem Hauch von Unsicherheit, die ihr plötzlich die Kehle zuschnürte. Bei den Göttern, Nandura, jetzt bloß nicht erröten wie ein Backfisch, schalt sie sich innerlich. Doch die Schwere der Situation ließ sie kurz taumeln. Was sagte man einem Mann von solch hoher Stellung, ohne sich wie ein einfältiges Landkind anzuhören? Da blitzte plötzlich eine Erinnerung auf – das selbstsichere Lächeln ihrer Schwester Dalia: „Wenn man auf der Bühne nicht weiß, was man sagen soll, kleine Schwester, dann stellt man sich vor, man wäre die Comtessa Cherina della Tegalliani– stolz, charmant und mit einem Lächeln, das selbst einen grimmigen Inquisitor besänftigen könnte.“

Nandura holte tief Luft, spürte, wie sich ihre Schultern aufrichteten und das vertraute, gewinnende Lächeln auf ihre Lippen trat. Ihre Haltung wurde zur perfekten Mischung aus Demut und selbstbewusster Grazie – ganz wie Dalia es ihr einst beigebracht hatte. Sie hielt die rechte Hand elegant an die Brust gelegt, die linke in einer leichten, offenen Geste. „Euer Edelhochgeboren, Burggraf von Gareth-Sighelmsmark, Erzkanzler“, begann sie mit einer Stimme, die nun wieder fest und klar über den Platz klang, „es ist mir eine Ehre, wie sie größer kaum sein könnte, Eure Gunst zu empfangen.“ Sie neigte respektvoll das Haupt, ließ jedoch ihren Blick wieder emporsteigen, wobei in ihren Augen ein schelmisches Funkeln aufblitzte – gerade genug, um den ernsten Ton mit etwas Leichtigkeit zu brechen. „Als Tochter des Imperium Renascentum Horasi, wo man sagt, die Kunst des Kompliments sei ebenso bedeutsam wie die Kunst des Schwertes, darf ich mir hoffentlich erlauben, ein solches auszusprechen.“ Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie zur Tribüne aufsah.

„So überrascht mich weniger Eure edle Geste, als vielmehr, wie die Götterläufe Euch so gnädig begleitet haben, edler Herr. Wer Euch dort stehen sieht, könnte meinen, Rahja selbst habe Euch ihren ewigen Frühling geschenkt.“ Ein leises Raunen, teils belustigt, teils anerkennend, ging durch die Menge. Nandura verneigte sich ein weiteres Mal, dieses Mal tiefer, und fügte mit aufrichtiger Wärme hinzu: „Ich danke Euch von Herzen für Eure Gunst. Möge sie mich stärken, wenn ich mich gleich der Tugend und Schönheit der Baronin Tsaiana stelle. Und möge mein Sieg – oder mein ehrenvolles Scheitern – ein Beweis Eurer vortrefflichen Wahl sein.“ Mit einer geschmeidigen Bewegung verneigte sie sich, den Blick gesenkt, doch ihr Inneres bebte vor Aufregung. Sie hatte gesprochen wie eine wahre Ollantur – mit Stil, mit Anmut und einem Hauch Kühnheit. Nur ein kurzer Seitenblick zu Lorindya Amene von Firdayon-Bethana, deren zusammengekniffene Lippen Bände sprachen, ließ Nandura innerlich schmunzeln. Dalia wäre stolz auf sie gewesen. Jetzt aber – jetzt wartete die Lanze.

Als Ihre Reizerin sich wieder von der Tribüne abwandte, ritt die Baronin von Waldfang-Angerwilde zu dieser, positionierte sich vor ihrem Bundesbrunder und grinste ihn charmant an. “Baron von Hirschfurten, werter Freund, möget Ihr mir einen Gunstbeweis schenken, auf dass ich vielleicht ein wenig von eurem Glanze mit auf die Tjostbahn nehmen kann?” Sie zwinkerte Nimmgalfs Tochter zu, die Ihrerseits alle Mühe hatte, nicht zu schmunzeln und Ihren Vater gespannt ob seiner Reaktion ansah. Nimmgalf zog ein wenig überrascht die Augenbraue hoch. Es lag weniger an der Ansprache seiner Bundesschwester Tsaiana als vielmehr an der für ihn noch recht ungewohnten Situation, sich im Publikum wiederzufinden und nicht auf der Tjostbahn. Aber daran würde er sich nun wohl oder übel gewöhnen müssen.

Er erhob sich und steckte Tsaiana einen Blumenkranz auf die Lanze. “Selbstverständlich, liebste Tsaiana, habt Ihr meine Gunst für diesen Ritt. Auf dass es Euch das Weiterkommen sichern möge, trotzdessen dass die Gunst seiner Exzellenz nun anscheinend Eurer Gegnerin gilt.” Damit warf er einen zwinkernden Seitenblick zum Reichserzkanzler, der dies jedoch nicht weiter kommentierte. “Viel Glück!” wünschte er ihr noch, und beobachtete, wie sie an die Startlinie ritt.