Geschichten:Ein guter Handel
Die Gewölbehalle der Burg Bärenau vibrierte unter dem Grollen des heranziehenden Gewitters. Diener huschten mit dampfenden Schalen und schweren Krügen umher, doch die eigentliche Hitze lag in den Worten, die sich wie Dolchstöße durch die Luft schnitten.
„Du willst ihn also wirklich mit dieser Händlerin vermählen?“ Tybalt von Bärenau erhob sich, die Faust auf die Tischplatte geschlagen, dass die Kelche bebten. „Eine Bürgerliche. Eine Schöllingh. Das ist… das ist eine Schande für unser Haus.“
Alderan, das Oberhaupt der Familie, saß ruhig am Kopfende der Tafel. Seine Stimme war kontrolliert, sein Blick kühl. „Abethine ist Ratsherrin in Perricum. Sie führt eines der einflussreichsten Handelshäuser der Küste. Ihre Kontakte reichen bis nach Al’Anfa und zurück. Sie ist gebildet, erfahren und wirtschaftlich unabhängig.“
„Aber sie… sie verkauft Dinge. Gewürze, Stoffe, irgendetwas. Das ist doch kein Stand. Keine Herkunft. Keine…“ Tybalt rang nach Worten. „Sie ist keine Edle. Kein Blut von Rang.“
„Sie ist eine strategische Verbindung.“ Alderan sprach, als verhandle er einen Vertrag. „Radulf braucht Stabilität. Und wir brauchen Zugang zu den Handelsrouten der Südflotte. Diese Ehe sichert beides.“
„Aber unser Name, unser adliges Blut…“ Tybalt trat einen Schritt näher, seine Stimme verlor an Kraft. „Unser Name bedeutet etwas. Oder bedeutete es zumindest.“
„Er wird wieder etwas bedeuten“, entgegnete Alderan. „Wenn er mit Einfluss verbunden ist. Mit Kapital. Mit Verbindungen, die über die Grenzen hinausreichen.“
„Unsere Ahnen würden sich im Grabe umdrehen“, murmelte Tybalt. „Unser Großvater hätte das nie zugelassen.“
„Unser Großvater hat meinen Vater mit einer Stippwitz vermählt.“ Alderans Ton war scharf, aber nicht laut. „Und das war ein kluger Schachzug. Die Stippwitz hatten Geld und wir den Titel.“
Tybalt schwieg, den Titel hatte sie längst verloren. Iralda war zwar eine gebürtige Bärenau, doch auch sie hatte die Familie verraten und in ein anderes Haus geheiratet. Dann wandte er sich ab. „Ich werde diesem Schauspiel nicht beiwohnen.“ Seine Stimme war brüchig. „Wenn du unseren Namen und unseren Stolz verschenkst, dann ohne mich.“ Mit schweren Schritten verließ er die Halle. Die Tür fiel krachend ins Schloss.
Ein Moment der Stille folgte. Dann trat Radulf vor. Der junge Ritter, noch unsicher in seiner Rolle, hob die Stimme. „Er hat recht, Vetter. Ich hätte eine Edle heiraten sollen.“
Alderan sah ihn an, als prüfe er eine Bilanz. „Du solltest besser schweigen, Radulf. Du hast dich mit Verrätern eingelassen. Dein Knappenvater wurde verbannt. Du selbst standest kurz vor dem Galgen. Diese Ehe ist Deine Rettung und Deine Chance.“
Radulf schluckte. „Ich bin nur meinem Ritter gefolgt.“ Seine Gedanken schweiften ab zu seinem Großfürsten Sigman Therengar von Gareth-Firdayon. Boron habe in selig. Zu früh richtete ihn das Schwert. Er schüttelte den Kopf und schwieg.
„Du wirst tun, was ich dir sage.“ Alderans Stimme war wie ein Siegel. „Die Ehe wird in Perricum geschlossen. Noch bevor du das Schiff nach Uthuria besteigst.“
Ein Diener trat ein und verkündete das Mahl. Schweigend folgten sie ihm in den Speisesaal. Die Tafel war reich gedeckt, doch die Speisen schmeckten bitter unter dem Gewicht der Worte.
Erst beim Nachtisch sprach Iralda von Ochs, die Baronin, mit ruhiger Stimme. „Radulf, du wirst die Leitung der Erdnussplantage in Porto Velvenya übernehmen. Celda von Torbelstein hat dich eingearbeitet. Du löst Madelgard von Katterquell ab, damit sie nach Hause kommen kann.“
Radulf nickte. „Ich weiß. Das Schiff legt in drei Wochen ab.“
„Dann ist alles beschlossen“, sagte Alderan. „Du reist als Gemahl Abethines.“
Radulf sah in seinen Becher. „Wie Ihr befehlt, Vetter.“ Seine Stimme war leise, die Miene angespannt.
Draußen peitschte der Regen gegen die Mauern. Und in der Halle von Burg Bärenau herrschte eine Stille, die mehr sagte als jedes Wort.