Geschichten:Das Erbe der Pfortensteiner - Die Hochzeit zu Rubreth
05. Rondra 1048 BF, Burg Rubreth
Einem recht ungewöhnlichem Traviabund konnten die geladenen Gäste dieser Tage auf Burg Rubreth beiwohnen. Der Bräutigam war Rondradan von Pfortenstein, Landvogt zu gräflich Rubreth, ein gestandener Rittersman von fast fünfzig Götterläufen. Nach einem Skandal innerhalb des Bundes der Pfortenritter, wurde er erst kürzlich von seiner, der notorischen Untreue überführten, ersten Gemahlin Melina von Ehrenstein geschieden (der Herold berichtete). Die Braut hingegen war eine Knappin von gerade neunzehn Lenzen. Die junge Frau hört auf den hochedlen Namen Duridanya von Luring und ist mütterlicherseits eine Nachfahrin des Grafen Griffo von Luring. So überraschte es am Ende nicht, dass sich unter den Gästen Graf Drego selbst befand, gingen hier doch nicht nur sein direkter Lehnsmann, sondern auch eine Dame aus seinem Hause vor Travia den Bund ein.
Bevor mit der eigentlichen Travia-Zeremonie begonnen werden konnte, sollte die junge Braut noch ihren Ritterschlag erhalten. Bis dies geschehen war, stand sie noch unter Schirm und Schutz ihres Schwertvaters, dem erfahrenen Recken Gunnolf Flaß von Cresseneck, dem Vogt der Burg Rubreth, der sich bei der Abwehr der Kaisermärker Belagerung Rubreths im Blutigen Jahr als meisterlicher Schütze einen Namen gemacht hatte. So kam es, dass Duridanya von Luring nicht im einfach Knappengewand, sondern in ihrem Brautkleid vor die Rondra-Geweihte Alwene von Grenstade trat. Obschon selbst im klassischen Kettenhemd angetan, schien Ihro Gnaden den ungewöhnlichen Aufzug der Knappin nicht im Mindesten zu missbilligen. In einer feierlichen, wenn auch recht uninspirierten, Zeremonie, wurde die junge Luringerin mit Schwert und Sporen gegürtet. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, Ihro Gnaden hätte schlecht geschlafen. Alles hielt den Atem an, als schließlich der Punkt kam, an dem Ritter Gunnolf seiner Knappin den letzten Schlag verpassen sollte, den sie im Leben unerwidert lassen musste. Zur allgemeinen Erleichterung beließ er es bei einem symbolischen Klaps auf die Wange, bevor er sie herzlich in die Arme schloss, um der Erste zu sein, der sie in ihrem neuen Stand als Ritterin willkommen hieß.
Sodann war Rondras Werk getan, der Braut wurden Schwert und Sporen eilig wieder abgenommen und stattdessen ein weißer Schleier aus feinster Luringer Spitze angetan. Graf Drego ließ sich die Ehre nicht nehmen, seine entfernte Base als Oberhaupt seines Hauses vor Ihro Gnaden Travian Gansbach zu führen, welcher in einer Seitenkapelle bereits mit dem Bräutigam wartete. Der Rubrether Travia-Geweihte wirkte deutlich aufgeweckter als Ihro Gnaden Grenstade, wenn die kriegerische Symbolik in der Rondra-Kapelle auch nicht so recht zu seinen nun folgenden sanften Worten passen wollte. Laut und wortreich pries er die Jugend und Tugend der Luringerin, welche sittsam den Kopf gesenkt hielt. Seiner Hochgeboren von Pfortenstein soll gerade Letzteres bei der Wahl seiner Braut sehr wichtig gewesen sein. Als schließlich das heilige Tuch über die verschränkten Hände der Brautleute gelegt wurde und Vater Travian den Segen sprach, da war es die Hohe Dame Ailinde von Luring, die Großmutter der Braut, welche man am lautesten vor Freude schluchzen hörte. Der junge Knappe, welcher zu ihren Diensten hinter ihrem mit großen hölzernen Rädern versehenen Lehnstuhl bereitstand, musste ihr gleich mehrfach ein Tüchlein reichen.
Landvogt Rondradan führte seine nun endlich angetraute junge Frau schließlich durch das Spalier der Hochzeitsgäste, welche sich ehrerbietig erhoben hatten, hinaus auf den Burghof. Eine Ehrenwache bestehend aus den beiden Jungrittern Halgor von Schack und Gebhard von Roßsprunk empfing die Prozession vor der Kapelle und führte Brautleute und Gäste über das säuberlich gefegte Pflaster feierlich zum Palas. Neben den übrigen Hausrittern Rubreths hatte sich eine weitere illustre Gästeschar eingefunden. Der hohe Adel Reichsforsts gab sich fast vollzählig die Ehre. So war neben dem Grafen selbst auch seine Schwester Ederlinde von Luring, die Baronsgemahlin zu Hirschfurten angereist. Baron Nimmgalf von Hirschfurten hatte es vermutlich aus wohlbekannten Gründen vermieden persönlich zu erscheinen. Ein Überraschnung war sicherlich die Anwesenheit von Irnfrede von Luring-Hirschfurten und ihrem horasischer Gemahl, dem Comto Barjed Phecadio Torrem, die gemeinsam mit Ederlinde von Luring von Burg Trollhammer angereist waren. Eine ähnlich kurze Anreise hatten Baron Erlan von Zankenblatt nebst seiner jungen Gattin, Baron Drego von Altjachtern und Baronin Tsaiana von Waldfang-Angerwilde aus den übrigen Reichsforster Nachbarbaronien Rubreths gehabt. Aus kaiserlich Randersburg ließ Pfalzgraf Udilbert von Hardt Glückwünsche durch seine Gattin und seine Tochter überbringen. Auffallend dabei war bei all den Gästen jedoch, dass abgesehen von Ihro Hochgeboren von Zankenblatt und Ihrer Hochgeboren von Waldfang-Angerwilde keine weiteren Vertreter des Ritterbundes der Trollpfortensieger den Weg nach Rubreth angetreten hatten. Der Eingangs erwähnte Zwist zwischen den Mitgliedern des Turnierordens, scheint also beileibe noch nicht beigelegt zu sein.
Doch abgesehen davon, waren natürlich auch Gäste von außerhalb der Grafschaft erschienen. Zu nennen sei hier insbesondere Ihro Gnaden Aurentian von Luring, ein Onkel der Braut und angesehener Richter in der Kaiserstadt Gareth. Eine echte Überraschung war die Anwesenheit von Ihro Gnaden Harbolf von Pfortenstein, dem jüngsten Bruder des Bräutigams, welcher nach seinem Eintritt in die Rondra-Kirche vor über zehn Götterläufen nicht mehr in Reichsforst gesehen worden war. Fast noch exotischer mutete daneben noch die Anwesenheit des Greifenfurter Barons Ardo von Keilholtz ä.H. an. Doch hörte man, dass ihn mit Landvogt Rondradan nicht nur die besondere Vorliebe für die Tjost verband, sondern die Familie Keilholtz auch einen bedeutenden Beitrag auf Seiten der Familie Pfortenstein in ihrer vor wenigen Götterläufen ausgetragenen Fehde wider die Familie Erlenfall geleistet hatte. Selbiges galt auch für den Junker von Berstenbein, welcher die Familie Radewitz vertrat und nebst seiner aus der Familie Pfortenstein stammenden Gattin aus Rallerspfort angereist war.
Im Festsaal hatte man derweil seit Tagen alles für die kommende Feier vorbereitet. Die Tafel mit den Brautleuten und den höchstrangigen Gästen stand kopfseitig, während man die übrigen Tische darauf zulaufend angeordnet hatte. So war niemand gezwungen dem Brautpaar den Rücken zuzukehren und ein jeder hatte einen guten Blick auf das frisch getraute Glück. Der Truchsess der Burg, Algon von Roßsprunk, übernahm es persönlich, den hohen Gästen ihre Ehrenplätze anzuweisen. Als endlich alles saß, erhob sich Hochgeboren Rondradan und dankte mit einigen wohlgesetzten Worten den Anwesenden für ihr Erscheinen, bevor er mit einem Wink an die Dienerschaft das Bankett eröffnete. Wer befürchtet hatte, dass der für seine klammen Kassen berüchtigte Pfortensteiner zu geizig mit dem Essen sein mochte, sah sich schnell eines Besseren belehrt. Braten von Schwein und Rind, ganze Spanferkel, Platten mit Hühnern und Enten, aber auch Karpfen aus den herrschaftlichen Teichen, sowie gedünstete Forellen und Plötzen aus der Rakula wurden aufgetan. Dazu gab es Wein aus Almada und Bier aus dem Kosch, wobei man nach Belieben zwischen Ferdoker und Angbarer Bräu wählen konnte. Die Krönung aber war ein großes Stück Rotwild, ein kapitaler Zwölfender, den der herrschaftliche Jagdmeister Gebhard Tannhus persönlich im Forst nahe der Grollenburg erlegt hatte. Man hatte den Hirsch ausgeweidet und aus der Decke geschlagen, um ihn als Ganzes am Spieß zu braten und ihn dann beinahe unterwürfig liegend auf einer großen Holzplatte direkt vor dem Landvogt und seiner Gattin aufzutischen.
Gerade rechtzeitig, als der große Teil der Gästeschar gesättigt war, begann ein junger Barde aufzuspielen. Mancher erkannte ihn von der gerade vergangenen Turney zu Luring wieder, wo er mit seiner klaren hellen Stimme viel Aufmerksamkeit erregt hatte. Offenkundig war er auch dem Pfortensteiner aufgefallen, welcher ihn kurzentschlossen für die Travia-Feierlichkeiten engagiert hatte. Am Ende der Tafeln hatte man einen größeren Bereich freigelassen, welcher nun vom Brautpaar als Tanzfläche eröffnet wurde. Binnen kurzer Zeit war wohl die Hälfte der Anwesenden dabei das Tanzbein zu schwingen, während andere es dabei beließen, vergnügt zur Musik zu wippen. Das aufmerksame Auge konnte auch einiger interessanter Gespächsgruppen ansichtig werden. So unterhielt sich Landvogt Rondradan auffallend lange mit Ederlinde von Luring, während sie jeder noch ein weiteres Stück vom überaus zarten Hirschbraten verzehrten. Der weißhaarige Jungritter Halgor von Schack führte eine nicht zu überhörenden Diskussion mit seiner Mutter, der Hausritterin Kalmira von Plöch, welche ihren Sohn offenkundig auch sehr gerne zeitnah verheiratet hätte. Am ausgelassensten aber feierte wohl Graf Drego, der sehr ausdauernd mit der jungen Zofe Argande von Scheupelburg tanzte, und mancher der ihn besser kannte meinte hernach, dass man ihn schon lange nicht mehr so frei und unbefangen hatte lachen hören.
Als später am Abend das Licht der Praiosscheibe schwand und die Kerzen der Kronleuchter entzündet wurden, verabschiedete sich das frisch getraute Paar von seinen Gästen. Die Hochrufe der Gäste und die eine oder andere zotige Bemerkung, welche der jungen Braut die Röte ins Gesicht trieben, begleiteten die beiden auf ihrem Weg. Schnell wandte sich die Gesellschaft dann jedoch wieder der Musik, dem Tanz und vor allem dem Wein zu. Das Madamal ging auf und schwand wieder, während im Osten die ersten Strahlen der Praiosscheibe die wenigen hoch am Himmel treibenden Wolken in ein zartes Rosa tauchten, bevor die letzten ausdauernden Gäste von den Dienern zu ihren Gemächern eskortiert wurden.
| ◅ | Erschreckende Erkenntnisse |
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Gespräch neben der Tanzfläche | ▻ |