Geschichten:Das Erbe der Pfortensteiner - Rondras Fingerzeig

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18. Tsa 1047 BF, Burg Rubreth

Auf dem Hof der Burg Rubreth hatte sich das halbe Dutzend Knappen und Knappinnen eingefunden, die direkt am Hofe oder bei einem der Hausritter zur Ausbildung gegeben waren. Ritter Gunnolf leitete die Schwertübungen wie stets mit strengen wachsamen Augen und sparte nicht mit Tadel, sobald eine der Jungmaiden oder einer der Jünglinge aus dem Tritt kam. Ab und an mischte sich in seine Kritik auch ein kleines Lob, doch war dies selten genug und Ausdruck höchster Zufriedenheit. Als Veteran vieler Schlachten wusste der Burgvogt nur zu gut, dass allzu große Selbstzufriedenheit im Kampf oft zu Unvorsicht und einem schnellen Tod führten.

Einen heißen Würzwein in der behandschuhten Hand stand Landvogt Rondradan am Rande des Burghofes und sah den Knappen Rubreths zu, die sich im frischen Neuschnee abmühten sicheren Stand zu wahren. Aus dem Augenwinkel sah er die Rubrether Rondra-Geweihte Alwene von Grenstade auf sich zu kommen, die sich zuvor offenbar ebenfalls ein warmes Getränk aus der Burgküche geholt hatte. Wie immer zuletzt trug sie kein Kettenhemd, denn unter dem Ornat war ihre fortgeschrittene Schwangerschaft bereits deutlich zu erkennen.

„Euer Gnaden“, begrüßte er die junge Knappin der Göttin höflich mit einer angedeuteten Verbeugung, als sie sich ungezwungen neben ihn stellte.

„Euer Hochgeboren“, erwiderte sie im gleichen höflichen Ton, hielt sich jedoch nicht weiter mit Förmlichkeiten auf. „Ich habe die Kunde vernommen, dass Ihr den Travia-Bund mit Ihro Hochgeboren Melina von Ehrenstein habt lösen lassen.“

Rondradan verschluckte sich leicht an dem Würzwein, den er gerade zum Mund geführt hatte und musste sich kräftig räuspern, bevor er zu einer Erwiderung ansetzen konnte. „Das… ähem… das entspricht den Tatsachen. Die… Umstände, welche in den letzten Monden öffentlich geworden sind, ließen eine Fortführung dieser Ehe nicht länger zu.“

„Das kann ich sehr gut verstehen, Hochgeboren. Es ist bemerkenswert mit welcher Selbstbeherrschung Ihr die zugefügte Schmach erduldet habt. Wie ich hörte, habt Ihr darauf verzichtet den Baron von Hirschfurten ob der Ehrverletzung zu fordern.“ Wenn man wollte, hätte man ihrer Stimme hierbei den Hauch eines Vorwurfs entnehmen können.

„Das wäre nicht zielführend gewesen.“ Der Pfortensteiner winkte frustriert mit der freien Hand ab. „Immerhin ist Nimmgalf der erste Ritter Reichsforsts und die Pulethaner hätten sich noch mehr ins Fäustchen gelacht, wenn wir Pfortenritter uns untereinander das Schwert an die Kehle halten. Auch wenn ich weiß, dass er mich in dieser Angelegenheit wohl bei mindestens einer Gelegenheit offen angelogen hat, so kann ich dem Hirschfurtener auch nicht die Alleinschuld an der Geschichte geben. Die rahjanischen Umtriebe meiner Gemahlin waren mir im Allgemeinen sehr bewusst. Wenn auch die Unzucht mit meinem ebenfalls verheirateten Bundesbruder ein ordentlicher Schlag ins Gesicht war.“

„Wenn man bedenkt, dass sie Euch eigentlich hätte zu Dankbarkeit verpflichtet sein müssen. Immerhin habt Ihr nach allem, was man hört, ohne mit der Wimper zu zucken, ihren Bankert als euren Sohn und Erben anerkannt.“

„Wofür ich ehrlicherweise auch gut entlohnt wurde.“ Der einst geheime Ehevertrag zwischen Melina und ihm war vor einigen Monden mit allen Details veröffentlicht worden und Rondradan sah keinen Sinn darin etwas davon zu leugnen. „Doch ob der öffentlich gewordenen Schande sah ich mich nicht länger an diesen Passus im Ehevertrag gebunden und werde Hal fürderhin nicht mehr als meinen Sohn und Erben anerkennen.“

„Das muss Euch alles sehr schwergefallen sein.“ Mit kaum verhohlener Neugier sah die Geweihte den Landvogt an und scheute sich nicht den Finger rondrianisch direkt in die Wunde zu legen. „Immerhin seid Ihr das Oberhaupt Eurer Familie und steht nun beschämt, unvermählt und ohne Erben da.“

Rondradan lächelte gequält. „Ihr habt eine erfrischende Art Dinge beim Namen zu nennen, Euer Gnaden. Aber wenn Ihr gerne so offen darüber sprechen wollt, soll es mir recht sein“, fuhr er fort und nahm einen kleinen Schluck vom Würzwein, um kurz seine Gedanken zu ordnen. „Ihr seid selbst gebürtig von Stand und Eure Mutter ist soweit ich weiß mit unserer Gräfin verschwägert. Natürlich wisst Ihr, welchen Stellenwert ein standesgemäßer Traviabund in den Kreisen des hohen Adels hat.“

„Ganz zu schweigen vom gegenseitigen ehrbaren Verhalten der unter Travias Segen vermählten Partner.“ Alwene von Greenstade kippte verbal einen ganzen Napf Salz in die offene Wunde.

„So ist es.“ Rondradan atmete beherrscht durch. „Denn natürlich bin ich nun erneut auf der Suche nach einer Dame von Stand, welche den leeren Platz an meiner Seite in Travias Namen einnehmen mag. Ein guter Name ist mir dabei genauso wichtig, wie Tsa gefällige Jugend und wie Ihr Euch denken könnt, bin ich besonders darauf bedacht, dass besagte Dame keine Leichen im Keller hat. Zudem wäre es mir lieb, käme sie aus einem der Reichsforster Geschlechter. Ich möchte mein Haus auch wieder mehr an die Grafschaft binden, nachdem wir seit dem Göttinnenurteil nun endgültig vom hundert Götterläufe alten Vorwurf des Verrats reingewaschen sind.“

„Ich hörte davon! Euer Duell aufs Dritte Blut mit dem Junker von Erlenfall. Ihr habt Recht, deutlicher hätte Rondra ihr Wohlwollen Euch gegenüber nicht zeigen können.“ Die Geweihte nickte einmal energisch wie um sich selbst zu bestätigen. „Da Ihr so unzweifelhaft in Rondrens Gunst steht, will ich Euch gerne an meiner Göttin statt einen Hinweis geben. Öffnet die Augen und schaut Euch einmal um. Die Lösung für Eure Wünsche liegt direkt vor Euch!“

Der Pfortensteiner erwiderte kurz und zweifelnd den Blick der Geweihten, tat dann aber wie ihm geheißen und ließ den Blick über den Burghof schweifen. Noch immer übten sich die Knappinnen und Knappen Rubreths unter Ritter Gunnolfs Aufsicht im Schwertkampf. Inzwischen hatte er sie paarweise aufgeteilt und ließ sie mit den Übungsschwertern gegeneinander kämpfen. Am nächsten zu den beiden Zuschauern hatten sich die Knappinnen Halina von Trullen und Duridanya von Luring aufgestellt. Soweit der Landvogt wusste, waren die beiden jungen Frauen gut miteinander befreundet. Auf ein Zeichen des Cresseneckers hin, begannen die Knappen ihre Übungskämpfe.

„Ihr sprecht von den beiden Knappinnen hier vorne?“ Unsicher sah Rondradan zu Alwene, welche bestätigend nickte.

„Ist es denn nicht offensichtlich, Hochgeboren?“ Die Geweihte hob die Hand und zählte an den Fingern ab. „Jung, rondrianisch, höfisch ausgebildet, von Stand und tugendhaft. Was wollt Ihr noch mehr?“

„Zugegeben, sie würden beide die Anforderungen erfüllen.“ Er neigte leicht den Kopf und betrachtete die Kämpferinnen genauer. Wie Löwinnen umkreisten sie sich, um eine Lücke in der Deckung der anderen zu finden. „Halina ist die Erbin des recht wohlhabenden Junkertums Trullen in Randersburg. Ich verstehe mich sehr gut mit ihrem Vater, doch wäre hier sicherlich ein Erbvertrag notwendig, da ich mir nicht vorstellen kann, dass Korhold das Erbe seiner Familie an die Pfortensteiner übergehen lässt. Ich würde es umgekehrt nicht anders machen. So oder so ließe sich hier mit einem Traviabund zugleich eine starke Allianz schmieden. Duridanya dagegen ist mit dem Grafenhaus verwandt, wenn die Abstammung von Graf Griffo auch schon einige Generationen zurückliegt. Sie besitzt nicht viel außer ihrem Namen, doch der hat es wahrlich in sich!“

„Noch dazu sind sie beide nicht mit Hässlichkeit geschlagen“, stellte Alwene nüchtern fest.

„Das ist unzweifelhaft wahr, doch sind es noch immer Knappinnen“, warf Rondradan ein. „Halina ist die meine und Duridanya die von Ritter Gunnolf.“

„Sie sind beide alt genug für den Ritterschlag und sollen diesen sowieso im nächsten Rondramond erhalten. Ausreichend Zeit, um auch eine Hochzeit vorzubereiten, findet Ihr nicht?“ Die Geweihte sah den verblüfften Pfortensteiner mit etwas ärgerlicher Miene an. „Ihr wisst, was Ihr wollt, und Ihr wisst, wo und wie Ihr es bekommen könnt. Rondra hat Euch einen eindeutigen Fingerzeig gegeben. Lästert der Leuin nun nicht mit Zögerlichkeit!“

„Ihr habt Recht, Euer Gnaden.“ Rondradan wandte den Blick wieder den kämpfenden Knappen zu. „Doch welche der beiden soll es sein?“

„Lasst die Göttin entscheiden“, meinte Alwene schlicht und richtete ihre Aufmerksamkeit nun ebenfalls wieder auf das Treiben im Burghof.

Die Duelle der Knappen waren bis auf eines inzwischen entschieden. Der deutlich jüngere Eslam, Sohn des Burghauptmanns, hatte gegen die erfahrenere Knappin Belgunde keinen Stich gesehen, während der ebenfalls noch sehr junge Felan, Erbe der Familie Mohnfeld, nur knapp gegen den etwa gleichalten Ludolf, den Neffen des Landvogtes, den Kürzeren gezogen hatte.

Nur der Kampf zwischen den beiden ältesten Knappinnen Duridanya und Halina war noch nicht beendet. Sie schenkten sich nichts und immer wieder krachten die Übungsschwerter wuchtig auf die gepolsterten Übungsschilde. Ritter Gunnolf machte schon ein paar Schritte auf die beiden zu, um das Gefecht als Unentschieden zu beenden, doch hielt er inne, als er von Alwene von Grenstade angezeigt bekam, er möge die jungen Frauen ihren Kampf fortsetzen zu lassen.

Wenige Augenblicke später kam Halina auf dem rutschigen Untergrund aus der Balance, was die flinke Duridanya nicht ungenutzt ließ. Mit einem wuchtigen Schildschlag brachte sie die Jüngere vollends zu Fall und hielt ihr grinsend die stumpfe Schwertspitze an den Hals, bevor sie Halina schließlich mit einem freundschaftlichen Lachen auf die Beine half.

„Wohlan, dann also Duridanya“, meinte Rondradan an die Geweihte neben sich gewandt. „Sie ist Vollwaise, aber ihre Großmutter Ailinde lebt noch hier auf Burg Rubreth und führt, seit sie wegen ihres tragischen Turnierunfalls Tausenddreißig nicht mehr laufen kann, die Schreibstube. Ritter Gunnolf ist als Duridanyas Schwertvater ihr offizieller Oheim. Ich werde das am besten noch heute mit den beiden besprechen. Ihr sagt, dem Ritterschlag und der Hochzeit im Rondramond steht nichts im Wege?“

Alwene nickte zufrieden. „Rondra will es! Und so wird es geschehen.“