Geschichten:Auf den Misthaufen
Kobernhain, Anfang Boron 1048 BF
Kobernhain lag üblicherweise ruhig und beschaulich am Rücken des lichten Gardeltanns, versteckte sich gleichsam vor den Blicken aus Rudes Schild und der nur halb so weit entfernten Feste Arkenstein. Beide konnte man innert einer Stunde erreichen, so nahe war man den beiden dräuenden Gemäuern. Und in dieser Nacht, da der Boronmond mit einer fast rötlichen Corona über die abgeernteten Felder der Kobernhainer Großbauern wachte, auf denen diffuser Nebel alle Konturen weichzeichnete, hätte das Dorf ebenfalls sehr ruhig daliegen könne, wenn nicht vier Schwadronen der „Goldenen Lanze“ hier Quartier bezogen hätten. Verdammte Reiterbande, besetzte den „Krug“, lümmelte sich an den Tischen der Bauern in ihren behaglichen Stuben, nahm sich, was es wollte. Gut, es musste dafür bezahlen, so war es abgemacht; aber bezahlt wird immer erst später. Genommen wird vorher, am liebsten ungefragt.
Die Offiziere versuchten, Zucht und Ordnung zu wahren. Doch in manches Goldbetressten Naturell hatte die alte Räuberseele Oberhand und die praiosfromme Regeleinhaltung wenig Aussicht auf Erfolg. Während also die „Todbringer“ und die „Goldene Schwadron“ sich halbwegs anständig verhielten, waren die Reiter vom „Fallbeil Kors“ dank ihres sauflustigen Hauptmanns Grinser von der Leine gelassen. Die „Kronenputzer“ hingegen teilten sich auf in die Glücklichen, die den Predigten ihres Hauptmanns rechtzeitig entkommen waren und ihrem verbrecherischen Wesen folgend irgendwo etwas Schlimmes taten, für das sie später ausgescholten werden würden, und die anderen, die für etwas Schlimmes ausgescholten wurden, das sie nicht hatten verüben können, weil Hauptmann Quindan der Prediger sie noch in die Finger bekommen hatte.
Eben der setzte nun im „Krug“ sein Bierseidel ab, wischte sich lautstark den Mund und strich den Rest des Bieres durch seinen Ziegenbart. Er war durstig gewesen, denn bis zu diesem Moment hatte er seinen unwilligen Leuten eine seiner Predigten gehalten über Rondras Gebot und Travias Gesetz und damit alle von ihren wohlverdienten Bieren abgehalten. Nun stand Quindan auf, setzte sich seine fettige Kappe auf die grindige Glatze und rülpste beherzt.
„Endlich etwas, das ich verstehe“, grunzte mit der Miene eines gelangweilten Bestatters Hauptmann Grinser, der sich ebenfalls erhob. Die Leute lachten erleichtert und wandten sich ihren Bieren zu, warm geworden in dem gut beheizten Schankraum.
Beide Hauptleute gingen zur Hintertür hinaus auf den Hof, wo zwischen Jauchegrube und Misthaufen der Abort lag – je nach Belieben.
„Nach dir, Grinser“, komplimentierte Quindan mit seiner sonoren Stimme. Dann traten beide in das Mondlicht und begaben sich im umständlichen Gang von ans Reiten gewöhnten Menschen, die zudem ordentlich gepichelt hatten, zur Jauchegrube hin. Quindan nestelte schon sein Wams auf, während Grinser noch den Mond anstarrte, also würde er ihm sein fahles Licht als zu fröhlich verübeln.
„Na, Quindan, erleichterst du dich?“, fragte unvermittelt Hauptfrau Schwarzenberg, die vom Misthaufen herankam.
„Ja“, seufzte dieser wohlig, als er mit starkem Strahl zu pissen begann.
Neben der Schwarzenberg erschien nun auch die Hauptfrau Gunelida von Sienen-Folk, neben Hauptmann Grinser standen auf einmal die Leuenantin Helck und die Unteroffizierin Ochs.
„Solltest auch mal, kannst ja auf den Mist steigen“, grunzte Quindan über die Schulter, der die Versammlung gar nicht bemerkte, und strullte weiter laut und vernehmlich.
„Bei Mist fällt mir ein. Weißt du noch: vor fünfzehn Jahren? Es war genau hier, als uns Illo, die alte Pottsau, seine Geschäftsidee vorgeschlagen hat“, raspelte die Schwarzenberg, wobei sie immer näher trat.
„Der Illo. Tja, der hat uns reich gemacht. Und jetzt ist er da, wo er hingehört“, höhnte Quindan, dessen Strahl langsam verebbte.
„Du auch“, zischte die Schwarzenberg und stach ihren Dolch dem überraschten Quindan in die Seite. Schnell traten die anderen herbei. Jeder stieß meinmal zu, zuletzt noch einmal die Schwarzenberg, die dabei den Hals des Predigers von hinten mit dem Arm umschlang, damit er nicht zu schnell zu Boden ging. „Du bist jetzt, da, wo du hingehörst.“ Und mit diesen Worten stieß sie Quindan in die Jauchegrube, wo er mit Gurgeln und Furzen in der Gülle versank.
„Du kannst der Marschallin berichten: Es ist getan. ich hoffe, meine eigene Schuld damit abtragen zu können“ , sprach die Schwarzenberg und warf ihren Dolch angewidert dem Hingerichteten Hauptmann hinterher.
Fähnrich Ochs nickte, dass sie verstanden hatte, ließ ihren Dolch in die Grube folgen, setzte den Helm auf und brach nur in diesem Moment gen Rudes Schild auf.
„Wie gut, dass er nur pissen musste“, bemerkte Hauptmann Grinser trocken, „sonst hätten wir ihn aus seiner Scheiße in die Grube ziehen müssen.“
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