Geschichten:Das Erbe der Pfortensteiner - Aufräumen
2. Ingerimm 1047 BF, Burg Rubreth
Landvogt Rondradan Helmar von Pfortenstein war an diesem Morgen besonders gut gelaunt. Heute wollte er sich von den letzten Resten seines inzwischen gelösten Traviabundes mit Melina von Ehrenstein befreien und tatsächlich fühlte sich dieser Gedanke für ihn auch sehr befreiend an. Fast jugendlich beschwingt schritt der Mittvierziger durch die Gänge der Burg, hin zu dem Zimmer, was einmal das gemeinsame Schlafzimmer von ihm und Melina gewesen war. Algon Raultreu von Roßsprunk erwartete ihn verabredungsgemäß bereits vor der Tür.
„Nun Roßsprunk, es ist an der Zeit, dass dieses Zimmer wieder dem Zweck zugeführt wird, zu dem es einmal gedacht war.“ Rondradan rieb sich mit leichter Vorfreude die Hände, während er das Schlafgemach betrat.
„Ich hatte mich schon gefragt, warum Ihr mich hierher zitiert habt Hochgeboren.“ Der Truchsess von Rubreth steckte den Schlüssel sorgsam wieder ein, mit dem er das sonst verschlossen gehaltene Zimmer geöffnet hatte. „Was genau wünscht Ihr, das geschehen soll?“
Der Landvogt schritt langsam durch den großen Raum und besah sich alles gründlich. Hier und da verzog er süffisant den Mund, wenn ein Gegenstand eine bittersüße Erinnerung weckte. „Ich wünsche, dass alles bisherige Mobiliar aus diesem Zimmer entfernt und ersetzt wird. Die Wäschetruhen, der Tisch, der Spiegel, die Kommoden, alles. Vor allem ein großes und bequemes Bett. Die Drechsler sollen alles mit den Wappen derer von Pfortenstein und von Luring verzieren.“
„Sehr wohl, Hochgeboren.“ Algon fuhr sich nachdenklich mit der rechten Hand durch den grauen Bart. „Was soll mit den Möbeln geschehen? Einiges davon hat die Frau von Ehrenstein erst vor wenigen Götterläufen anschaffen lassen. Gerade das Bett ist kaum benutzt. Es wurde nur kurz vor Frau von Ehrensteins Absetzung als Landvögtin geliefert. Als Feuerholz in der Küche wäre es verschwendet.“
„Da habt Ihr wohl Recht.“ Rondradan öffnete eine der Wäschetruhen und sann kurz nach. „Nehmt diese Truhen wie sie sind und schickt sie nach Auenwacht. Das Letzte, was ich will, ist irgendein kindischer Streit um Unterwäsche. Mit den restlichen Möbeln richtet ein weiteres Schlafzimmer für hohe Gäste ein. Das werden wir demnächst auch brauchen.“
„Ich werde das Nötige veranlassen.“ Der Truchsess nickte. „Graf Drego wird es sicherlich zu schätzen wissen, standesgemäß zu nächtigen. Frau von Ehrenstein war mit dem Mobiliar weitgehend sehr sparsam und zurückhaltend gewesen.“
„Sehr gut. Das Gerede über den spärlichen Komfort auf der Burg stört mich sowieso schon eine geraume Weile. Es wird Zeit, dass Rubreth wieder zu einem Ort wird, zu dem hohe Gäste gerne kommen.“ Der Pfortensteiner klatschte zufrieden in die Hände. „Wo wir dabei sind, haben wir schon weitere Antworten von den geladenen Gästen?“
„Tatsächlich erreichte uns heute in der Früh ein Bote aus Samlor. Baron Nimmgalf lässt sich entschuldigen. Allerdings werden sich Ederlinde von Luring nebst Tochter und Schwiegersohn an seiner Statt die Ehre geben.“
„Wie schade“, meinte Rondradan mit unverhohlenem Sarkasmus in der Stimme. „Aber ich bin sicher, dass ich mit der Schwester unseres Grafen das eine oder andere interessante Thema besprechen kann.“
„Zugesagt haben außerdem Baronin Tsaiana von Waldfang-Angerwilde und Baron Erlan von Zankenblatt. Pfalzgraf Udilbert von Hardt lässt sich ebenfalls durch seine Gattin und seine Tochter vertreten. Aus Schwarztannen warten wir noch auf Antwort. Abgesagt haben weiterhin der Langenlob und Baron Haldan von Rallersgrund. Letzterer schrieb die Situation mit dem Banditen an der Grenze zu Waldstein fordere gerade seine ganz Aufmerksamkeit.“
„Um diesen Emporkömmling Langenlob ist es nicht schade. Ich war auch wirklich froh, dass der nicht wieder um den Grafen herumscharwenzelte, als ich wegen Duridanya vorsprechen wollte. Ein wahrhaft unangenehmer Mensch“ Rondradan schüttelte sich kurz mit plötzlicher Abscheu und wurde dann nachdenklich. „Wegen dem Rallersgrunder werde ich demnächst wohl einmal in Rallerspfort vorbeischauen müssen. Ich bekomme langsam das Gefühl ihm wachsen die Probleme über den Kopf und ich will nicht, dass Pfortenstein oder unser Verbündeter in Berstenbein darunter zu leiden haben. Aber gut, das ist Familienpolitik. Wie laufen die sonstigen Vorbereitungen, Roßsprunk?“
„Wir sind noch immer dabei die Vorräte aufzustocken. Die georderten Bierfässer und der Wein sind größtenteils bereits geliefert worden. Sogar zwei große Fässer mit Zwergenbräu aus der Baronie Kressenburg aus dem Greifenfurtschen.“
„Welch nette Geste von Baron Ardo.“ Der Pfortensteiner war freudig überrascht. „Sein Onkel Wulfhelm ist mit einer Pfortensteinerin verheiratet und hat mich in der Fehde gegen die Erlenfaller unterstützt. Ein tüchtiger Rittersmann!“
„Ah, ich verstehe.“ Algon machte sich gedanklich eine Notiz und fuhr fort. „Das Schlachtvieh für das Bankett wird aber erst Mitte Praios eintreffen, sonst frisst es uns nur unnötig die Scheuer leer. Und es wird teurer als erwartet. Die Umstände der letzten Monde haben die Preise ordentlich in die Höhe getrieben. Die Dame Ailinde meinte aber zumindest erst gestern zu mir, dass alles seinen Gang geht. Meister Tannhus hat zudem für Mitte Rahja eine Treibjagd auf das benötigte Wildbrett angesetzt. Junkerin Kordara war so freundlich uns dafür ihre weitläufigen Wälder anzubieten. Wir sollten zumindest darüber nachdenken noch zusätzliche Treiber und Jäger einzusetzen. Mehr Wild und meinethalben auch Fisch bedeutet deutlich weniger vom kostspieligen Schlachtvieh.“
„Sehr gut, haltet mich da weiter auf dem Laufenden. Ich werde Euch jetzt aber wieder verlassen müssen.“ Rondradan wandte sich zur Tür, um das große Schlafzimmer wieder zu verlassen. Sein Truchsess folgte ihm und schloss sorgsam hinter sich ab. „Ihro Gnaden von Grenstade erwartet mich gleich in der Rondra-Kapelle, um einige Details der Hochzeitszeremonie zu besprechen.“ Ritter Algon verbeugte sich, während Rondradan eilig und weiterhin sehr beschwingt davoneilte.