Geschichten:Rückkehr eines Erben - Tsas Segen, Borons Gnade
1033 BF, Burg Bärenau, Baronie Bärenau
Dramatis Personae
- Iralda von Bärenau, Baroness zu Bärenau
- Wolfaran von Ochs, Baronet zu Sturmfels
- Leobrecht von Ochs, Reichsvogt auf der Efferdsträne
- Korhilda von Sturmfels, Baronin zu Sturmfels
- Tolak von Riesingsau, Abt des Therbuniten Ordens
Tag für Tag, wie in einer Zeitschleife wiederkehrend, saß Iralda am Krankenbette ihres Verlobten Wolfaran von Ochs. Heldenhaft hatte er sein Leben aufs Spiel gesetzt, um ihres zu retten, dabei durchbohrte ein Schwert seinen Bauch und hinterließ eine klaffende Wunde.
Tolak von Riesingsau, ein Eychgras Therbunit, pflegte den schwerverletzten Wolfaran, während Iralda ihm Mut zusprach, so wie auch er ihr dereinst jahrelang beistand und ihr Kraft schenkte. Sie hoffte, dass ihre Worte und ihre Nähe in sein Unterbewusstsein drangen und ihm Lebenskraft und Mut verliehen. Iralda, die sich ebenfalls noch in der Genesungsphase befand, kostete es Unmengen an Durchhaltevermögen, denn einen weiteren schweren Verlust eines ihrer liebsten hätte sie kaum ertragen können. Gleiches dachte sie schon bei dem Tod ihres Vaters und Bruders, doch konnte sie damals mit allem Willen die Trauer und den Schwermut bekämpfen. Sie war sich nicht sicher, ob sie nochmals einen Todesfall verkraften könnte.
Iralda saß dicht neben seinem Bett, hielt seine Hand fest in den ihren und küsste diese sanft, als sie hinter sich ein paar Schritte hörte. Ein Mann Mitte fünfzig Götterläufe alt, in einer Reichsuniform mit einem prächtigen Kaiser-Alrik-Schnauzbart und einem schnittigen Kurzhaarschnitt betrat den Raum. Sie sah in seine Augen, die den Augen ihres Liebsten glichen, und erkannte ihn sofort, ohne dass es einer Vorstellung bedurfte.
Leobrecht von Ochs, der Reichsvogt der Efferdtränen und Vater Wolfarans, nahm den langen und beschwerlichen Weg auf sich, um seinem Sohn beizustehen. Er musste rasch und ohne Umwege hierher geeilt sein, anders konnte sich Iralda sein schnelles Erscheinen nicht erklären.
Kummervoll und besorgt führte sein Weg zum Krankenbette seines Erstgeborenen. „Habt Dank für die Mitteilung, die ihr mir habt zukommen lassen. Ich betete zu den Göttern, dass ich ihn noch lebend antreffen dürfte und anscheinend haben sie meine Gebete erhört. Wie steht es um ihn?“
Iralda, deren Augenränder tief rot waren, schaute ihn bekümmert an. „Nicht gut, Euer Hochgeboren. Wahrlich nicht gut. Er hat eine schwere Bauchverletzung, die nicht so heilen möchten, wie wir es uns alle wünschten.“ Ihre Hände öffneten den Verband, um seinem Vater einen Einblick zu seinem Gesundheitszustand zu gewähren.
Leobrechts Augen schlossen sich und er atmete tief durch. „Mögen die Götter und vor allem die Herrin Peraine ihm beistehen. So es Euch recht ist, würde ich gerne in Bärenau verbleiben und meinem Sohn beistehen.“
„Gewiss, es ist Euer Vorrecht als Vater dem ich mich als seine Verlobte nicht widersetzen möchte, bin ich mir sicher, dass ihr ihm sehr viel bedeutet. Jeder Zuspruch, jedes bisschen Mut und Kraft, was wir ihm geben können wird ihm helfen. So hoffe ich.“
Leobrecht stutze. "Ihr seid verlobt?"
"Eure Schwester gab uns die Erlaubnis zu einer Heirat, ich denke das nennt man verlobt.", ihre Wangen färbten sich in einen rötlichen Ton und sie schaute beschämt zu Boden.
Eine Pranke von einer Hand legte sich auf ihre Schulter. "Dann herzlich willkommen in unserer Familie."
Tage und Nächte wachten die beiden an seiner Seite. Entweder saß Leobrecht neben dem Bett seines Sohnes und Iralda schlief im angrenzenden Bett, oder umgekehrt.
Als eines Nachts Leobrecht durch Iralda geweckt wurde. „Bitte schaut, bitte seht, ob ich mich nicht irre.“ Leobrechts eilte zum Bett seines Sohnes, seine Hand fühlte an seiner Stirn und seinem Körper und musste mit Bedauern Iralda recht geben, Fieber hatte eingesetzt.
Kalte Tücher, die eilends herbeigebracht wurden und der gerufene Medicus nahmen sich des jungen Schlunder Ritters an, wohingegen sein Vater und seine Geliebte tatenlos zuschauen mussten.
Die Sorge war dem Medicus ins Gesicht geschrieben, denn entgegen der Hoffnungen, dass die hohe Temperatur zurückging wurde diese stetig höher. Wolfarans Körper verkrampfte und er litt unter starken Schüttelkrämpfen, was den Wundheiler zu einer schockierenden Diagnose führte – Schlachtfeldfieber.
Sieben bange Tage lagen vor ihnen. Sie hofften auf einen raschen Fieberrückgang und befürchteten die Gelbfärbung seiner Lippen. Der Medicus verabreichte Wolfaran reichlich lauwarme Flüssigkeit, in der Hoffnung die Aussicht eines Gilbentodes zu verhindern. An einen Erwerb von Heilkräutern zur Herstellung eines Gulmondtrankes war nicht zu denken, zu sehr hatte der Krieg alle Vorräte aufgebraucht.
Iralda weilte in den beschützenden Armen Leobrechts, gemeinsam bangten sie um das Wohl ihres Liebsten und ihre Gebete wurden erhöht. Anstatt einer gelben Lippenfärbung, sank das Fieber rasch, so rasch wie die Krankheit aufzog.
Sie konnten von Glück reden, dass Wolfaran in bestem Alter und vor seiner Verletzung bei bester Gesundheit war. Andernfalls hätte er kaum eine solch schwere Verletzung und das anschließende Fieber überstehen können.
Wochen vergingen und der Gesundheitszustand besserte sich stetig, als Wolfaran eines Tages seine Augen öffnete. Er lag in einem Bett, neben ihm, in einem großen Ohrensessel saß jemand, den er nicht erwartet hatte – sein Vater. Doch er sah verändert aus. Von seinem gepflegten Schnauzbart war nicht mehr viel zu sehen, ein ungepflegter Vollbart und schmierige Haare zierten sein Gesicht. In einem Bett nebenan schlief Iralda, deren Äußeres sehr erschöpft wirkte.
Wolfaran versuchte sich aufzurichten, was ihn zu einem schmerzverzehrten Ton hinreißen ließ, zu sehr spannte seine Bauchverletzung. Als wäre ein Rammbock in sie gestoßen worden, schreckten Iralda und Leobrecht auf. Iralda sprang auf und viel ihrem Liebsten tränenreich um den Hals.
Leobrecht, dem die Freude ins Gesicht geschrieben war, hielt Abstand und ließ der jungen Dame den Vortritt.
Fast hätte er vergessen, dass sein Sohn und er sich zum letzten Mal im Streit verlassen hatte. Aber auch nur fast. Viel war in letzter Zeit geschehen, so dass beiden die Worte zu einer Aussprache versagten.
Als Leobrecht sanft sein Stimme erhob. „Balian von Ibelstein ließ mir eine Botschaft zukommen, die mich vermuten ließ, dass meine Anwesenheit hier erwünscht sei. Ich…“ Der Reichsvogt unterbrach jäh seine Ausführungen, als sich hinter ihnen eine Tür öffnete. Korhilda von Sturmfels, die Gattin Leobrechts und Mutter Wolfarans, schritt durch die schwere Eichenholztür. Langwierig und beschwerlich war ihr Abstieg vom Sturmfels gewesen, so dass ihre Ankunft spät erfolgte.
Sie blickte auf ihren Sohn, der zu sich gekommen war und ihre Freude strahlte über ihrem Gesicht.
Wolfaran legte die Hand auf die seines Vaters und bat seine Mutter näher zu kommen, die sich dieses nicht zweimal sagen ließ und ihren Sohn liebevoll umarmte.
Ein Lächeln huschte über Leobrechts Gesicht. "Schlaf jetzt, Du bist noch nicht über den Berg. Ruhe Dich aus, Iralda wird sich um Dich kümmern. Ich habe schon viel Zeit in Bärenau verbracht und bin daher gezwungen zeitnah abzureisen, auch wenn ich Dir noch gerne Beistand leisten würde. Die Kaiserin erwartet meine Berichte auf dem Reichskongress. ... Und das nächste Mal sagst Du mir, wenn Du einer Frau die Treue zu schwören gedenkst."
Der Reichsvogt verließ mit seiner Gattin, die er viele Monde nicht mehr gesehen hatte das Zimmer während sein Sohn mit Iralda hier verblieb. "Dann wirst Du lange warten müssen, denn ich habe nicht vor, die Frau an meiner Seite zu wechseln." Wolfaran ließ sich mit einem schmerzverzerrten Grinsen ins Bett zurücksinken, in einen heilenden Schlaf.
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