Geschichten:Umzug nach Dreihügeln - Ein Brief kommt an II
Zeit: Ende Boron 1035 BF
Personen:
- Yadviga Keilholtz zu Schroffenstein
- Alarich, Knecht aus Nebelstein
- drei Mägde der Junkerin Yadviga
"Der neue Baron ist ein Herr Fürchtewol Grifwart von Eisslingern." Das Gesicht der Junkerin verhärtete sich, wenn dies möglich sein konnte, noch mehr. Einzig die Augen leuchteten in den Tiefen der Schründe und Täler ihres Gesichtes, glühenden Kohlen gleich. "Von Eisslingern also." Die Bemerkung glich dem Ächzen eines umkippenden Baumes. "So sei es. Sonst noch..." das Schweigen, welches folgte, sprach Bände... "eine erfreuliche Botschaft?"
Alarich schluckte, die Hand mit dem gesiegelten Dokument immer noch in Richtung der Junkerin ausgestreckt. "Öhhm. Ich habe auch noch..." das Pergament ruckte kurz in Richtung der Junkerin, dann, da die Frau immer noch keine Anstalten machte, es zu übernehmen, zog der Junge es wieder zurück und nestelte ein weiteres Mal an seinem Wams, um der einen Botschaft eine weitere hinzuzufügen.
Im Raum war es totenstill geworden, so dass die Junkerin einen weiteren Blick in die Runde schweifen ließ, welchen die Mägde mit einem erneuten Anlaufen der Spinnräder und dem Bürsten der Wolle beantworteten.
"... eine Nachricht von Eurer..." und wieder ein Fettnapf, den zu umschiffen nicht gelang... "höm... Edelgunde von Schroffenstein, der Junkerin zu Dreihügeln."
Die Hand zitterte leicht, obgleich die zweite Botschaft sicherlich nicht schwerer als die erste in der Hand lag.
Mit einer schnellen Bewegung entriss die Junkerin die zwei Dokumente, dann sah sie dem Knaben fest in die Augen. "Wärm dich auf und lass dir was Kleines zu essen geben. Heute Nacht magst du bei Lutz und Bernwart im Stall schlafen, morgen solltest du wieder den Heimweg antreten. Der Firun wird sicherlich nicht mehr lang auf sich warten lassen und dann wärest du hier eingeschneit." Das '...und würdest uns auf den Vorräten liegen' ließ die Junkerin unausgesprochen.
Während Alarich noch unschlüssig im Raum stand, wandte sich die Junkerin auch schon herum und verließ den Wohnraum durch eine schmale Tür an der Seite des Ofens.
Kaum hatte Jadviga ihre Stube mit dem breiten Bett und dem schmalen Sekretär am Fenster erreicht, als sie auch schon das Siegel am Brief ihrer Tochter erbrach und das Bütten auseinanderfaltete. Kurz überflog sie die Nachrichten, die Stirn gerunzelt. "Firlefanz mit den Hunden." Die Stimme Yadvigas schnitt durch den Raum. "Jetzt verschenkt das Blag die guten Jagd- und Hütehunde sogar an die Dorfsassen." Kurz überlegte die Junkerin, ob sie sich nicht doch dazu hätte entscheiden sollen, ein paar dieser Hunde auf dem Gut zu halten, aber sie wollte erst noch ein Weilchen abwarten, ob diese Viecher tatsächlich besser als die Finsterkammer Wolfshatzer waren.
Kaum hatte sie den Absatz über die Töchter Edelgundes gelesen, da hatte ihre Gesichtsfärbung auch schon den Ton des hinter ihrem Fenster aufragenden Finsterkammes beim gerade einbrechenden Abendrot angenommen. Dass Rondraja als Hauptfrau und Offizierin der Greifenfurter Truppen diente ging gerade noch. Nicht umsonst waren die Greifenfurter wie die Flussgardisten stolz darauf, in ihren Reihen fast ausschließlich Sprösslinge aus den märkischen Adelsgeschlechtern sowie bestens ausgebildete Abgänger der Kriegerakademien zu beherbergen. Aber es war eine Schande, dass sich eine Edle wie Rahjamunde in einem bürgerlichen Berufe ausbilden ließ, noch dazu von einem Zwerg. Nicht, dass sie etwas gegen Zwerge gehabt hätte, immerhin gab es hier im Finsterkamm eine unterirdische Zwergenstadt, Finsterbinge. Dies war der rechte Ort für Zwerge. Weitab der Zivilisation mitten im Berg. Aber das so ein degeneriertes Früchtchen den heimischen Stollen verließ, um in einer Menschenstadt ein Geschäft zu führen... Wenn Rahjamunde ihr eigenes Kind gewesen wäre... aber es half nichts. Edelgunde war schon immer viel zu weich gewesen mit allem, was sie so tat.
Am besten würde es sein, wenn sie selbst im kommenden Frühjahr mal wieder den Weg aus den Bergen nehmen und ihre Ziehtochter besuchen würde. Sicherlich würden ihr die Ratschläge helfen, ihrem verlotterten Lehen den rechten Wind einzublasen. Vorsichtig strich Yadviga den vor ihr liegenden Brief glatt und öffnete das Geheimfach des Sekretärs, wo sie ihn behutsam in einen kleinen Holzkasten gleiten ließ. Dann erbrach sie das Siegel des neuen Barons von Nebelstein, während der Wind um den Gutshof heulte wie ein hungriger Wolf.
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