Geschichten:Gedankengift Teil 6

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Burg Leihenbutt, 12. Rondra 35 Hal:


Simiona erwachte erst, als das Praiosauge seinen höchsten Stand schon einige Stunden überschritten hatte. Später hätte sie diesen Moment nie als Erwachen bezeichnet; vielmehr quälte ihr Bewusstsein sich aus dem Zustand dämmrigen Vergessens und dumpfen Kopfschmerzes hin zu einem umnebelten Vegetieren, dass man zunächst nicht als wach sein bezeichnen konnte.

Der Herr Ingerimm schien auf ihrem Schädel eine Demonstration seiner Handwerkskünste mit dem großen Schmiedehammer vollführt zu haben, denn ihr Kopf fühlte sich an, als würde er mit jedem weiteren pochenden Herzschlag platzen wollen.

Ein leises, aber gequältes Keuchen entrang sich ihrer Kehle, als sie versuchte sich aufzurichten. Die Augen öffneten sich schwer und das grelle Licht, welches durch das offene Fenster herein fiel, brannte blendend in ihren Augen.

„Wie ich es sagte, mein Herr, sie kommt zu sich. Aber jetzt möchte ich nicht in ihrer Haut stecken.“ Die Stimme kam Simiona bekannt vor und einen Moment später erinnerte sie sich - ihr Heiler. Sie war also nicht tot. Seltsam, dass man sich Gedanken über so eine Feststellung machte, denn wäre man tot, könnte man so etwas ja nicht mehr denken. Ihr Schädel schmerzte auch ohne Gedankenspiele bereits genug, also schob sie diese Verwirrung beiseite und rappelte sich auf ihrem Bett weitestgehend in eine sitzende Position.

„Ihr hattet großes Glück, Comtessa“, sagte der Heiler leise. Seine Worte waren sachte gesprochen, aber die Liebfelderin hatte den Eindruck, als hätte er ihr geradewegs ins Ohr geschrieen.

„Solche Mengen Branntwein sind nur etwas für hartgesottene Säufer. Das hätte Euch beinahe Euer Leben gekostet. Ihr müsst Euch nun dringend ausruhen und ich kann Euch nur ans Herz legen meinen Ratspruch zu befolgen.“

„Nischt so laut!“ murmelte sie verwaschen und betastete vorsichtig ihren Kopf, ganz so als wollte sie sicher gehen, dass er nicht auf die doppelte Größe angeschwollen war.

Jetzt erst erkannte sie den zweiten Mann, der an ihrem Bett saß. Groß, schlank, mit durchdringend grünen Augen und in einen eleganten Gehrock nach Vinsalter Mode gewandet.

Sie erkannte seine Züge sofort. „Claudio, was macht I`r denn `ier?“

Der Horasier lächelte sein wölfisches Lächeln und blinzelte kurz. „Nun, sagen wir ich hatte einige kleine Differenzen mit meinem Herrn und da dachte ich, es wäre doch sicherlich töricht, würde ich meine Dienste nicht Euch anbieten.“

Simiona wollte Nicken, aber zum Glück fiel ihr rechtzeitig ein, dass sie den Kopf dafür bewegen musste. Also räusperte sie sich und sagte monoton. „Isch verste’e.“

Jetzt erst wurde ihr bewusst, in was für einem erbärmlichen Zustand sie war. Sie blickte an sie herunter und sah ihren völlig zerknautschten Morgenmantel. Über die Form, die ihre Frisur durch das Liegen auf dem Bett nun angenommen haben musste, dachte sie lieber gar nicht erst nach.

Die Balestrina! Schoss es ihr durch den Kopf. Sie erinnerte sich daran Claudios Stimme in dem Augenblick gehört zu haben, als die Schwärze sie umfing. Er hatte die Waffe sicher gefunden und sich einen Reim auf die ganze Sache gemacht.

Peinlich berührt senkte sie den Blick und spürte, wie sie rot anlief. Sie errötete nicht oft, aber dies war einer dieser seltenen Momente. Sie schämte sich für ihre Zügellosigkeit und für ihre offen zu Tage getragene Verzweiflung. „Es scheint, als wäre ich zur rechten Zeit gekommen“, flötete der Horasier beinahe einfühlsam. Behutsam nahm er Simionas Hand und blickte sie freundlich, fast schon liebevoll an. „Ihr solltet ruhen, Comtessa, lasst ruhig einen Teil Eurer Sorgen in meiner Obhut.“

„Ach, wenn I’r doch wüsstet, was misch in diesen Tagen alles quält. Es ist nischt nur die Sache mit meinem Gema`l, Nimmgalf…“

Sie wirkte betroffen und die Ringe unter ihren Augen traten nun deutlich zu tage.

„Ach ja, der werte Baron von Leihenbutt scheint sich ja lieber mit der Junkerin von Ferinstein herum zu treiben.“

„Was?“ brach es aus Simiona heraus. Sie bereute den Ausbruch sogleich, denn ihr Kopf pochte nun umso heftiger. Übelkeit stieg auf und sie wurde noch blasser, als sie es schon war.

Claudio lächelte versöhnlich. „Zumindest sieht man die junge Reichsforster Junkerin in letzter Zeit häufiger mit Eurem Gatten durch die Lande ziehen. Ich hörte ebenfalls Gerüchte, dass er nicht mehr bei seinem Freund Erlan von Zankenblatt wohnt. Es heißt, er würde nun bald Unterschlupf bei seinem Onkel Radulf suchen.“

Simiona atmete tief durch. Was auch immer Claudio mit seinem Erscheinen hier bezwecken wollte, oder was auch immer er im Schilde führen mochte, sein Auftauchen hatte sich jetzt bereits für sie gelohnt. „I’r kommt in der Tat zur reschten Zeit, mein lieber di Conserrano…“