Geschichten:Die Samen Argareths – Tag der heiligen Erde

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Burg Silz, Grafschaft Waldstein, 20. Praios 1046 BF:

Isfarion, der seinen Handelszug in Alten-Silz zurückgelassen hatte, begleitete Emer, Salix und Savertin zum Tor von Burg Silz. Hier wachten zwei Gardisten der Thar'a'sala'sa – der `Krieger der guten Gemeinschaft´- die sich als Leibgarde der Elfengräfin verstand, nachdem die Waldsteiner Pikeniere aus Silz abgezogen waren. Isfarion hatte ihnen während der Anreise von dieser geheimnisvollen Garde erzählt. Sie bestand sowohl aus elfischen als auch menschlichen Kriegern. Sie trugen leichte, tiefschwarze Lederrüstungen, ein Kurzschwert und einen Speer, sowie einen Elfenbogen. Auf ein Nicken des Halbelfen ließen die Elfenkrieger die Gruppe passieren.

Burg Silz war eine Besonderheit. Die Anlage war im Stil der rohalschen Ornametalistik errichtet und durch elfische Kunst erweitert worden. Das Ergebnis war ein verspieltes Gebäude mit Ranken-, Rosen- und anderen Naturelementen. Natur selbst fand sich auch im mauergesäumten Hof und an einigen Türmchen: eine Gartenlaube mit idyllischem Springbrunnen wurde von einem runden Spalier über Bänke und Tischlein komplett aus Bäumen und Büschen gebildet. Ein Turm war von immer blühenden Rosen umrankt. Ein bornländischer Walnussbaum bot den hungrigen Eichhörnchen das ganze Jahr seine Früchte an, sodass die possierlichen Tierchen Dauergäste des Schlosses waren.

Den Innenhof schmückte eine Statue von Rohal dem Weisen, dem Gründer der Grafschaft Waldstein und war wahrlich ein exzellentes Beispiel Silzer Steinmetzkunst.

Das große Eingangsportal war überwältigend. Es wirkte so, als wären unzählige Ranken zu einer Tür verwachsen. Die Säulen, die das Portal flankieren, zeigten überlebensgroße Statuen der mythischen Elfenkönige Simia - mit verästelter Krone und Schwalben auf seinem Haupt - und Orima - mit verbundenen Augen, die Schwert und Füllhorn in ihren Händen trug.

Isfarion schritt in Richtung des Walnussbaums. Dort hatte sich eine Gruppe von Menschen und Elfen versammelt. Burgvögtin Mayana Schwalbenflug und Hofheiler Orimarion Blütentraum lehnten am dicken Baumstamm und fütterten eine Hand voll putziger Eichhörnchen mit Walnüssen. Landvogt Vallbart von Falkenwind saß mit Salandrion Traumhüter - dem Oberhaupt der Auentänzer-Sippe aus Val'sala'dir - sowie Elodriel Silbersang, Amadarion Mondglanz und Isfariel Mondschimmer und den gräflichen Würdenträgern Wegevogt Edorian von Feenwasser und Hofmagier Horbertus Mistran Gehrendieck in einer Art acht-zackigem Debattierkreis. Die Harfnerin Dalaria Lärchensang entlockte ihrem Instrument gar magische Melodien, zu denen die Legendensängerin Dimeloê Windlauf die Anwesenden mit ihrem zweistimmigen Gesang nahezu in Trance sang.

Am Springbrunnen saßen der Lyriker Golodion-liegt-im-Flieder und Navariel von Falkenwind zusammen mit den beiden Hausritterinnen Mandiraya von Albensteyn und Ailyne von Linara-Nordaue und lauschten den Melodien, während sich die beiden Knappen Meinolf von Siandes und Sattiva von Falkenwind in einem Geschicklichkeitsspiel versuchten. Die vier Pagen Sarella, Simarion, Simariel und Elida erfreuten sich an den aufblühenden Blumen, die scheinbar durch die Melodien oder den Gesang empor sprießen.

Emer war begeistert, dieser andächtige Frohsinn lag ihr ganz und gar, am liebsten hätte sich die Heiterfeldin direkt zu dieser Szenerie gesellt. Was sie nach kurzer Überlegung auch abenteuerfreudig machte, ganz im Moment schwelgend. Nahe des Debattierkreises blieb sie stehen, lauschte den Klängen von Baum, Gesprächen und Musik.

Der Vairninger hingegen blieb vorerst mit etwas Abstand stehen und ließ die Szenerie auf sich wirken. Er wusste, wie ein Grafenhof aussah und wie die Abläufe an einem solchen waren, immerhin war er am Hof von Graf Danos in Luring aufgewachsen. Was er hier jedoch erlebte, sah, hörte und mit ihm bisher unbekannten Sinnen verspürte, lief seiner Erfahrung voll zuwider. So verharrte er und versuchte vorerst, eine Struktur in dem, was er hier erlebte zu erkennen.

Salix ging es da nicht viel anders. In jungen Jahren war er an den Hof des Markgrafen gekommen, hatte dort alles gelernt, was das Überleben am Hofe sicher stellte und war schließlich zurück in die Zacken gezogen. Der zackenberger Hof glich seinem Umland. Er war rau und auf den ersten Blick suchte man vergebens das Schöne, Zärtliche. Erst wenn man sich darauf einließ, konnte man die Nuancen erkennen. Doch all das, war kein Vergleich zu dem, was er hier erlebte. Es war wie ein Bett, in dem man samtig weich sich betten konnte und die Zeit an sich vorbeiziehen lassen. Wenn da nicht dieses unbestimmte Gefühl war, welches Salix riet, eben dies nicht zu machen.

“Sanyasala, talaiama, wir heißen euch willkommen, Menschenfreunde”, sprach Salandrion Traumhüter mit sanfter Stimme. “Wir begehen heute den Tag der Nurdra, den Tag der Lebenskraft, in eurer Sprache. Setzt euch zu uns.”

Der alterslos wirkende Elf mit langen, weißblonden Haaren und geheimnisvoll blau-violetten Augen blickte voller Güte zu den Ankommenden. Das Oberhaupt der Auentänzer-Sippe war schon weit über 300 Götterläufe alt. Isfarion hatte der Gruppe nahezu schwärmerisch von dem weisen Elfen erzählt. So führte er vor vielen Menschengenerationen seine Sippe an den Oberlauf des Silzbaches und siedelte unweit des menschlichen Marktfleckens Silz. Die Siedlung, schon bald Val'sala'dir genannt, war nunmehr faktisch Teil von Silz und ein Ort der Begegnung und des Austausches. Salandrion galt auch als Sprecher von Val'sala'dir und war ein großer Verfechter für ein friedliches Zusammenleben zwischen Menschen und Elfen. Mehr noch, für ihn war diese Koexistenz ein Garant für ein Überleben beider Völker im wuchernden Wald.

Vallbart von Falkenwind, der bisher geschwiegen hatte, machte eine einladende Geste und wies auf den noch freien Platz im acht-zackigen Debattierkreis. “Wir sprechen gerade über die Umtriebe der Töchter Saturias.”

Die junge Heiterfelder Ritterin war positiv-überrascht, sogleich eingeladen worden zu sein, kein Standesdünkel oder Abgetaste. Kurz unentschlossen schaute sie daher zu ihren Mitgereisten, entschloss sich dann aber spontan sich zu setzen. Salix nickte ihr nur ermutigend zu, hatte er doch kein Interesse, sich so zu exponieren. Neugierig antwortete sie Vallbart: “Sanyasala, mein Name ist Emer, von welcherlei Umtrieben sprechen wir genau?”

Salix indes hatte es sich am Rande des Kreises, etwas abseits, gemütlich gemacht und folgte dem Geschehen schweigend und doch aufmerksam. Er hatte die Kunst des von der Seite aus zuhören perfektioniert. Das gab ihm einerseits die Möglichkeit auf Kleinigkeiten zu achten und nahm ihn andererseits aus der Aufmerksamkeit der Allgemeinheit. Wie eine unauffällige Blume im Hintergrund konnte er so unbehelligt wachsen.

“Sanyasala Emer, aus der Familie Heiterfeld.” Der Silzer Landvogt nickte der jungen Ritterin wohlwollend zu. Offenkundig wusste er vom Eintreffen der Reisegruppe aus der Goldenen Au. “Wir werden unseren Diskurs nun auf Garethi fortsetzen, da ich nicht davon ausgehe, dass die junge Emer die Zunge der Elfen beherrscht. Sind alle in unserem Kreis einverstanden?” Die anderen im Debattierkreis Sitzenden, nickten - die einen, wie Elodriel Silbersang, mit einem zustimmenden Lächeln, andere, wie Amadarion Mondglanz, eher widerwillig. Nachdem alle ihr Einverständnis signalisiert hatten, fuhr Vallbart fort. “Die Silzer Hexen haben versucht in diese Burg einzudringen, um Artefakte aus Simyala an sich zu bringen. Deren Oberhexe Carenia vom Schwarzen Turm ist berüchtigt für ihren unstillbaren Wissensdurst. Doch es herrscht Konsens, das uralte Wissen nicht mit den Hexen zu teilen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen.”

Der Landvogt holte noch ein weniger weiter aus und Emer fand sich mitten in einem Diskurs wieder. Dabei wurde auch den Außenstehenden klar, dass es sich bei diesem Austausch nicht um eine lockere Plauderei handelte, sondern um Machtpolitik, die klaren Regeln und Strukturen folgte - aber eben auf Silzer Art. Salandrion und seine Auentänzer galten als den Menschen zugewandt und strebten eine Vertiefung des gemeinsamen Zusammenlebens an. Elodriel Silbersang und die ebenfalls in Val’sala’dir siedelnden Krönenhüter blickten noch mit gehöriger Skepsis auf die Menschen. Die Madasänger um Amadarion Mondglanz blickten mit Abscheu auf die Menschen und erhofften sich nach der Wiederentdeckung Simyalas eine neue hochelfische Blüte und damit einhergehende Vertreibung der Menschen aus dem Mittwald. Isfariel Mondschimmer und ihre Sippe der Hüter der Sternensinseln war seherisch begabt. Sie galten als Hüter uralter elfischer Geheimnisse und des Waldes und waren stets im Konflikt mit den nach Wissen durstenden Silzer Hexen. Der Wegevogt Edorian von Feenwasser stand für die Belange der Menschen ein, während der Hofmagier Horibertus Mistran Gehrendieck für die Feytala sprach. Vallbart hingegen fungierte als ‘Stimme der Elfengräfin’ und Mittler.

Nach einer Weile erhob Salandrion wieder das Wort. “In Visionen sah ich drei thar’a’biunda, drei Kämpfer der fruchtbaren Au, auf ihren Weg in den Mittwald. Hier seid ihr nun.”

Emer hatte dem interessiert gelauscht und hier und da respektvoll Fragen zum Verständnis gestellt, stets mit dem typischen Heiterfeldschen, wohlwollenden Lächeln auf den Lippen. Aber zumeist hatte sie die Szenerie einfach auf sich wirken lassen, da das Thema sehr speziell und doch ernster gewesen war, als der Kreis zunächst den Anschein auf sie gemacht hatte. Ihr gefiel es aber, in welcher ruhigen Sachlichkeit hier diskutiert wurde, ganz anders als an anderen Höfen die sie kannte. Zuletzt blickte sie erstaunt zu Salandrion, der sie und ihre beiden Gefährten anscheinend schon hatte kommen sehen. “Verehrter Salandrion, Ihr saht mich und meine Gefährten in Euren Gesichten? Dann wisst Ihr auch warum wir hier sind?”

Der junge Perricumer hatte interessiert dem Gespräch gelauscht. Versucht die Gesichtszüge der Anwesenden zu ergründen und gemerkt, wie fremd die Elfen ihm doch waren. Besonderes Augenmerk hatte er auf den Landvogt gelegt, als Mensch war er der Mittler und die Stimme der elfischen Gräfin? Etwas überraschend, wenn man Salix gefragt hätte. Doch dann wiederum auch sehr zu Silz passend.

“Talaiama, ich sah drei thar’a’biunda, die uns die Samen des Urbaumes des alten Mittwaldes bringen. Nun seid ihr hier. Nurd’dhao, habt Dank, gedeihen mit euch!"

Woran es genau lag, konnte Savertin nicht sagen, jedoch waren ihm dieser Hof und seine Bediensteten suspekt. Die Offenheit ihnen, als Außenseiter, gegenüber überraschte ihn, jedoch nahm er sehr Anstoß an den ständigen Aussagen, man hätte sie erwartet, gesehen oder etwas hätte sie bereits angekündigt. Er mochte es einfach nicht, dass jemand oder vielleicht auch etwas seine Schritte derart genau verfolgte und offenbar auch herumerzählte. Die Idee, dass, was auch immer, seine Schritte ohne sein Wissen gar lenkte, wollte ihm lieber erst gar nicht in den Sinn kommen.
“Und was habt Ihr gesehen, geschah mit diesen Samen, nachdem sie hier ankamen?” Fragte er misstrauisch und auf der Hut.

“Die Samen müssen sicher verwahrt werden und genau das wird geschehen, so es das Schicksal will. Eorla, so sei es.” Salandrion blickte mitfühlend zu Savertin. Er konnte sein Misstrauen spüren. Doch das war am Ende zweitrangig. Der Schutz der Samen Argareths war zu wichtig.

Es war wieder der Landvogt, der seine Stimme erhob. “Folgt mir ins Innere der Burg, dann wird sich vieles aufklären lassen.” Vallbart nickte erst den im Kreis Sitzenden zu, erhob sich und blickte dann in Richtung des Brunnens, wo sein Sohn stand. “Navariel, bitte begleite uns!” Der Feytala mit den halblangen, schwarzen Haaren und unergründlichen, amethystfarbenen Augen, folgte der Aufforderung seines Vaters.

Daraufhin erhob sich die Heiterfelder Ritterin, verabschiedete sich freundlich aus dem Kreis und folgte, doch hätte sie sich gern, im Gegensatz zu ihrer Begleitung, weiter hier aufgehalten. Sie war nicht naiv, aber von Natur aus offen und neugierig, Heiterfeld eben. Aber sie war ebenso stolz und neugierig auf das was nun geschehen würde, also holte sie schnellen Fußes auf und setzte sich in Front ihrer Gefährten freudig-beschwingten Schrittes direkt hinter Vallbart und dessen Sohn.

Auch Salix erhob sich von der Bank, die wirkte, als sei sie genauso wie sie dastand gewachsen, und folgte der Gruppe. Es war gut zu wissen, dass Savertin aufmerksam war, wenngleich der Perricumer nicht davon ausging, hier auf gezogenen Stahl zu treffen. Allerdings hatten ihn die Geschehnisse auf Randersburg gelehrt, dass man mit allem rechnen musste und so stellte er sicher, dass weder Emer noch Savertin allzu weit von ihm entfernt waren. Unwillkürlich ging seine Hand kurz zum Amulett mit der gekrönten Blutulme, welches er ebenfalls seit der Winterhochzeit allzeit zu tragen pflegte.

Auch wenn der Vairninger misstrauisch war, so gestand er dem landvögtlichen Hof von Waldstein einen großzügigen Vertrauensvorschuss zu. Es war ein schmaler Grad zwischen Vorsicht und Unhöflichkeit, doch gelang es dem Ritter meisterlich, diese feine Linie nicht zu übertreten. So folgte er mit locker federnden Schritten dem Landvogt, wobei gleichermaßen Leichtmut, aber auch Anspannung in seiner Bewegung erkannt werden konnte.