Geschichten:Die Samen Argareths – In den Gemächern des Reichbehüters

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Neue Residenz, Kaiserstadt Gareth, Ende 1045 BF:

Emer kam langsam wieder zu sich, immer noch den Talisman in der einen und das opulente Tuzakmesser in der anderen Hand haltend, neben ihr hockend Wulthos und Savertin, die gerade im Begriff waren aufspringen, wegen der sich öffnenden Tür.
Etwas verschwommen erkannte Emer allerdings Salix und Tomlario eintreten, was auch die anderen beiden beruhigte. “Was ist geschehen? Wo bin ich?”, flüsterte sie etwas stammelig.

“In der Neuen Residenz”, flüsterte Wulthos, “auf einer wichtigen Mission. Ihr seht aus, als ob Ihr einen Geist gesehen habt.”

“Ich denke, das habe ich, die Geister der Vergangenheit. Es war… so… traurig und furchteinflößend. Ich kann mich kaum erinnern, so viel Finsternis, doch irgendetwas führte mich und meine Hand.” Emer war überglücklich wieder klar denken zu können und die Schrecken der letzten Stunden abzuschütteln. “Wer ist eigentlich auf diese dumme Idee gekommen sich aufzuteilen und mich allein durch diese verfluchte Anlage spazieren zu lassen?”
Eine Antwort kam nicht mehr, da von der Tür her sich die anderen zu Wort meldeten.

“Hier sind wir richtig”, murmelte Tolmario, “wir sollten die Räume hier genauestens durchsuchen. Jedes noch so unscheinbares Behältnis könnte unser Ziel sein. Hier könnte es auch Geheimverstecke geben.”

Nachdem sich die Gruppe wieder gesammelt und sich darüber ausgetauscht hatte, dass bisher keiner von ihnen die Samen gefunden habe, war man erst einmal sichtlich froh darüber, wieder vereint zu sein, machten sie sich auf die Suche nach den Samen von Argareth. Dieser Flügel des Palastes, in dem sie sich befanden, wurde zuletzt von Reichsbehüter Brin bewohnt und nach seinem Tod vor gut 25 Götterläufen so belassen. Die Gruppe arbeitete sich erst durch das Arbeitszimmer, in dem immer noch der große Schreibtisch des Reichsbehüters stand. Ein erhabener Moment für Emer, die kurz innehielt, das maraskanische Schwert mittlerweile gegürtet. Hier wurden Entscheidungen getroffen, die unzählige Menschen betrafen. Im Ankleidezimmer fanden sich gar noch vereinzelte Roben. Wulthos war positiv überrascht, welch guten Geschmack Brin doch gehabt hatte.

Doch die Suche in diesem Teil der kaiserlichen Gemächer sollte sich als erfolglos erweisen. Um den Mittelflügel zu erreichen, musste die Gruppe ein großes Loch im Boden überwinden. Savertin versuchte die beiden Türen, die links und rechts vom Flur ausgingen, zu öffnen, doch sie waren verschlossen und wirkten verstärkt.

“Ein Zahlenschloss zwergischer Machart”, bemerkte Tolmario wenig begeistert. “Kann das jemand knacken?”, fragte er in die Runde und erntete nur betretendes Schweigen.

“Dann müssen wir wohl dieses mehrere Schritt große Loch im Boden überwinden”, schlussfolgerte Salix mit Unbehagen.

“So gesehen müssen wir nicht das gesamte Loch überqueren, sondern uns um diese Wand hangeln”, bemerkte Emer, “denn das Loch im Boden ist so groß, dass es die Wände zwischen Flur und dem dahinter liegenden Raum mit eingerissen hat.” Es war ein gefährliches Unterfangen, denn die Abbruchkante am Boden wirkte nicht sehr stabil und auch die gesplitterte Mauer sah nicht aus, als ob sie einfach zu überwinden war. Die Gruppe band sich mit Seilen zusammen, sodass, wenn einer fallen würde, die anderen die Person ihn halten könnten.

Wulthos war der erste, es folgten Emer, Tolmario, Salix und Savertin. Es war wichtig, dass an den Enden besonders kräftige und athletische Personen waren. Konzentriert und mit gebotener Vorsicht trat Wulthos an die Abruchkante heran und versuchte am gesplitterten Mauerwerk mit seinen starken Armen Halt zu bekommen, was ihm auch gelingen sollte. Ein erleichtertes Durchatmen der anderen war zu vernehmen, als der Pandlaril die andere Seite erreichte. Als Nächstes folgten Emer und Tolmario, die sich nicht weniger konzentriert, ihren Weg auf die andere Seite erkletterten. Nun war Salix an der Reihe. Mit Vorsicht näherte er sich der Abbruchkante. Von hier aus waren es zwei Stockwerke freier Fall in die Tiefe - nichts, was der Perricumer auf seiner Liste der Erlebnisse stehen hatte. Mit Vorsicht versuchte er Halt an der Mauer zu bekommen. Als er sicher war, verlagerte er sein Gewicht, um sein Bein auf einen Mauervorsprung abzusetzen. Doch der Stein gab nach und Salix verlor das Gleichgewicht. Mit einem Ruck sauste er in die Tiefe, doch konnten die, an ihn angeknoteten Seile einen Absturz in die dunkle Tiefe verhindern. Mit ganzer Kraft stemmten sich die Gefährten gegen die Sogkraft der Tiefe. Besonders Savertin musste seine ganzen Kräfte aufbringen, glücklicherweise war er gestärkt durch einen der Tränke von Tolmario. Mit vereinten Kräften zog die Gruppe Salix wieder nach oben und auch Savertin schaffte die Klettertour zu den anderen.

Nun befanden sich alle in einem der Salons und scheinbar hatte jemand einiges dafür getan, diesen verschlossen zu lassen. Nach dem sich die Gefährten von den Seilen befreit hatten, strömten sie aus, um den Raum gründlich zu durchsuchen. Tolmario und Wulthos gingen zielstrebig zum Bücherregal, das die eine Wand vollständig bedeckte. Viele der Bücher waren noch immer an ihrem angestammten Platz, doch waren sie mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Emer und Savertin begutachteten das noch vorhandene Mobiliar. Salix wandte sich den beiden Statuen aus Marmor zu, die an der Wand zur Außenmauer standen. “Würdet ihr Samen eines mythischen Baums in so einem Raum aufbewahren?”, murmelte Emer vor sich hin, während sie vorallem die Schubläden und Fächer der Möbel durchforstete. Die anderen zuckten nur leicht mit den Schultern.

Der Perricumer betrachtete die beiden Statuen aus weißem Marmor eindringlich. Irgendwas hatte die Aufmerksamkeit seines Unterbewusstseins auf sich gezogen, doch er konnte noch nicht erkennen, was genau es war. Die Steinmetze hatten wahrlich all ihr Können in diese Statuen gesteckt. Die Kleidung, obgleich sie aus Stein gehauen war, wirkte wie leichte Seide. Die “Haut” schien Wärme auszustrahlen und alles an den Figuren wirkte lebendig.

Doch das alles war hier und jetzt nicht von Bedeutung. Sie befanden sich nicht auf einem Ausflug zur Erkundung der verlorenen Kunstschätze, sie hatten einen wesentlich wichtigeren Auftrag und Salix spürte, dass diese beiden Statuen etwas damit zu tun hatten. Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen! Er hatte den Blick der etwas kleineren Statue verfolgt und auf die Brust der Größeren geschaut. Erst hatte er es nicht erkannt, doch dort war eine Vertiefung in Form eines Amuletts, ähnlich dem, was er gefunden hatte. Unverkennbar war es ein Amulett mit einer gekrönten Blutulme!

Der blonde Adlige hielt kurz inne und blickte sich um. Seine Gefährten hatten allesamt mit anderen Dingen zu tun und schienen kein Auge für ihn zu haben. Gedanklich quittierte er dies mit einem zufriedenen Lächeln. Dann wandte er sich abermals der Statue mit dem Zeichen zu und suchte nach weiteren Hinweisen. Am Sockel der Statue erkannte er, nach einigem Suchen, eingeritzte Buchstaben.

Des Listigen Reich ist der Schatten, der nicht nur verhüllt, sondern auch schützen mag. Ihm zum Wohlgefallen vor aller Augen wirkt er wie eine Wand, undurchdringlich wie Stein und Holz. Doch diejenigen, die auf seinen Pfaden wandeln, wissen um den Schlüssel, mit dem man dahinter blickt. So wie er die unseren schützt, so soll er auch die Abkömmlinge dessen schützen, was der Allweisen wohlgefällig ist!

Er stutzte kurz und hielt inne. Abkömmlinge dessen, was der Allweisen wohlgefällig ist? War hier tatsächlich das gemeint, was Salix vermutete? Die Vertiefung, in Form der gekrönten Blutulme, der Standort der Statuen, das alles konnte kein Zufall sein. Die Inschrift am Sockel der Statue war eindeutig ein Hinweis darauf, wo die Samen eben jener Blutulme aufbewahrt wurden, für die sie hierher gekommen waren. Fast schon unbewusst zog er das gefundene Amulett aus einer seiner Taschen und legte es geschwind in die Vertiefung der größeren Statue.

Kurz schien es so, als würde nichts passieren, doch dann öffnete sich hinter den Statuen, in der Wandvertäfelung ein kleines Türchen, nur wenige Halbfinger breit. Salix merkte, wie sein Herz einen Sprung machte und begann höher zu schlagen, als er sich dem Türchen näherte. Vorsichtig zog er es auf und blickte in ein dunkles, mit Samt ausgekleidetes Fach. Zu seiner Überraschung lagen darin einige Kästchen, mit leicht zitternden Händen griff er eines davon und öffnete es langsam. Was er darin sah, ließ ihn kurz den Atem stocken. Er hielt tatsächlich einen der Samen Argareths in den Händen. Ergriffen von der Gewissheit, hier nicht nur ein Stück Geschichte, sondern auch ein Stückchen Zukunft in den Händen zu halten, hielt er kurz inne und atmete tief durch.

Dann vergewisserte er sich, dass auch die anderen Kästchen mit Samen gefüllt waren, verstaute das, was er in den Händen gehalten hatte, sowie ein weiteres sicher in seiner Gürteltasche, trat von dem Fach zurück und erhob seine Stimme, die brüchig und zugleich ergriffen klang. “Ich… Ich gl… Ich glaube, ich habe etwas!”.

Emer fuhr herum, beinahe in Habacht-Stellung, die Hand schon am Tuzakschwert. Dann atmete sie durch: “Was ist es?”

Salix deutete auf das Geheimfach, dessen Türe er offengelassen hatte. “Das, weswegen wir gekommen sind!”. Er machte einen Schritt zur Seite, damit seine Gefährten eine bessere Sicht hatten. “Aber seht selbst!”.

Emer war sofort heran und begutachtete Statue und Fach, mit einem Abstand der den anderen aber noch die Sicht ermöglichte.

Auch Wulthos und Tolmario kamen herangelaufen und blickten mit großen Augen in das Fach. Sie hatten es tatsächlich geschafft. Die magischen Samen der heiligen Blutulme Argareth waren gefunden.