Geschichten:Der Liebe wegen – Ungehört

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Tempel der eingebrachten Früchte, Stadt Schwarztannen, 25. Ingerimm 1044 BF

„Ah, Lindegard“, hob Baldur von Immenhort an und erhob sich. Er hatte auf einer Bank unter einem der Bäume in seinem Garten gesessen, „Peraine mit Dir. Wolltest Du... wolltest Du nicht Perainidane in Rallingen besuchen?“

„Peraine auch mit Euch, Hochwürden“, erwiderte ich ihm nickend und war nur einen Schritt in seinen Garten hineingetreten, „Ja, das wollte ich und das habe ich auch, aber...“

Er zog seine Stirn kraus: „Das klingt ganz so als bräuchtest Du jemanden, mit dem Du sprechen kannst.“ Er setzte sich wieder auf die Bank und legte seine rechte Hand auffordernd auf den Platz neben sich. „Setz Dich doch, Lindegard. Setz Dich und erzähl.“

Einen Moment blickte ich ihn an, der Prätor erwiderte meinen Blick. Ich ging hinüber und setzte mich zu ihm. Dann war es still. Ich hörte Vögel singen. Leise säuselte der Wind in den Blättern. Ich holte ein ums andere Mal Atem, doch ich brachte kein Wort über die Lippen.

„Wie geht es Deiner Schwester?“, versuchte Baldur das Gespräch zu beginnen, „Hat sie sich gut eingelebt?“

„Ihr geht es den Umständen entsprechen“, erwiderte ich, „Sie hat Oheim, Schwester und Vater verloren. Ihre Familie steckt noch immer in einem Konflikt mit Baron Drego. Ein Ende ist nicht in Sicht. Die Fronten sind verhärtet. Sie haben die Baronin noch immer in ihrer Gewalt.“

Er nickte verstehend und wollte wissen: „Und Du hast gedacht, Du konntest etwas daran ändern?“

„Ich...“, erwiderte ich ihm und brach abrupt ab, weil ich mir plötzlich seltsam dumm vorkam, „Ich hatte es zumindest gehofft.“

Wieder nickte er verstehend: „Weißt Du, es gibt einen guten und auch recht einfachen Grund, warum wir, die Diener der Gütigen, uns aus Politischem heraushalten: Die hohen Herrschaften hören schlichtweg nicht auf uns.“ Er machte eine Pause. „Immerzu geht es ihnen nur um Macht, Einfluss, Reichtum. Sie begreifen nicht, dass es weitaus höhere Ziele gibt. Verständnis mögen sie vielleicht noch für die Leuin oder aber für den Götterfürst haben, aber unsere Herrin und deren Wesen verstehen sie nicht. Wir tun das, was getan werden muss. Das Reden ist nicht unseres.“ Nun blickte er zu mir und legte mir väterlich eine Hand auf die Schulter. „Sei nicht traurig, Lindegard, es lag nicht an Dir. Sie verweigern sich auch jedem anderen.“

„Hochwürden es...“, ich stockte einen Moment, konnte seinem Blick nicht standhalten, „... es ist nicht das einzige.“

„Wir halten uns hier aus Politischem heraus“, erwiderte er mir da entschieden und wandte sich von mir ab um seinen Worten zusätzlichen Nachdruck zu verleihen, „Und Dir, Lindegard, würde das als eine ihrer Dienerinnen auch gut zu Gesicht stehen. Zumal Du meine Schülerin warst und ich Dir genau das all die Götterläufe über gelehrt habe. Dir und Deiner Schwester Perainidane.“

„Hochwürden, ich...“, entfuhr es mir da bereits etwas ungehalten, „... ich bin Baron Dregos Hofkaplanin! Es ist seine Gattin, die die Erlenfaller in ihrer Gewalt haben. Wie kann ich mich aus den politischen Querelen heraushalten, wenn ich Mitten drin stehe? Und selbst wenn mir das gelänge, würde das nicht gegen alles sprechen, wofür unsere Herrin steht? Müssen wir nicht helfen? Müssen wir nicht tätig werden?“

Schwer seufzte er und räumte ein: „Es ist schmerzlich, wenn die eigene Schülerin einen auf die eigenen Schwächen hinweist. Und dennoch so sehe ich nicht, was wir tun könnten.“ Sichtlich hilflos zuckte er mit den Schultern.

„Es geht nicht darum, was wir tun könnten. Es geht darum was wir tun MÜSSEN. Das Politische ist im Augenblick unserer kleinste Sorge, Hochwürden, denn es gibt den schrecklichen Verdacht, dass auf Rallingstein Schlimmeres vor sich geht...“


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25. Ing 1044 BF am Mittag
Ungehört
Pflicht


Kapitel 8

Autor: Orknase