Geschichten:Verschollene Eber - Der Ruf des Prinzen

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Stadt Greifenfurt, Residenz

Edelbrecht trommelte mit seinen Fingerkuppen auf die intarsiengeschmückte Fläche des kleinen Tisches, auf den er seinen Becher abgestellt hatte. Einige seiner Begleiter waren schon vor einigen Stunden angekommen, andere waren gerade eben erst durchs Tor geprescht. Nun, man würde sehen. Er hatte allen ausrichten lassen, dass man sich im kleinen Jagdsaal treffen werde, um vor dem Abendessen noch die Fakten auszutauschen. Heute Abend würde man nicht mehr aufbrechen können. Zwar riss es an ihm, hatte er doch schon vor Tagen, direkt nach Erhalt der Nachricht, aufbrechen wollen, aber eine Queste zeichnete sich nun einmal dadurch aus, dass man sich an bestimmte Regeln hielt. Sonst war es keine Queste. Und so würden sie heute Abend erst zusammen speisen, dann an einem kleinen Götterdienst teilhaben und – wenn es nach ihm ging – sich anschließend hemmungslos besaufen. Das würde zwar den morgigen Abschied ein wenig erschweren, aber verdammt! Es gab viele gute Koscher Traditionen, denen er hier nicht nachkommen konnte, da wollte er wenigstens diese eine in Ehren halten.

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Ardo von Keilholtz ä.H. war etwas ungehalten. Das passierte ihm des Öfteren. Nur diesmal hatte er niemanden gefunden, den er dafür hätte anschreien können. Das wiederum passierte ihm eher selten. Er war es einfach nicht gewohnt warten zu müssen. Sicherlich hatte er auch während seiner Kadettenzeit viel herumgestanden. Doch da hatte es wenigstens den tieferen Sinn gehabt, ihm und anderen Disziplin einzubläuen. Ardo von Keilholtz ä.H. hatte sich ja denken können, dass keinen der Ruf des Prinzen so schnell erreichen würde wie ihn und dass auch keiner sonst so schnell an Ort und Stelle sein konnte wie er. Doch den ganzen Vormittag auf dem Hof der Residenz herumzulungern und den Prinzen bei seinen Übungen zu beobachten war nicht wirklich das, was er sich vorgestellt hatte. Mit Erleichterung sah Ardo von Keilholtz ä.H. schließlich die Edlen der Mark nach und nach eintreffen. Das ließ hoffen, dass er noch vor dem Abend erfahren würde, welche Aufgabe ihm bei diesem Unternehmen zugedacht war. Für den Anfang wohl nichts mit viel Verantwortung. Doch er war bereit, dem Prinzen zu beweisen, dass Ardos Jahre bei der Burgwache Vergeudung von Talent gewesen waren.

Kaum hatte der Diener ihm mitgeteilt, dass seine Hochwohlgeboren nun bereit sei, seine Gäste zu empfangen, da war Ardo von Keilholtz ä.H. auch schon zügigen Schrittes dabei die Flure der Residenz zu durchschreiten. Die Lage des Raumes war ihm bekannt und der Diener musste sich sehr eilen, um vor ihm dort einzutreffen und ihn ordnungsgemäß anzukündigen. Der Bedienstete hatte noch den Namen seiner Familie auf der Zunge, da trat Ardo auch schon in den kleinen Saal und sank vor dem Prinzen auf das Knie. Seine Wut war längst verflogen, dafür röteten die Aufregung und der schnelle Schritt durch die Gänge das Gesicht des jungen Mannes.

"Euer Hochwohlgeboren! Ich habe euren Ruf gehört und habe mich geeilt. Mein Schwert ist bereit, euch in der Stunde der Not zu dienen. Verfügt über mich."

Der Prinz lächelte erfreut und sprang aus der leicht zusammengesunkenen Haltung auf, in der er neben dem kleinen Tischchen gesessen hatte. Wer ihn in letzter Zeit, genauer seit dem Weggang seiner Gemahlin, beobachtete hatte, der durfte nun erfreut feststellen, dass augenscheinlich das alte Feuer wieder in ihm brannte. Mit einem „nicht so förmlich, mein Freund!“ half er seinem Gegenüber auf die Füße und wies auf die zu einem Rund zusammengestellten bequemen Sitzmöbel, die man offenbar aus der gesamten Residenz zusammengeholt hatte. Zwischen jedem zweiten Sitzmöbel war ein kleines Tischchen etabliert worden und auf einem Tisch am Fenster standen Gläser und Karaffen voll mit Weinen verschiedenster Geschmäcker, Provenienzen und Stärke.

„Bedient Euch und nehmt dann Platz. Es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, bis alle versammelt sind. Stärkt Euch vor dem Aufbruch, denn wenn es nach mir geht…“ Der Blick des Koscher Prinzen ging aus den Fenstern des Jagdsalons und blieb auf dem Himmel über der unterhalb des Residenzhügels liegenden Stadt hängen, welcher sich nun langsam verdunkelte. „… wenn sich alles so fügt, wie es mir vorschwebt, dann werden wir morgen Früh, noch ehe die Nachtigall anhebt zu singen, die Mauer der Stadt von außen sehen.“

„Sehr gern mein Prinz. Auch ich kann es nicht erwarten aufzubrechen. Ein Tag wie der heutige hätte sich gut zum Reisen geeignet und uns unserem Ziel sicherlich schon viele, vielleicht sogar entscheidende Meilen näher gebracht.“ Auch Ardo betrachtete den sich verdunkelnden Horizont, während er sich mit der ihm zustehenden Bescheidenheit ein Glas nur halb mit einem der edlen Tropfen füllte. „Beten wir, dass sich Herr Efferd entschließt, sein sonst so erquickendes Nass nicht im Übermaß auf den Wegen unserer Reise zu ergießen.“ Mit diesen Worten prostete Ardo dem Prinzen zu, als ein Klopfen an der Tür den nächsten edlen Gast ankündigte. Er nahm einen kleinen Schluck des wohlschmeckenden schweren Weines und setzte sich an einen Tisch, welcher es ihm erlauben würde, während der kommenden Beratung so präsent wie möglich zu sein.

Niemand Geringeres als der Junker von Hundsgrab-Bugenbühl, Anselm Hilberan, war es, der dieses Geräusch auslöste. Nachdem er die Feste des Prinzen erreicht hatte, ließ er es sich nicht nehmen, noch ein wenig Zeit in seine Garderobe zu investieren und die von der Reise gezeichnete Kleidung gegen ein edles aber doch schlichtes Wams und ebensolche dunkle Beinkleider einzutauschen. Sein Haupt zierte eine flacher, geneigter Hut und an dem Gürtel, den er trug war neben einer schlichten ledernen Tasche als einzige Bewaffnung ein Langdolch zu erken-nen, dessen Knauf aus einem Bernstein bestand.

Als er eintrat, verneigte er sich und zog in der gleichen, fließenden Bewegung seinen Hut. "Mein Prinz, Hochwohlgeboren, ich als Ritter und Vertreter des Bundes Garafans habe Euren hehren Ruf vernommen und bin ihm gefolgt, um Euch in den Gefahren, die Euch bevorstehen, zur Seite zu stehen!"