Geschichten:Unter Rabenschwingen – Rabenruf

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Rabenruf

Schweigende Wacht zu Waldfang, Anfang Travia 1035 BF

Atheran legte den Brief zur Seite, seufzend, schweren Herzens. Alara, die ihm gegenübersaß, ließ ihn gewähren; sie hatte während ihrer Zeit im Orden lange schon gelernt, dass Schweigen oftmals mehr Einsicht brachte als schnöde Worte – vielmehr noch, seit sie nach langer Zeit im Akoluthenstand selbst die Weihe Borons erhalten hatte. „Es ist soweit. Der Komtur beruft uns ab. Ich habe es nicht länger verhindern können.“ Er schob ihr den Brief herüber. „Der Orden verlässt die Schweigende Wacht.“ Alara legte eine Hand auf seine Hände, die gefaltet auf dem Tisch des Speiseraums ruhten. „Dann ist es hier nun zuende. Die Baronin, das Volk, selbst Schwester Fernika – sie werden nicht glücklich sein.“ Sie las zu Ende. Alles, was hier verbleiben sollte, war einer der Ordensknechte; der Komtur stelle es dem Landmeister, der bald kein Landmeister mehr sein würde, frei zu entscheiden, wen er zurückließ. Nicht mehr als ein Stützpunkt, eine Ordensherberge gewissermaßen, würde in Waldfang verbleiben, allem was gewesen war zum Trotz. Sie blickte auf und zuckte zusammen, als sie Atheran zusammengefalles Gesicht sah. Teilnahmslos blickte er aus müden Augen auf den, doch es wirkte vielmehr, als starre er durch das Holz hindurch ins Leere. Es schmerzte sie innerlich, ihn so leiden zu sehen; nach den Ereignissen hatte er im Orden neuen Sinn gefunden, und mit der Schweigenden Wacht eine neue Aufgabe. Nun hatte man ihm auch dies genommen. Die Tür öffnete sich. Garrelt Vossk, einer der Knechte, und Jeldan Firnsen, der dritte Ordensritter, kamen herein. Garrelt, dessen Bein seit der Schlacht im Blutmoor steif war, humpelte heran und bemerkte schnell, dass irgendetwas nicht stimmte. „Was ist passiert?“ „Der Komtur zieht uns ab. Wir sind nach Boronia beordert, vorerst. Und zwar umgehend.“ Alara hielt ihm den Brief hin, doch Garrelt lehnte kopschüttelnd ab; auch Jeldan machte keine anstalten, den Brief an sich zu nehmen. Atheran erwachte aus seiner Lethargie. „So sei es denn. Unsere Tage hier sind gezählt, wie wir es seit langem haben kommen sehen. Packen wir also in aller Ruhe unsere Sachen und erledigen, was uns zu erledigen bleibt. Noch drei Nächte hier, dann brechen wir auf.“ „Und wer soll zurückbleiben?“ fragte Alara, und mit einem Kopfnicken deutete sie auf Garrelt. Der jedoch wollte schon zu protestieren ansetzen – schließlich hatte er schon öfter geäußert, dass er mit seinem steifen Bein zwar ein Invalide sei, aber dennoch nicht auf’s Altenteil gehörte – doch eine Handbewegung Atherans ließ ihn verstummen, bevor er zu reden begonnen hatte. „Jesidera soll bleiben. Sie ist jung und unerfahren; ich möchte nicht, dass sie schon an der Front verschlissen wird. Sie ist noch bereit dafür.“ Garrelt nickte zufrieden, und auch die Blicke Alaras und Jeldans versprachen Zustimmung. Atheran erhob sich. „So sei es dann. Ich werde Schwester Fernika unterrichten und danach der Baronin einen letzten Besuch abstatten. Packt also Eure Sachen und verabschiedet Euch im Geiste schon einmal von der Heimat der vergangenen Jahre…“


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5. Tra 1035 BF zur mittäglichen Rahjastunde
Rabenruf
Verlorene Federn


Kapitel 6

Rabenstille
Autor: CD