Geschichten:Die Höhle des Löwen - Begegnung mit dem Unbekannten

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Dramatis Personae


Phex 1031 BF: Es war der Abend des 16. Phex, als Simiona die beiden Kriegerinnen vom Orden des Heiligen Zorns in ihrem Burgpalais empfing. Die beiden Hohen Damen wurden von drei Wachen in den Rittersaal geleitet, in dem bereits ein heimeliges Feuer im Kamin loderte. Einige äußerst bequem anmutende Polstermöbel aus dem Almadanischen luden zum Verweilen und gemütlichen Plaudern ein, auf dem Tisch stand ein Tablett mit verschiedenen Getränken bereit, darunter auch ein Teeservice samt Gebäck und eine Flasche wertvollster Bosparanjer Schaumwein.

Als die Wache die beiden Gäste ankündigte, erhob sich Simiona aus dem Polstersessel und bat sie einzutreten.

Aufmerksam sahen die beiden Kriegerinnen, angetan in ihre besten Ordensröcken, sich um. Als die Comtessa sich erhob und die Wache sie vorließ, traten sie in gemessener Weise näher.

„Aaaah, der angekündigte Besuch ist nun endlisch eingetroffen!“ eröffnete sie überaus freundlich das Gespräch. „‘Seid `erzlisch willkommen im meinem bescheidenen Domizil und fü’lt Eusch ganz wie zu `ause, werte Damen! Mein Name ist Simiona di Silastide-Marvinko, und isch bin die Gema`lin seiner `ochgeboren Nimmgalf von `irschfurten, der zu meinem größten Bedauern `eute leider nischt `ier sein kann, so dass Ihr wo`l mit mir vorlieb ne`men müsst. Doch dies soll `offentlisch kein Problem sein. Und mit wem `abe isch die E`re?“

Mit einer einladenden Geste gebot Simiona den beiden auf den Polstersesseln Platz zu nehmen, was diese schließlich auch taten. Auf einen knappen Wink hin entfernten sich die Wachen und schlossen die Türe. Simiona setzte sich den beiden gegenüber, so dass sie sie genauestens im Blick hatte.

„Vielen Dank für die traviagefällige Aufnahme und den warmen Empfang, Euer Hochgeboren.“ ergriff Aischa das Wort und offenbarte ihren immer noch vorhandenen südländischen Akzent. „Dies ist Seanna Maraghain, Kriegerin unseres Ordens aus Gareth, und ich bin Aischa saba Melin, Wächterin des Ordens auf der Hauptburg des Ordens.“ Mit respektvollem Nicken nahmen die beiden Frauen die angebotenen Sitzgelegenheiten an. Seanna war dabei froh, dass sie sich zum Hinsetzen etwas von der Comtessa abwenden konnte, da ihr der Dialekt der Dame ungewöhnlich komisch vorkam und sie so ihr Lächeln verbergen konnte, bis sie ihre Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte.

Anschließend fuhr Simiona fort: „Nun, es ist ein seltenes Ereignis, dass wir `ier in dieser abgelegenen Region solche `errschaften wie Ihr es seid als Gäste begrüßen dürfen. Des`alb `at misch die Ankündigung Eures Besuches auch einigermaßen überrascht. Dürft isch wo`l erfa’ren werte Damen, ob Ihr lediglisch auf der Durschreise seid – vielleischt ins Greifenfurt’sche - , oder ob Ihr aus konkreterem Anlass nach Lei’enbutt gekommen seid?

Süffisant lächend schlug Simiona die Beine übereinander und nahm einen Schluck Tee aus ihrer Tasse.

„Nun, Hochgeboren, einen wirklich konkreten Anlass gibt es nicht.“ entgegnete erneut Aischa. „Vielleicht habt Ihr schon von unserem Orden gehört. Der Orden des Heiligen Zorns der Göttin Rondra hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Land und vor allem die Menschen zu schützen und ihnen zu helfen. Von Anfang an gab es daher Patrouillen, durchgeführt von den einzelnen Ordenswachten in der Region, für die sie jeweils zuständig waren. Doch gerade nun, nach den schrecklichen Ereignissen des Jahr des Feuers, ist unsere Aufmerksamkeit und Hilfe mehr denn je gefragt. Allein, die Aufgabe ist enorm und die Ressourcen, so muss man sagen, sind es leider nicht. So kam es, dass gerade die Wacht Greifenfeste ihre Aufmerksamkeit erst mal auf das Kerngebiet der Wacht lenken konnte und nun Schritt für Schritt auch wieder andere Gegenden bereist um, sagen wir, nach dem Rechten zu sehen und Hilfe anzubieten, so diese gewünscht wird.“ Aischa beobachtete während ihrer Worte die Comtessa genau, ließ die Worte ein wenig wirken.

Schließlich schloss sie ihre Ausführung mit der Bemerkung: „Gerade die Gebiete nahe an der Wildermark sind durchaus dankbar für die Unterstützung, die der Orden ihnen zukommen lassen kann. Seht unsere Reise hier her also als eine Art Erkundungsreise, wenn Ihr so wollt, und auch als Angebot unserer Hilfe an Euch, Hochgeboren di Silastide-Marvinko, so Ihr ihrer bedürft.“

Simiona lächelte die beiden bittersüß an. „Nun, isch danke Eusch se’r für Euer `ilfsangebot, werte Damen, aber momentan `aben wir die Dinge unter Kontrolle. In der Tat gab es kurz nach den schrecklischen Ereignissen vor etwa vier Ja`ren ein paar `erumstreunde Strolsche, die es zu maßregeln galt, aber wirklisch schlimm ist es `ier nie um uns bestellt gewesen. Die Wachen und Büttel meines Gema’ls sorgen nach wie vor für die Ein`altung der Gesetze und der zwölfgöttlischen Ordnung. Allerdings sind uns `ier Gerüschte zu O’ren gekommen, dass es im Osten, im `artsteenschen wirklisch schlimm sein soll. Angeblisch machen dort übelstes Gelischter und vielleischt sogar mansch ein Dämonenbündler die Gegend unsischer. Isch denke, dass dort Eure `ilfe viel me’r vonnöten sein wird als `ier im friedlischen Waldstein.“

„Nun, Hochgeboren, es freut uns zu hören, dass die Lage hier als ruhig gilt… Dem Herrn Praios wird dies sicher ein Wohlgefallen sein.“ Es gelang Aischa, ihr Misstrauen nicht nach außen dringen zu lassen, doch die Zweifel an den Worten der Frau vor sich waren nicht zu überhören. „Fürwahr gibt es derzeit sicher Regionen im Reiche, die gefährlicher sind als Waldstein. Doch, seht, es ist wichtig, auch solche Regionen so regelmäßig wie möglich zu bereisen, damit sich dort nicht ungesehen eine Gefahr einschleicht, die unbemerkt ihren Einfluss ausbreitet.“ Sie beschloss, den Druck etwas zu erhöhen und fuhr fort: „Wir hörten von Überfällen auf Geweihte der Herdmutter. Könnt Ihr uns dazu etwas sagen?“

Simiona zog eine Augenbraue hoch. „Ein Überfall auf Gewei`te der Göttin Travia? Ìer in Lei`enbutt? Bei den Göttern, davon weiß isch ja überaupt nischts.“ Sie wirkte etwas konsterniert. Dann fasste sie sich wieder und fuhr fort: „Allerdings, es gab `ier vor vielen Ja`ren mal einen schrecklischen Brand im Tempel, bei dem auch Gewei`te ums Leben gekommen sind – der wurde jedoch dursch einen Blitzeinschlag verursacht, so dass man es wohl eher als tragisches Unglück bezeischnen muss. Von wem auch immer I`r solsche Gerüschte ge`ört `abt, vielleischt wollte derjenige die Ereignisse von damals nur etwas überdramatisiseren? Das würde isch zumindest mal vermuten. Wie auch immer, i`r solltet nischt allzu viel auf das Geschwätz des Pöbels geben. Was dursch viele Ohren und Münder ge`t, kann niemals wiedergeben was sisch wirklisch zugetragen `at. Das ist in Waldstein genau so wie überall woanders auch.“

Aischa nickte: „Das mag wohl sein, Hochgeboren, doch ist allein das Gerücht eines solchen Ereignisses Grund genug, besorgt zu sein. Selbst der einfältigste Pöbel bringt den Geweihten der Zwölfgötter im Allgemeinen zu viel Respekt entgegen, um sich Unwahrheiten auszudenken oder ähnliches. Meint Ihr nicht auch?“

Simionas Miene wurde etwas finsterer. „Isch meine, dass da draußen so mansch Wischtigtuer `erumläuft, der mal irgendwas `von irgendwem ge`ört `aben will, und das dann auch nur allzu gerne weitergibt. Und wenn das `äufig genug passiert, fließen da so viele Teilinformationen, Vermutungen und Halb-Wa`r`eiten ein, dass das Gesamtergebnis völlisch verdre`t wird. Was man davon zu `alten `at ste`t ausser Frage. Wie isch schon sagte – es gab `ier keine Überfälle auf Gewei`te.“ Dann kehrte ihr Lächeln zurück. „`aben die Damen noch weitere Fragen?“

„Wie macht Ihr das alles?“, platzte es aus Seanna heraus, die bis zu diesem Zeitpunkt sehr schweigsam in der Runde saß. „Ich meine wie bewerkstelligt Ihr das alles?“ Die Ordenskriegerin hörte sich dabei halb bewundernd und halb ungläubig an. „Nach dem, was wir auf unseren Reisen gehört haben, so weilt Euer Gemahl nicht auf Burg Leihenbutt. Ja, er soll sogar nicht einmal innerhalb der Baronie sich aufhalten. Wie gelingt es Euch die praiosgefällige Ordnung in Leihenbutt aufrecht zu erhalten, ganz alleine und ohne Unterstützung? Das Volk scheint Euch dafür fast zu verehren.“

„Aber natürlisch tut es das!“ lächelte Simiona. „Ist es nicht die oberste Aufgabe eines jeden von Praios befo`lenen Adeligen für das Wohl und den Schutz seiner Untertanen zu sorgen? Ich vertrete meinen Gemahl wä`rend seiner Abwenen`eit in diesen Aufgaben so gut es eben ge`t. Es freut misch zu `ören, dass mein bescheidenes Engagement von meinen Schutzbefo`lenen `onoriert wird.

Und um die Ordnung aufrescht zu er`alten ste´en mir durschaus fä`ige Leute zur Verfügung. Jedoch ist ihr Einsatz nur äußerst selten vonnöten, da es `ier wie bereits erwä`nt se`r ru`ig geworden ist. I`r se`t, meine Damen, es ist alles in bester Ordnung.“

Aischa, die auf die Erläuterung der Comtessa bezüglich der Überfälle lediglich mit einem verhaltenen Nicken reagiert hatte, fügte an: „Wann erwartet Ihr Euren Gemahl denn zurück, werte Comtessa?“

„Oh, mein treuer Gema’l ist derzeit mit seinen vielfältigen Geschäften in Reischsforst beschäftigt und wird so bald sischer nischt `eimke`ren“, antwortete sie etwas betrübt. „Umso größer ist da die Wiederse`ensfreude, wenn er doch noch seinen Weg nach `ause findet. Isch `offe nur, dass isch in seiner Abwesen`eit seine Aufgaben zu seiner vollsten Zufrieden‘eit erfüllen konnte.“ Dabei huschte ein vielsagendes Lächeln über ihr Gesicht.

Für einen kurzen Moment schaute Seanna Aischa überrascht an, bevor sie sich wieder im Griff hatte. Nach allem was die Wächterin ihr vom Baron, dessen Verhalten und dessen Augen erzählt hatte, war Simiona entweder absolut dumm und sie würde wirklich glauben, dass ihr Mann noch zu ihr stand – und diesen Eindruck machte sie bei weitem nicht – oder dies war eben eine glatte Lüge. ‚Treuer Gemahl‘? ‚Wiedersehensfreude? Pah… Seanna hatte eher damit gerechnet, dass die Comtessa ihren Mann verfluchen und alle Schuld und Schlechtes der Welt im Zulasten würde, was sie auch eher bereit gewesen wäre zu glauben. Oder wollte die Comtessa – aus einem Gefühl der Scham heraus – verschweigen, dass ihr Gatte sie verlassen und sogar gegen sie gestellt hatte? Hatte sie vielleicht noch Hoffnung, dass er wirklich wieder eines Tages zu ihr zurück gelangen würde? Ihr harter Gesichtsausdruck glättete sich wieder etwas und wurde durch Mitgefühl ersetzt. Was musste sie alles erlebt haben, wie musste die Comtessa erniedrigt worden sein, dass sie sich so verhielt und dennoch die Ordnung in diesen Landen aufrecht zu erhalten versuchte? Zum Glück standen ihr Verbündete zur Seite. Verbündete, fragte sich Seanna im Stillen, eventuell wären auch diese eines Tages für den Orden hilfreich, und wenn nicht würden sie zumindest nicht mit leeren Händen nach Schwertwacht zurückkommen.

„Ihr könnt Euch glücklich schätzen, so Ihr treue Verbündete Euer Eigen nennen könnt Comtessa. Könnt Ihr uns Ihnen vorstellen? Denn seht, unser Orden mag bekannt sein und doch haben auch wir in den vergangenen Kämpfen und Schlachten unseren Blutzoll geleistet, so dass es hilfreich ist, wenn wir wissen wo wir fähige Verbündete ansprechen können.“

„Verbündete? Nun Bedienstete wäre vielleischt passender!“ lächelte sie. „Isch kann Eusch gerne mit meinen Burgweibeln bekannt machen – so I’r dies wünscht. Jedoch ist der `auptmann derzeit nsicht vor Ort, und isch erwarte i’n auch nischt vor drei Tagen zurück. Vielleischt sollten wir die Bekanntmachung auf ein andermal verschieben.“ Sie trank den Rest aus ihrem Glas und stellte es ab. Dann erhob sie sich. „Meine Damen, wenn das alles ist, würde isch misch nun gerne zurückzie’en, da isch misch etwas schwach fü’le. Meine Bediensteten werden Eusch zum Ausgang geleiten.“ Sie rief nach ihren Wachen. „Die Zwölfe mit Eusch, Hohe Damen, und viel Glück noch auf Eurer weiteren Reise.“