Geschichten:Der Liebe wegen – Wissen oder Spekulation

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Peraine-Tempel zu Rallingen, 24. Ingerimm 1044 BF

Am nächsten Morgen erschien Perainidane nicht zum gemeinsamen Frühmahl und auch am gemeinsamen Gebet zur Perainestunde nahm sie nicht teil. Dafür sah ich Minna. Die Novizin stolzierte mit hoch erhobenen Haupt herum, ein feines, aber recht vielsagendes Lächeln auf den Lippen. Danach half ich bei der Pflege des Gartens, wobei ein jeder sich in der ärgsten Hitze des Mittags in den kühlen Tempel oder in den Schatten eines der Bäume zurückzog. Ich setzte mich in die Nähe des Brunnens. Irgendwann gesellte sich Minna zu mir.

„Was hat es mit diesen Marbonien auf sich?“, wollte ich von ihr wissen, „Warum will Perainidane sie hier haben? Bis auf den Schutz vor Untoten scheinen sie doch keine Wirkung zu haben, oder nicht?“

„Sie will sie genaugenommen nicht hier im Tempel haben“, erwiderte sie da knapp.

„Wo... wo denn dann?“

Sie seufzte, leckte sich über die Lippen: „Vielleicht, Lindegard, auf den Gräbern der jüngst Verstorbenen?“

„Du... Du meinst doch nicht etwa auf den Gräbern... den Gräbern ihrer Familienangehörigen?“

Nun schluckte sie schwer, dann nicke sie jedoch unfassbar langsam.

„Aber warum...“, stammelte ich und fühlte augenblicklich wie sich eine schmerzhafte Gänsehaut über meinen gesamten Körper ausbreitete, „...warum... warum sollten sie wiederkehren? Sie wurden doch borongefällig bestattet und ganz sicher sind ihre Seelen bereits schon längst auf Golgari über das Nirgendmeer gereist um in eines der zwölfgöttlichen Paradiese Einzug zu halten.“

Da blickte sie mich an. Sie blickte mir direkt in die Augen und schüttelte den Kopf.

„Sie waren...“, mich fröstelte, „... Paktierer?“

Minna zuckte mit den Schultern, dann senkte sie ihren Blick. „Ihrer Schwester haben Zehen gefehlt“, raunte sie mir leise zu, „Ich habe es selbst gesehen. Die Wunden müssen gut versorgt worden sein. Ein Versehen oder Unfall war das ganz sicher nicht. Es schien ein sauberer Schnitt.“ Und als müsste sie ihre Worten noch mehr Nachdruck verleihen, nickte sie bekräftigend. „Und ja, sie fürchtet jetzt, dass ihre Schwester, ihr Oheim und sogar ihr Vater aus dem Grabe steigen könnten. Es war schon entsetzlich genug, dass sie sie verlieren musste. Wie glaubst Du aber ist es, wenn sie wieder zurückkehren?“

Würgend wandte ich ich von ihr ab: „Das ist doch einfach... einfach... unfassbar! Ist es denn sicher? Das mit den Namenlosen?“

„Was ist schon sicher?“, sie zuckte mit den Schultern, „Sicher ist doch im Augenblick lediglich, dass auch wir irgendwann sterben werden, nicht wahr?“ Einen Moment hielt sie inne. „Darüber hinaus sorgt sich Perainidane natürlich über die Gemahlin Baron Dregos vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass keiner von uns sagen kann, ob oder wie weit auch Perainidanes Mutter und Tante in den Kreis der Verdammnis hineingeraten sind. Im Augenblick jedoch, nach dem Tod von ihren Gatten scheinen alle beide zu allem fähig und mehr noch auch willig zu allem fähig sein zu wollen. Jemand sollte die Baronin aus ihren Fängen befreien.“

Burg Rallingstein soll uneinnehmbar sein.“

„Gegen eine Bedrohung von außen vielleicht, aber auch gegen eine von innen?“

Verdutzt schaute ich sie an.

„Es soll Erdhöhlen hier geben“, erklärte sie, „Sie sollen uralt und dazu äußerst gut erhalten sein. Sie zu finden ist eine Kunst, ihre Eingänge sind oft durch die vielen Götterläufe zugeschüttet oder zugewuchert. Wozu sie genau gedient haben, weiß keiner so genau. Es ist heute auch nicht wichtig. Und wäre es nicht möglich, dass eine von ihnen direkt in die Burg führt? Sagen wir... als möglicher Fluchttunnel... vielleicht direkt in die Kapelle? Und sie endet... hm... direkt unter dem Schrein von... hm... genau Xeledon, dem Spötter? Wäre das nicht passend?“

„Sie haben einen... einen Xeledon-Schrein?“, wollte ich wissen.

Lächelnd zuckte sie mit den Schultern.

„Ist das Wissen oder Spekulation?“

„Sowohl das eine“, ein vielsagendes Lächeln legte sich über ihre Lippen, „als auch das andere.“


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24. Ing 1044 BF am Mittag
Wissen oder Spekulation
Vertraute


Kapitel 6

Pflicht
Autor: Orknase