Geschichten:Berndrich und Lechmin - Kloster oder Schwert

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Traviakloster zu Hutt, Tsa 1044 BF

Es war noch recht früh am Vormittag, als Rosshilde von Ibelstein, die erste Hausritterin des Grafen von Hartsteen, in vertraulicher Mission das Kloster unserer Lieben Frauen Travia zu Hutt erreichte und nach einem Gespräch bei der Äbtissin den von im letzten Jahr entlang der Ringmauer neu errichteten einfachen Hütten umstandenen äußeren Klosterhof betrat. Der Graf Odilbert von Hartsteen höchstselbst hatte die Ritterin am Morgen instruiert und mit der delikaten Aufgabe auf den Weg geschickt. Und auch wenn sich der Ibelstein der Sinn des Ganzen nicht so recht erschloss, war sie nicht die Person, die gräfliche Anweisungen infrage stellte.

„Wo finde ich den Knecht Berndrich?“, erkundigte sie sich bei einer gerade vorbei laufenden Magd.

„Dort drüben, hohe Herrin. Er hackt Holz“, deutete das Mädchen scheu in eine Hofecke, aus der in regelmäßigen Abständen das Geräusch berstenden Holzes herüber drang und wo ein bärtiger Mann in einfacher Arbeitskleidung – weder zu schnell noch zu langsam – große Holzstücke auf den Hackklotz hob, um sie dann systematisch mit einer Axt in kleinere Scheite zu spalten. Dem Haufen zu seiner Linken nach war er damit offenbar schon eine ganze Weile beschäftigt.

„Danke“, langsam stapfte die Hausritterin näher, um in Ruhe den Gemahl ihrer Base zu betrachten, der da mit vor Anstrengung gerötetem bärtigen Gesicht und hochgekrempelten Wamsärmeln ganz und gar in seine niedere Tätigkeit vertieft war.

„Zum Gruße, Berndrich – von Katterquell“, sprach sie ihn schließlich an und der solcherart Angesprochene zuckte geradezu zusammen, als er unverhofft seinen vollen Namen hörte, und fuhr mit schlagbereiter Axt herum.

Die Ibelstein jedoch trat nur einen Schritt zurück und meinte trocken: „Vorsicht, Ihr habt da etwas Scharfes in der Hand!“

Berndrich wog angesichts der geharnischten Dame das Werkzeug für einen Moment wie prüfend in seinen schwieligen Händen. Doch als er sie erkannte, nickte er ihr zu und schlug die Axt kraftvoll in den Hackklotz: „Rosshilde von Ibelstein. Woher wisst Ihr...?“

„Die Äbtissin hat den Grafen informiert“, gab sie in ihrer kurzen, direkten Art zur Antwort.

„Hat sie, ja?“, brummte Berndrich.

„Sie dachte, dass es an der Zeit wäre, dass Ihr Euch auch vor einem derischen Gericht für Eure Taten verantwortet und man über Euer Schicksal befindet“, erklärte die Hausritterin, „Zusammen mit dem Rest Eurer Sippe.“

„Sie sind also gefasst“, stellte der Katterqueller daraufhin mehr fest als das er fragte, doch war nicht auszumachen, ob er darüber froh oder traurig war.

„In der Tat. Lang genug hat es ja gedauert. Und, wie ich höre, auch dank Eurer Hinweise.“

„Ich nehme an, ihr werdet mich jetzt ebenfalls in den Kerker oder gleich zum Richtplatz bringen?“

„Nein“, die Ibelstein schüttelte energisch den Kopf, „Graf Odilbert respektiert die Gepflogenheiten eines geweihten Ortes. Auf dem Boden des Klosters entscheidet Ihre Hochwürden von Luring und die gewährt Euch den klösterlichen Schutz. Ihr könntet also den Rest Eures Lebens hier bei Knechtsdienst und Gebet um Euer Seelenheil und das Eurer Opfer verbringen. Seid aber gewarnt: Sobald Ihr den Bereich dieser Stätte verlasst, verliert ihr die Immunität und ich versichere Euch, Euer Leben wäre nach der Strenge des Gesetzes verwirkt.“

„Warum seid Ihr dann gekommen?“

Lechmin hat sich für Euch eingesetzt – und Hochwürden von Luring ist überzeugt von Eurer aufrichtigen Reue und Buße, sowie der zwischen Eurer Gemahlin und Euch wirkenden Kraft der Gütigen Herrin. Graf Odilbert ist nach dem Erfolg gegen die übrigen Feidewalder Raubritter in seiner Gnade geneigt, Euch die gebührende Strafe zu erlassen – unter gewissen Bedingungen.“

„Ich bin ganz Ohr“, verschränkte der Katterqueller zurückhaltend die Arme vor der Brust.

„Ihr verzichtet auf alle derischen Besitzansprüche und werdet zum Werkzeug der Gerechtigkeit. Brecht vollständig mit Euren unseligen Verwandten und vollzieht zum Zeichen Eurer Abkehr persönlich an ihnen das Urteil; An ihnen – und an allen anderen Übeltätern, die Euch in Zukunft zur Wiederherstellung von Frieden und Ordnung überantwortet werden.“

„Der Graf will, dass ich fürderhin als ehrloser Scharfrichter diene?“, entfuhr es Berndrich.

Doch der Einwand entlockte der Ritterin nur ein verächtliches Schnauben: „Meint Ihr im Ernst, Ihr könntet Eure Ehre jemals wieder herstellen?“

Für einen Moment sah es aus, als wollte er etwas antworten, doch dann schloss er wieder den Mund, als Rosshilde weiter redete: „Vielleicht tröstet es Euch, wenn Ihr wisst, dass Graf Odilbert Eurer Gemahlin das vakante Gut Katterquell zu Lehen gegeben hat. Ihr könntet also fürderhin frei auf dem Gut Eurer Vorfahren leben, wenn man Eurer Dienste nicht bedarf.“

„Verstehe. Es gilt also zu entscheiden – Kloster oder Schwert...“

„Ganz recht. Und immerhin bleibt Euch eine Wahl.“

„Habt Ihr mit Lechmin darüber gesprochen?“

Die gräfliche Ritterin schüttelte den Kopf: „Dafür war keine Zeit. Der Graf erwartet meine Meldung bis zur Praiosstunde. Was also soll ich seiner Hochwohlgeboren ausrichten?“

„Nunja...“, Berndrich zögerte. Vom Tempel mit dem provisorisch wieder hergestellten Dach her drangen leise Fetzen des liturgischen Gesangs herüber, während zugleich der durchdringende Duft von Kohlsuppe aus der Armenküche heranwehte. Suchend sah er sich um, bis sein Blick an dem Hackklotz hängen blieb.

„Sagt dem Grafen“, sagte er schließlich, „Ich wähle das Schwert.“