Geschichten:Barbenwehr in neuer Hand - Tante Doranthe

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Aranisch-Perricumsche Grenze nahe der Waldburg, Hesinde 1040 BF

Die Obristin hatte sich von ihren Leuten entfernt und sich geschickt durch das Hartlaubgebüsch geschlängelt. Sie konnte die Reiter jetzt nicht mehr hören und sehen schon gar nicht. Trotz ihrer Wendigkeit blieb sie mit dem Ärmel an einem Busch mit stacheligen Blätter hängen, der vielleicht Lorbeeren getragen hatte. Die Zwickenfell fluchte lästerlich, aber leise. Die Ernennung zur Obristin der Grenzreiter mit dem Auftrag, das Regimen auf Sollstärke zu bringen, entsprach nicht ganz ihrer Vorstellung davon, wie man eine ruhige Kugel schiebt. Sie befingerte kurz das Dreiangel in ihrem Ärmel, ärgerte sich aber nur kurz, denn dann fiel ihr ein: Als Obristin hatte sie Ordonnanz, und die sollte sich um den verdammten Flicken kümmern, dreckskameldungnocheins!

Die Zwickenfell widmete sich jetzt wieder ihrer Umgebung. das vereinbarte erste Zeichen hatte vorn am Wasserloch gehangen, das zweite fand sich hier. Kurz darauf näherte sie sich einem schattigen Hain. Es war warm und sonnig – die Menschen des Nordens machen sich nie eine Vorstellung davon, wie warm es hier selbst im Boron noch werden kann, wenn die Sonne die ganze Woche geschienen hat und der Wind den trockenen Sand der Gor herüberwehte.

Im Schatten überhängender Zedern wartete Uriel von Zwickenfell auf sie, Schande ihres Namens, missratener Gatte ihrer minderbemittelten Nichte, Spross einer miesen Krämersippe, Mörder des Reichsvogtes Sturmfels und als ehemaliger Sekretär auf Barbenwehr so etwa der einzige Mann auf der ganzen Festung, mit dem die Zwickenfell auch mal hatte dreckig lachen können. Warzenscheißschweinerei!

»Uriel, Pestbeule unter der Haube meines Namens, hier bin ich«, grüßte sie den Wartenden, der breit grinste. Fröhlich war der Sack – keine Frage!

»Tantchen, der Götter Segen auf dein liebes H…«

»Untersteh dich, auch nur eines meiner Körperteile zu nennen, Lumpenwicht!«, unterbrach die Zwickenfell den Mann, setzte sich dabei ächzend und umständlich in den Schatten und prokelte einen Wasserschlauch hervor. Ungeduldig zerrte sie an dem Riemen, der ihr über der Schulter gehangen und sich nun mit dem Wehrgehänge, dem leichten Rucksack und dem Staubtuch verwickelt hatte. Wenn man die Ausrüstungsliste las, dann gehörte das alle problemlos zusammen, aber wenn man das Zeug am, Leib trug, brauchte man schon die Fingerfertigkeit eines Garether Taschendiebs, um unfallfrei an das Gewünschte zu kommen. »Affenpisswasser!«, fluchte die Zwickenfell und trank ein paar Schlücke.

»Ich habe hier auch noch Wasser, Tante, du musst also keine Wüstentricks anwenden. Nicht? Gut, kommen wir zur Sache. Hast du meine Sachen dabei?« Uriel hatte sich zu seiner Tante gesetzt und trank seinerseits aus einem Metallfäschchen, dessen Inhalt so kalt war, dass sich außen Kondenswasser bildete.

»Ja, hier sind die Dokumente. Die offiziellen Sachen habe ich alle rausgenommen. Auch alles, was du vielleicht an den Feind verhökern könntest. Nur persönlicher Kram also. Hab’s alles gelesen. Du hast eine Schrift wie eine Koramsbestie! Und hast du wirklich die kleine Geyersruh gebumst?« Die Zwickenfell schob ein Bündel rüber, holte dann eine abgebissene Pfeife heraus und begann daran zu nuckeln. Uriel sah die Sachen kurz durch und antwortete geistesabwesend: »Nur einmal. Die stand mehr auf Streitzig, ich konnte ihr nichts bieten.«

»Apropos: Hast du, was du mir bieten wolltest?«, grätschte die Zwickenfell unfreundlich dazwischen.

Uriel blickte auf: »Natürlich, Tante. Ich bin darauf angewiesen, dass du mir vertraust und mit meinen Diensten zufrieden bist. Sonst wird’s ungemütlich.«

»Wie wahr. Wie wahr. Ich will auch hiernach nichts mehr mit dir zu tun haben«

Uirel hielt kurz inne, fuhr aber dann fort: »Hier sind die Berichte über die Neuigkeiten aus Brendiltal – alles aus erster Hand, versteht sich. Hier hast du alles über Barnhelm von Darrenfurt – er und ich werden leider nie Freunde werden – sowie über die Mada Basari, soweit mein Gewährsmann bescheid wusste.«

Die Zwickenfell sah sich das Material kurz an und biss dabei konzentriert auf den Pfeifenstumpf. »Was verkaufst du den anderen?«

»Welchen anderen?«, fragte Uriel mit gespielter Unschuld. »Nichts Wichtiges, versteht sich.« Er grinste wölfisch, und die Zwickenfell rief sich erneut ins Gedächtnis, dass sie dem Dreckskerl nicht trauen durfte.

»Aber eine Information gebe ich dir ganz kostenfrei, Tantchen: Die neue Reichsvögtin, die man euch da vorgesetzt hat, ist ein durchtriebenes Luder. Schade eigentlich, dass ich sie nicht aus nächster Nähe bei der Arbeit beobachten kann. Sie hat die Gaulsfurt sofort entfernen lassen und stattdessen den Langweiler Siegerein kommen lassen.«

»Quatsch, den habe ich bestellt!«, unterbrach die Zwickenfell.

»Nö, haste nicht. Siehste, wie durchtrieben sie ist? Du hast bestimmt eine kurze Liste mit Namen bekommen, oder? Siehste. Die hat sie frisieren lassen. Wie sie das macht? Sie hat die allerbesten Kontakte in die Garether Verwaltung. Soweit ich weiß, hat sie dem Luringer Frettchen den Dolch an die Kehle gesetzt und sich diesen hübschen Posten hier gewünscht. Den halben Hoftstaat wird sie austauschen und nur Familie mitbringen – neue Burgvögtin, neue Kämmerin, neuer Hofmagier etc. Die Nebachoten werden sich ganz schön umgucken. Und du auch.«

»Ich? Was geht mich die Reichsvögtin an? Ich kommandiere die Sieben Waisen und bin bei den Soldaten. Ende Gelände.«

»Damit unterschätzt du ganz erheblich, was sich für dich ändern wird, Tantchen. Die neue wird nicht nur den Hofstaat umkrempeln: Die will Politik machen. Und zwar raulsche Politik. Und Politik ist ein dreckiges Geschäft.«

»Du vergisst, dass ich im Krieg war. Ich kenne mich also aus mit dreckigen Geschäften«, widersprach die Zwickenfell.

Uriel schüttelte langsam und ernst den Kopf: »Du hast keine Ahnung, Tante Doranthe. Krieg ist etwas sehr Sauberes im Vergleich zur Politik. Die neue hat ihren Vater ans Messer geliefert und darauf bestanden, dass man ihr die Schreckhaupt ausliefert, damit sie ihren Einstand auf Barbenwehr mit einer Hinrichtung geben kann. Glaubst du, das war Zufall?«

Die Zwickenfell ging nachdenklich zu ihrer Truppe zurück. Die Neue hatte ihr eigentlich ganz gut gefallen – fröhlich, jung und vernascht. Sollte sie sich so täuschen?



 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Perricum.svg   Wappen Baronie Duersten-Darrenfurt.svg   Wappen Herrschaft Singenwall.png  
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20. Hes 1040 BF zur mittäglichen Rahjastunde
Tante Doranthe
Ich bin die Herrin auf Barbenwehr


Kapitel 6

Autor: BB