Geschichten:Audienz bei Luidor von Hartsteen

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Burg Oberhartsteen, Audienz bei Luidor von Hartsteen im Tsa 1029 BF


"Bitte folgt mir, Edler Herr von Fuchsbach, Seine Hochwohlgeboren Luidor von Hartsteen ist bereit Euch zu empfangen!" Der Diener, wie alle Gefolgsleute von Helmars Gastgeber, trug die grün-silbernen Farben der Grafschaft Hartsteen zusammen mit dem Familienwappen des Hauses Hartsteen, dem nach oben geöffneten Kelch der Mada.

Helmar und seine Begleiter waren tatsächlich bereits schon vor der trutzigen Burg Oberhartsteen empfangen worden. Ein Reiter hatte die kleine Reisegruppe durch die verwinkelten Gässchen des kleinen Ortes Oberhartsteen geführt hinauf zur Burg. Dort wurden sie durch einen Bediensteten des Burgherren begrüßt nach ihrem Begehr gefragt. Allein die Vorstellung Helmars reichte aus, dass der Bedienstete geflissen nickte und entgegnete, Seine Hochwohlgeboren würde sie erwarten.

Die Pferde wurden von den Bediensteten Luidors in Empfang genommen und in die Ställe geführt mit dem Versprechen, man würde sich besonders aufmerksam dem Wohl der Tiere widmen. Die fünf Reisenden wurden sodann in den Palas geführt, wo für den Vogt von Neufelden ein Gästezimmer bereitet worden war, für die anderen vier Begleiter ein Gemeinschaftsschlafraum. Warmes Wasser und trockene Tücher, sowie verschiedene Speisen und Getränke, wurden ihnen für die körperliche Erfrischung gereicht. Der Graf selber, so wurde Helmar mitgeteilt, würde ihn sobald wie möglich empfangen. Allerdings könne er sich in aller Ruhe vorbereiten und erfrischen, derzeit hätte Seine Hochwohlgeboren noch andere Geschäfte zu erledigen.

Und so dauerte es auch geraume Zeit bis Helmar zu seinem Gastgeber vorgelassen wurde. Helmar betrat ein reichverziertes Arbeitszimmer, in welchem Luidor von Hartsteen an einem großen, über und über mit Pergamenten und Papieren versehenen Arbeitstisch vor ihm saß. Die Wände waren mit feinen Teppichen geschmückt, von denen jeder einzelne offensichtlich ein kleines Vermögen wert war. Auf einen kurzen Blick konnte Helmar sehen, dass es wohl uralte Erbstücke der Familie Hartsteen waren, aus einer Zeit, als das Haus Hartsteen noch unangefochten über die Grafschaft Hartsteen regiert hatte und sich den Familienspruch "Lieber unter den Grafen die Ersten als unter den Fürsten die Letzten" leisten konnte. Und auch sonst wehte Helmar die Geschichte der Grafschaft Hartsteen aus diesem Raum an. Alte Silberhandwerkskunst aus den Zwercher Silberminen (die Baronie Zwerch, so erinnerte sich Helmar, gehörte bis zur Herauslösung zur Grafschaft derer von Hartsteen) und Bronzearbeiten aus dem Raschtulswall (der Südgrenze der Grafschaft bis zu den Zeiten Rohals, der den Schlund aus Hartsteen herauslöste) standen fein drappiert im Raum herum.

Helmar war kaum in das Arbeitszimmer eingetreten und mit den Worten: "Euer Hochwohlgeboren, darf ich Euch vorstellen, Seine Wohlgeboren Helmar Trautmann von Fuchsbach, Vogt von Neufelden" eingeführt worden, als sich Luidor von Hartsteen, ein hochgewachsener Mann Mitte fünfzig, auch auf ihn zubewegte und ihm freundlich die Hand gab.

"Es ist mir eine ausgesprochene Freunde, Euch auf Burg Oberhartsteen im Namen des Fürsten über alle Götter begrüßen zu dürfen! Ich hoffe, dass man Euch in meinem Haus der Heiligen Mutter gerecht bewirtet hat und Ihr Euch über nichts beklagen müsst. Auch ist es mir eine besondere Freude, dass Ihr trotz der grimmen Kälte einen solch beschwerlichen Weg auf Euch genommen habt und mir Euer Anliegen persönlich vorzubringen wünscht. Doch bevor wir darüber reden, bitte erzählt, was es Neues aus den darpatischen Landen, die in dieser Zeit so schwere Prüfungen erdulden müssen, zu berichten gibt."

Helmar war doch etwas irritiert von der leutseligen Art, mit der ihn der Herr von Hartsteen begrüßte. Nach allem, was er von dem Mann gehört hatte, machte Luidor normalerweise seine uralte Abstammung gegenüber anderen Standesgenossen und noch mehr gegenüber Rangniederen auf deutliche und augenscheinliche Art und Weise deutlich. Dazu gehörten die Wartezeit, bis Helmar vorgelassen wurde und auch die Ausschmückung des Empfangsraumes. Die Geste der Handreichung aber gehörte mit Sicherheit nicht dazu. Dennoch nahm Helmar die dargebotene Rechte.

„Und mir ist es eine große Ehre, hier von Euch empfangen zu werden und ich danke Euch, dass Ihr mir Eure sicherlich kostbare Zeit zu widmen bereit seid. Die von Euch zur Verfügung gestellten Quartiere sind dergestalt, dass es in keiner Weise einen Grund gäbe, über irgendetwas Klage zu führen. Dies ist mehr als genug Entschädigung für die Reise, welche hinter mir liegt, wobei die Kälte wohl den ärgsten Feind darstellte, wofür ich Cordovan, dem Cancellarius der Traviamark, und Euch für Eure Tüchtigkeit Lob spenden muss. Es treibt sich immer noch viel Gesindel herum, aber wir haben nicht mal dessen Spuren unterwegs zu Gesicht bekommen. Zumindest dieses Land ist wieder sicher. Das ist jenseits des Darpat ein wenig anders. Frieden ist in Neuborn noch nicht wirklich eingekehrt: große Teile der Baronie vor allem im Rommilyser Umland sind geplündert und gebrandschatzt worden, die Menschen dort geflohen oder umgekommen und es ist mühsam, die Ordnung wieder aufzurichten. Die Rotten der Thyria von Mersingen treiben ihr Unwesen im östlichen Neuborn und weder Vogt Sigiswild von Sturmfels zu Neuborn noch die Ritter vom Mahnerorden haben daran bisher etwas ändern können. Auf dem Weg hierher gastierte ich in Rommilys. Die Stadt ist sogar in dieser Jahreszeit eine einzige Baustelle. Zumindest die Viertel innerhalb der Stadtmauern dürften bald wieder hergerichtet sein, wenngleich die neuen Gebäude kaum so prächtig ausfallen werden, wie jene vor dem Einfall der Dämonenanbeter. Dennoch kann ich meinen Vetter Mainulf von Firunslicht nur zu seinem Geschick beglückwünschen, mit der er den Wiederaufbau der Stadt organisiert. So schlecht wie sie von manchem dargestellt wird, ist die Herrschaft des Heiligen Paares nun auch wieder nicht, wenngleich mir einleuchtet, warum bestimmte Leute das Gegenteil über die Kirche der Travia behaupten. Die Leute in Rommilys haben genug zu essen und ein Dach über dem Kopf, um nicht zu verhungern oder zu erfrieren. Und es herrscht Ruhe in der Stadt, dafür sorgen die Gänseritter. Ihr seht, es gibt Gutes und Schlechtes zu berichten aus dem Land der Travia. Aber damit es bald mehr Gutes zu berichten gebe, bin ich hier, um mit Euch in persona darüber zu beraten und, so es den Zwölfen gefällt, zu einem sowohl für Euch als auch für mich genehmen Ergebnis zu kommen. Wie Ihr mir bereits schriebt, existierte einst eine Unternehmung zur Querung des Darpat an jener Stelle zwischen dem Hartsteenschen Hausen und dem Neubornschen Hinterbusch, das jedoch schon vor langer Zeit aus gewissen Gründen scheiterte. Da ich hoffe, dass diese Gründe weder für Euch noch für mich in irgendeiner Form noch Relevanz haben, möchte ich mit meinem Ansinnen an Euch herantreten, diese Unternehmung wieder aufzunehmen und zwischen den besagten Orten eine Fährverbindung einzurichten. Wichtige Beratungspunkte wären meiner Ansicht nach diese: Wer beschafft und unterhält das Fährschiff? Wer stellt die Fährleute an und besoldet sie? Wie hoch sollte Eurer Meinung nach die Fährgebühr sein? Wie würdet Ihr diese und anfallende Zollgebühren aufteilen?“

Helmar hielt nach dieser Rede inne und lauschte der Antwort.

Luidor, der inzwischen seinem Gast aufmerksam zuhörend einen gepolsterten Stuhl an seinem Schreibtisch angeboten hatte und selber auf der anderen Seite in seinem Sessel Platz genommen hatte, nickte: "Tatsächlich sind dies wohl die wichtigsten organisatiorischen Fragen, die zu klären allen anderen Fragen Priorität besitzen. Erlaubt aber zuvor noch einige andere kleinere Fragen zu besprechen. Auch wenn ich Euch ja schon sagte, dass die Fährverbindung nach Hausen bereits vor Jahrhunderten ein gewichtiges Thema war, so heißt dies allein natürlich noch nicht, dass sie auch heute noch von irgendeiner Bedeutung sein muss. Um ein Unternehmen solcher Tragweite planen und beginnen zu können, ist es unerläßlich die Fragen nach Oekonomie zu besprechen. Das umreißt ad primo die Frage nach dem zu erwarteten Aufkommen, also in welchem Rahmen sich der zu erwartende Fährverkehr bewegen soll. Denn Ihr wisst ja selbst, dass einem schlecht geplanten Vorhaben die Götter, allen voran der listige Bruder des ehrhabenen Götterfürsten selber, nicht Hold sind. Auch stellt sich ad secundo die Gefahr, ob die Mark Rommilys, deren Zollgelder auf diese Weise zu verringern wir Gefahr laufen, dem Vorhaben nicht geneiget sei. Ich möchte nur ungern dem heiligen Paar in die Parade fahren, zumal Ihr ja gerade selber von den horrenden Kosten der Renovation der Stadtmauern und der umliegenden Gebäude berichtetet. Ich hoffe demnach, dass Euch von Rommilys eine Approbation vorliegt. Auch darf natürlich ein Unterfangen dieses Ausmaßes nicht an dem Lehensinhaber vorübergehen, so dass ich ad tertio hoffe, eine gemäße Approbation liegt auch von Seiten seiner Hochgeboren von Neuborn vorliegt. Weiterhin daran anschließend ad quarto die Frage, gemäß welchen Proporzes zu erwartende Einnahmen an die Beteiligten und Lehnsherren zu verteilen sein werden. Wegen dieser Frage stehe ich selbst noch mit Wandleth in Verhandlungen, kann aber wegen der mangelnden Konkretisierung des Vorhabens noch keine Ergebnisse an das ehrwürdige Väterchen weitergeben. Ihr seht, vor der konkreten Planung stehen noch ein paar unerhebliche Widerlichkeiten zur Beseitigung an."

Helmar setzte sich Luidor gegenüber in den angebotenen Sessel und nickte zu dessen Worten: „Natürlich haben Eure Fragen ihre Berechtigung, daran besteht kein Zweifel, aber ich hoffe, etwaige Bedenken gegen diese Unternehmung als wenig stichhaltig erweisen und zerstreuen zu können. Zu Eurer ersten Frage lässt sich antworten, dass mit der Fähre vor allem der Verkehr aus dem Perricumschen gen Rommilys und umgekehrt angezogen werden soll, der durch die Flussquerung einen vollen Reisetag einsparen kann. Dieser Verkehr ist nicht unwesentlich, aber das dürftet Ihr ebenso gut wissen wie ich. Das kann natürlich nur geschehen, wenn die zu erhebenden Gebühren nicht höher ausfallen als die Kosten für die längere Reisedauer entlang der Reichsstraße. Die zweite Frage habe ich bereits mit dem Kanzler der Traviamark Cordovan von Rabenmund besprochen und sein placet erhalten. Aber damit bin auch bei dem dritten Punkte angelangt. Der Traviakirche als Herrin der Mark gehen keine Einnahmen durch diese gewisse Umleitung des Handelsverkehrs verloren, befindet sich doch die von mir verwaltete Vogtei Neufelden in Neuborn direkt unter der Hoheit der Markherrschaft. Auch Vogt Sigiswild von Sturmfels in Vertretung für ihre Hochgeboren, die noch minderjährigen und im fernen Almada weilenden Janore von Rabenmund-Streitzig, zeigte sich durchaus nicht abgeneigt. Kann doch der zu erwartende Verkehr nur dazu beitragen, die Folgen des Krieges schneller verschwinden zu lassen. Eure vierte Frage hingegen ist bereits Teil der zu behandelnden Fragen, welche ich eingangs bereits erwähnte. Die Herrschaften in Rommilys verlangen grundsätzlich zwei Fünftel der Einnahmen und wir müssten uns über die restlichen drei Fünftel einigen. Da Euer Graf ja keinerlei Kosten zu tragen hat, denke ich, wäre je ein Fünftel der Einnahmen für Seine Hochwohlgeboren, Euch und mich ein durchaus annehmbarer Proporz. Zumal ich dafür sorgen könnte, dass die Herrschaft in Rommilys ihren Beitrag zur Erhaltung des Fährbetriebs leistet.“

Während Helmar seine Punkte vortrug, machte sich sein Gastgeber einige Notizen und nickte Helmar zustimmend bei seinen letzten Ausführungen zu. "Was Ihr vortragt, Wohlgeboren, klingt sehr interessant und habe tatsächlich nun einen wesentlich besseren Überblick über Euren Vorschlag. Sicherlich werdet Ihr aber verstehen, dass ich, bevor von Unserer Seite ein Vertrag dieser Tragweite ausgehandelt werden kann, dem alten Väterchen einen getreuen Bericht werde zukommen lassen müssen. Denn schließlich handelt es sich dabei ebenfalls um die Einrichtung einer neuen Grenzstation in die Traviamark. Ich werde dem Grafen aber sicherlich getreulichen Bericht leisten und ihm durchaus zuraten dieses Unternehmen zu wagen, denn sollte sich der Handelsverkehr tatsächlich über Neufelden-Hausen verschieben, dann hätte dies neben allem Risiko auch viele positive Möglichkeiten für die Grafschaft und deren Hauptstadt."

Während seiner Worte war das Oberhaupt der Familie Hartsteen aus seinem Lehnsessel aufgestiegen und machte deutliche Zeichen, dass damit die Audienz wohl zu ihrem Ende gekommen sei. So erhob sich auch Helmar und ließ sich von Luidor zur Tür geleiten, während der Hausherr seinem Gast das Angebot unterbreitete bis zum Zeitpunkte des Eintreffen der gräflichen Antwort auf Burg Oberhartsteen als gern gesehener Gast zu verweilen.