Geschichten:Selbst- und Nachbetrachtungen

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Burg Thannfest, Ende Ingerimm 1046 BF

Schweigend und mit durchgehend mürrischer Miene war Geldana zurück nach Bergthann geritten. Selbst vor ihren Begleitern machte ihre schlechte Stimmung nicht halt und entgegen ihrer sonstigen Art erwies sie sich auf der Rückreise als ausgesprochen mürrisch und reizbar. Unter normalen Umständen hätte sich die Adlige ein solches Verhalten niemals erlaubt oder ein solches auch nur toleriert. Aber die Umstände waren eben alles andere als normal, von ‚gut‘ ganz zu schweigen. Sie hatte schlicht und einfach verloren. Zwar nicht auf ganzer Linie und auch nicht vollständig, aber dennoch deutlich verloren. Und dann auch noch diese Demütigung mit den beiden ‚Überraschungsgästen‘ bei den Verhandlungen mit dem Dornhager! Am liebsten wäre die Rabicumerin bei deren Eintreffen sofort wieder abgereist oder hätte gar versucht, sie hinauswerfen zu lassen. Aber was hätte das eine wie das andere gebracht? Nichts. Nur noch mehr Ärger und Spott. Nein, die Niederlage ihrer Familie, ihre eigene Niederlage, stand schon fest, noch bevor Geldana gen Dergelmund aufgebrochen war. Ein bitteres Lächeln umspielte für einen Moment ihre Lippen. Eigentlich war das Ende schon absehbar, als Großvater vom Schlagfuß getroffen wurde, resümierte sie. Alles, was danach kam, musste fast schon zwangsläufig zu diesem Punkt führen, erkannte die Vögtin. Mit dem Bekanntwerden des maladen Gesundheitszustandes des Familienpatriarchen hatte sich die bereits geifernde Meute von ihren Ketten gerissen und sich auf sie und ihre Familie gestürzt. In sich gekehrt und sichtlich verbittert erreichte die Adlige schließlich Thannfest, wo sie sich zugleich, mit zwei Flaschen Wein als einziger ‚Begleitung‘, in ihre Gemächer zurückzog.
Am nächsten Tag traf sie sich mit ihrem Vater Rukus zu einem Ausritt, um ihn über die Verhandlungen ins Bild zu setzen; ungestört vor den neugierigen und teils sogar mitleidigen Blicken der Bediensteten. Wer von denen mochte mittlerweile seine Möglichkeiten abwägen oder stand gar schon heimlich im Sold des Dornhagers oder eines seiner Verbündeten? Rukus hatte es bewusst vermieden, seine Tochter schon direkt bei deren Ankunft, welche er vom Fenster seines Zimmers aus beobachtet hatte, aufzusuchen. Allein ihr Antlitz sprach Bände, sodass der Erste Ritter Perricums sie gar nicht erst nach dem Ergebnis der Gespräche fragen musste.

„Tja, nun weißt Du alles, Vater. Deine Tochter hat also nicht nur als Unterhändlerin versagt, sondern sich von unseren ‚Freunden‘ auch noch nach allen Regeln der Kunst vorführen und demütigen lassen.“ Rukus hatte die Ausführungen Geldanas mit einer Mischung aus Betroffenheit und Zorn verfolgt. Dennoch fiel seine Antwort sehr ruhig, beinahe sanftmütig aus. „Woher hättest Du letzteres auch wissen und wie vermeiden können? Und bei allem verständlichen Ärger: Niemand hätte hier für uns mehr – geschweige denn einen vollständigen Sieg – herausholen können. Die Karten waren doch zu einseitig zu unserem Ungunsten verteilt.“

„Mag sein. Besser fühle ich mich deswegen aber nun nicht.“, erwiderte die Vögtin bitter. „Aber das spielt bald auch keine Rolle mehr. Wenn mein verehrter Vetter demnächst hier eintrifft, werde ich ihn über die jüngsten Ereignisse unterrichten, mir seine Vorwürfe und Ausfälle anhören, ihn kurz in die Geschicke Bergthanns einweisen und mir dann eine neue Aufgabe suchen. Was und wo auch immer. Ich habe das alles so satt.“, schloss sie mit deutlich hörbarer Resignation in der Stimme.

„Keine Sorge, Du musst Wüterich natürlich nicht allein gegenübertreten. Und eine Aufgabe kann ich Dir geben, wenn Du sie willst. Ich bin nicht nur Erster Ritter, wie Du weißt, sondern auch Junker zu Alkramaer. Bin ohnehin kaum da unten, allein schon wegen der vielen Nebachoten. Du warst ja kurzzeitig schon Vögtin dort, da kannst Du auch jetzt schon Dein Erbe dort antreten. Und was Du sonst noch so machen kannst oder wirst, wird die Zukunft zeigen. Für eine Frau mit Deinen Fähigkeiten und Talenten gibt es immer noch eine Vielzahl von Möglichkeiten.“

„Dein Wort in der Götter Ohr, Vater.“, erwiderte Geldana trocken und mit einem leichten Schmunzeln ob des neuen Spitznamens für ihren Vetter.