Geschichten:Der Bräutigam bittet zum Tanz
Irnfrede war gerade in ein Gespräch mit ihrer Mutter vertieft, während sich ihr Mann leidlich Mühe gab, nicht allzu gelangweilt auszusehen. Mit seiner Gemahlin zu tanzen kam ihm bis auf einen Pflichttanz nicht in den Sinn, und auch bei dem hatte er keine sonderlich gute Figur gemacht.
Irnfrede hingegen war von der Hochzeitsfeier durchaus sehr angetan, was man ihr auch anmerken konnte, wenngleich sie die Räumlichkeiten als ein wenig rustikal empfand. Sie trug ein atemberaubendes schulterfreies Kleid in zartrosa mit hochhackigen roten Schuhen und dazu ein sehr teures Duftwasser. Sie war schon mehrfach von Herren jeglichen Alters zum Tanze aufgefordert worden, und der Abend war noch jung.
Plötzlich trat der Bräutigam Landvogt Rondradan von Pfortenstein selbst an ihren Tisch. Er nickte den Herrschaften grüßend zu, was die beiden Damen auch mit einem anerkennenden Lächeln erwiderten. Dann wandte er sich direkt an Irnfrede:
"Teuerste Baroness Irnfrede, wir hatten noch nicht das Vergnügen gemeinsam einen Tanz zu wagen. Und um diesen untragbaren Missstand zu beheben, würde ich Euch nun bitten, den nächsten Tanz mit mir zu begehen." Er hielt ihr auffordernd die Hand hin und lächelte.
Irnfrede strahlte: "Aber mit dem allergrößten Vergnügen, Euer Hochgeboren!", und warf ihrem gelangweilten Gatten noch einen triumphierenden Blick zu, was dieser aber gar nicht zu registrieren schien.
"Du entschuldigst mich, Mutter?" fragte sie Ederlinde. Diese nickte lächelnd: "Aber natürlich."
Sie ergriff Rondradans Hand und gemeinsam betraten sie die Tanzfläche.
Der Tanz wogte hin und her, und sie harmonierten recht gut miteinander.
"Ich möchte Euch noch zu Eurer Entscheidung gratulieren, Rondradan. Eine Braut aus dem Hause Luring ist wahrlich eine vorzügliche Wahl", zwinkerte sie ihm zu.
"Seid bedankt. Dem kann ich nur beipflichten. Euer Gemahl scheint ja ebenfalls eine gute Wahl getroffen zu haben."
"Es war nicht die seine, der Traviabund kam durch meinen Vater... oh pardon." Sie errötete leicht.
Auf Rondradans fragenden Blick hin entgegnete sie: "Verzeiht, dass ich ihn so gedankenlos erwähne, wo er doch an Eurer Situaton nicht ganz unschuldig ist."
Rondradan musste grinsen: "Kein Grund sich zu entschuldigen. Wißt Ihr, ohne euren Vater wäre ich immer noch in einer unglücklichen Ehe gefangen. Ich habe ihm zwar seine Untreue mir gegenüber noch nicht verziehen, aber ich hege keinen Groll mehr ihm gegenüber."
Irnfrede sah Rondradan dabei genau in die Augen.
"Ihr... meint das ernst, nicht wahr?"
Rondradan sah sie etwas überrascht an.
"Aber ja, absolut. Wißt Ihr, ich habe nun endlich eine wunderschöne Braut, die mir hoffentlich bald einen Erben schenken wird. Ich meine, ich habe es mit Duridanya wirklich gut getroffen, wie ich finde."
Er lächelte seiner Braut zu, die gerade ihrerseits mit ihrem Knappenvater Gunnolf tanzte.
"Ich bin sehr erleichtert, dass Ihr das so seht, Rondradan. Ich hatte schon befürchtet, dass es zu einem dauerhaften Zwist zwischen unseren Familien oder auch innerhalb des Bundes der Pfortenritter kommen könnte. Das wäre doch schrecklich."
"Da seid ganz unbesorgt, meine Teure: weder unsere Familien, noch der Bund der Pfortenritter sollen die Leidtragenden dieser Affäre sein. Das kann ich Euch garantieren."
Er ließ sie zum Abschluss nochmal eine schwungvolle Drehung ausführen, dann endete auch dieser Tanz. Unter dem Applaus der Umstehenden geleitete Rondradan Irnfrede wieder an ihren Tisch, wofür sie sich aufrichtig bedankte. Sie sah ihm noch mit einer gewissen Erleichterung nach, als er die nächste Dame aufforderte.
| ◅ | Gespräch neben der Tanzfläche |
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Gesellschaftliche Einblicke auf der Tanzfläche | ▻ |