Geschichten:Das Erbe der Pfortensteiner - Geheimniskrämerei

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08. Praios 1048 BF, Stadt Rubreth

Argande von Scheupelburg schloss einen Moment die Augen, genoss das warme Praioslicht auf ihrem Gesicht und fing glücklich an, leise vor sich hin zu summen. Mitten in der Melodie eines Kinderliedes, welches sie sich in Erinnerung gerufen hatte, drehte sie sich zur Seite und sprach unvermittelt ihren Begleiter an.

Ritter von Schack, bitte verzeiht meine Unhöflichkeit. Ich habe bisher völlig vergessen Euch zu danken, dass Ihr mich auf meinem Weg begleitet habt. Nicht, dass es notwendig gewesen wäre mich hier in der Stadt vor Wegelagerern zu beschützen, aber es hat mir Freude bereitet nicht allein gewesen zu sein.“ Ein bezauberndes Lächeln zierte ihr Gesicht und wetteiferte mit der Praiosscheibe darum, wer wohl mehr Wärme ausstrahlen könnte.

„Aber nicht doch werte Argande“, rang der Angesprochene sich vor Überraschung etwas ungelenk von den Lippen. „Es ist mir eine Ehre. Mag es hier auch keine Wegelagerer geben“, sprach der Ritter weiter, während er seine übliche Eloquenz zurückfand, „so hat eine Stadt doch ihre eigenen Gefahren. Gerade an Markttagen und wenn zudem der Großteil der Rubrether Ritterschar bereits nach Luring zum Grafenturnier aufgebrochen ist. Es gibt immer Schurken, die meinen sie müssten das Fehlen von Stärke und Ordnung ausnutzen.“ Mit betonter Wachsamkeit sah er sich um, wie üblich die neugierigen Blicke ignorierend, die sein schlohweißes Haar in Verbindung mit seiner offenkundigen Jugend hervorrief.

„Darf ich Euch eine Frage stellen, die Ihr sicherlich schon dutzende Male beantworten musstet?“

„Wenn sie so offensichtlich ist, wird es mir wohl ein Leichtes sein sie zu beantworten. Bitte fragt.“

„Eure Haare, Herr Ritter. Wie kommt es, dass sie so strahlend weiß sind wie frisch gefallener Schnee?“

„Wenn Ihr das sagt, klingt es auf einmal gar nicht mehr wie etwas Sonderbares oder Abartiges wofür ich mich schämen müsste.“ Ein bitterer Zug umspielte Halgors Lippen, verschwand aber fast sofort wieder und wich einem schmalen, aber ehrlichen Lächeln. „Tatsächlich bin ich so geboren worden. Meine Mutter sagte mir als Kind immer, das käme daher, weil in dem Winter als ich geboren wurde, an diesem Tage der erste Schnee des Götterlaufs auf Burg Gümpelgotz fiel.“

„Das klingt nach einer wirklich wundervollen Geschichte. Fast wie in einem der Märchen über den Reichsforst oder die Rakulahöhen.“ Vor Begeisterung schlug Argande die Hände flach zusammen das es nur so klatschte, wodurch sich noch mehr Leute zu ihnen umdrehten. Die Edeldame schien dies jedoch nicht zu bemerken. „Am Ende seid Ihr gar ein Märchenprinz?“, fragte sie halb im Ernst, halb im Spaß.

„Das möchte ich stark bezweifeln“, gab der junge Ritter trocken zurück. „Glaubt mir, Hohe Dame, an mir ist nichts Märchenhaftes.“

„Wirklich zu schade, dass Ihr dies selbst nicht erkennen könnt.“ Ernsthaftes Bedauern klang aus ihrer Stimme, als sie plötzlich vor der Botenstation stehen blieb. „Würdet Ihr hier wohl einen Moment auf mich warten. Es wird nicht lange dauern.“

Halgor war irritiert. „Warum darf ich Euch nicht hineinbegleiten? Habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Oh nein, seid unbesorgt, daran liegt es nicht. Ich möchte einfach nur, dass Ihr hier auf mich wartet.“ Freundlich, aber bestimmt, sah die Zofe den jungen Ritter an. „Als ich vorhin den Brief von Herr Rondradan zum Travia-Tempel brachte, wolltet Ihr mich trotz meiner Bitte nicht hineinbegleiten. Nun bitte ich Euch zu warten. Wollt Ihr mir wirklich am selben Tag ein zweites Mal eine Bitte abschlagen?“

„Mitnichten, werte Argande.“ Halgor wirkte ernsthaft zerknirscht. Er hatte seine Gründe gehabt, den Tempel nicht zu betreten, doch die konnte er ihr unmöglich offenbaren. Also hatte er unhöflich sein müssen. Natürlich brannte die Neugier in ihm, was und an wen sie etwas mit einem Botenreiter verschicken wollte. Immerhin handelte es sich hierbei nicht wie bei dem Tempelbesuch um einen Auftrag des Landvogtes und er hatte den starken Verdacht, dass sie die Abwesenheit des Pfortensteiners mit Absicht abgewartet hatte, um hierher zu kommen. Wollte er keinen weiteren Verdacht erregen, musste er sie aber wohl oder übel gewähren lassen. „Ich entschuldige mich für mein gedankenloses Verhalten vorhin und werde selbstverständlich hier auf Euch warten.“

„Habt tausend Dank!“ Sofort kehrte das arglose freundliche Lächeln auf das Gesicht der Scheupelburgerin zurück. „Ich bin wieder bei Euch, bevor Ihr mich vermissen werdet.“ Damit eilte sie davon und verschwand hinter der schweren Eichentür der Botenstation.