Geschichten:Blütenzauber und Rosenduft

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Version vom 2. Dezember 2025, 05:24 Uhr von Treumunde (D | B)
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Liebster Praioslob,
 
 
 
 
ich schreibe Dir heute mit einem langen Bericht, damit Du genau weißt, wie es unserem Großvater hier ergeht. Du sollst beruhigt sein, er hat die Reise gut überstanden. Sie war zwar lang und verlangte Geduld, doch er hat sie mit erstaunlicher Ruhe getragen. Seit unserer Ankunft ist er zufriedener und wirkt beinahe verjüngt.

Vor allem möchte ich Dir vom Rosengarten berichten, denn das Heiligtum der Rahja-Kirche ist nun sein neues zu Hause. Der Garten liegt hinter einem Tor aus hellem Stein, das von Rosenranken überwachsen ist. Wenn man hindurchtritt, öffnet sich eine Welt, die kaum mit Worten zu fassen ist. Breite Wege aus hellem Kies, die sich durch Beete schlängeln, Pavillons mit geschnitzten Säulen, kleine Brunnen, deren Wasser leise plätschert. Überall blühen Rosen in einer Vielfalt, die ich nie zuvor gesehen habe. Manche sind groß und schwer, mit Blüten, die wie Samt wirken. Andere sind klein und zart, fast durchsichtig im Sonnenlicht. Die Farben reichen von tiefem Rot über leuchtendes Gelb bis zu einem Weiß, das fast silbrig schimmert. Der Duft ist allgegenwärtig, aber nie überwältigend. Er mischt sich mit der warmen Luft und begleitet jeden Schritt.

Großvater hat sich hier sofort wohlgefühlt. Nestario Daneios, der Hüter des Gartens, hat ihn freundlich aufgenommen und ihm einen Platz gegeben, der ihm sehr gefällt. Morgens sitzt er gern auf einer Bank nahe eines runden Beckens, von dem aus er die Rosenbeete überblicken kann. Er beobachtet die Blätter, wie sie den Wind nehmen, und spricht mit den Geweihten über seine eigenen Züchtungen. Du erinnerst Dich an die beiden Säckchen Saatgut, die er mitgenommen hat? „Abschlachten der Al’Anfaner Nachhut“ und „Sturmangriff auf Jergan“. Mit Nestarios Hilfe hat er einige Körner in die Erde gesetzt. Es war ein feierlicher Moment, und die Geweihten haben ihn mit leisen Liedern begleitet. Großvater war sichtlich bewegt, und ich glaube, er fühlt, dass seine Arbeit hier weiterleben wird.

Sein Zimmer im Geweihtenflügel ist lieblich verziert und verspielt eingerichtet. Die Geweihten haben es mit einer besonderen Sorgfalt gestaltet, die ganz dem Geist Rahjas entspricht. Die Wände sind in sanften Farben gestrichen, ein zartes Rosé, das im Licht der Sonne warm schimmert. Über den Fensterrahmen ranken bemalte Rosenmotive, die fast lebendig wirken, und kleine Spiegel fangen das Licht ein und werfen es verspielt in den Raum. Auf der Fensterbank stehen kleine Tonfiguren, kunstvoll bemalt, die rahjagefällige Szenen darstellen. Neben dem Bett hängt ein Windspiel aus Glasperlen und kleinen Rosenblättern, das im Wind leise klirrt und den Raum mit einem sanften Spiel von Licht und Klang erfüllt.

Die Möbel sind mit feinen Schnitzereien versehen. Der Tisch trägt Muster von Ranken, der Stuhl kleine Blütenornamente. Auf dem Bett liegt eine Decke, bestickt mit Rosenmustern in Goldfäden, und die Kissen sind weich und bunt, sodass der Raum nicht streng, sondern heiter wirkt. Es gibt auch eine kleine Truhe, in der er seine Notizen und Samen aufbewahrt, und auf dem Regal stehen einige Bücher über Rosenzucht und die Lehren Rahjas. Ich sehe, wie er sich dort wohlfühlt. Er sitzt am Tisch, schreibt kleine Notizen, oder lehnt sich zurück und lauscht dem Klang des Windspiels. Oft blickt er aus dem Fenster, und wenn die Sonne den Garten vergoldet. Er lächelt oft still vor sich hin. Manchmal erblicke ich auch leicht bekleidete Damen, die sein Zimmer früh morgens verlassen. Hier habe ich mir geschworen, nicht weiter nachzuforschen, oder mir gar ein Bild davon zu machen. Die Hauptsache ist, dass Großvater sich hier sehr wohl fühlt.

Doch nicht nur Großvater hat hier seinen Platz gefunden. Auch ich selbst fühle mich in Zorgan wohl. Im Rosengarten habe ich den Rosendschinn Blütenstaub kennengelernt. Er ist ein Wesen von großer Anmut, halb Humusdschinn, halb Dryade, und seine Nähe bringt mir eine Leichtigkeit, die ich lange nicht gespürt habe. In seinen Armen vergesse ich den Schmerz, den der Verlust von Tristoban noch immer in mir hinterlässt. Er bringt mich zum Lachen, er lenkt meine Gedanken auf das Schöne, und er zeigt mir, dass auch nach Trauer wieder Freude wachsen kann. Hier in Zorgan kann ich Fasar vergessen, mit all seinen Schatten und Erinnerungen. Ich fühle mich aufgehoben, nicht nur als Enkelin, die ihren Großvater begleitet, sondern auch als Frau, die wieder lernt, das Leben zu lieben.

Die Rosen hier sind vielfältig, schwere Duftrosen neben hellflammenden Züchtungen, die im Gegenlicht fast wie Glas wirken. Großvater hat bereits zwei Beete als „seine Schlachtreihe“ benannt und beginnt, sich mit den Gewohnheiten dieser Sorten vertraut zu machen. Wenn es seine Kräfte erlauben, wird er in den kommenden Wochen seine Züchtungen in die hiesige Pflegewiese überführen. Nestario hat ausdrücklich gesagt, dass seine Erfahrung hier willkommen ist.

Ich möchte Dir versichern: Großvater ist hier nicht nur sicher, sondern aufgehoben. Die Wärme, der Rhythmus, das freundliche Maß an Arbeit, die Musik am Abend, das Lachen der Geweihten, das aufflammende Liebesleben — all das tut ihm sichtbar gut.

Du kannst also mit ruhigem Herzen in Eychgras Deinen Aufgaben nachgehen. Großvater spricht oft von Dir, er ist stolz, dass Dein wachendes Auge sich um die Eychgraser Ländereien kümmern wird. Du wirst ihm ein würdiger Nachfolger sein. Wenn Briefe an ihn gehen sollen, adressiere sie bitte an: Rosengarten der Rahja-Kirche, zu Händen Nestario Daneios, für Eberhelm von Eychgras. Nestario hat mir zugesagt, die Post persönlich zu übergeben.

Ich bleibe vorerst hier, um die ersten Wochen zu begleiten.
 
 
 
 
In Liebe und mit heiterem Herzen,
Deine Schwester Siranya

Zorgan, am 12. Rahja 1047 BF