Geschichten:Das Erbe der Pfortensteiner - Mord mit Aussicht

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05. Rondra 1048 BF, Burg Rubreth, mitten in der Nacht

Harbolf stand am äußersten Ende des Burggartens und genoss die Stille. Weit im Rahja, ungefähr dort wo Perricum liegen musste, erhob sich das Madamal langsam über den Horizont. Es war eine wunderbar warme und klare Nacht und der Blick konnte unter Phexens Sternenzelt ebenso weit schweifen wie die Gedanken des Geweihten. Mehr als zehn Götterläufe war es nun her. Nachdem er als einer von Graf Danos‘ ritterlichen Wallfahrern zwei Jahre lang die Wildermark durchstreift hatte, hatte er dort in der Löwenburg endlich die Antworten und den Frieden gefunden, nach denen er sein Leben lang gesucht hatte. Rondra hatte ihm seinen wahren Platz auf Dere gezeigt und mit Freuden hatte er alles Weltliche hinter sich gelassen. Er hatte gewusst, dass er einen Sohn und Erben hatte, geboren, als er mit Graf Danos im tiefsten Winter durch die teils weglose Ödnis der Wildermark zog, um so etwas wie Ordnung in diese verlorenen Lande zu bringen. Damit hatte er seine Pflicht der Familie gegenüber als erfüllt betrachtet und fühlte sich frei seinem Herzen zu folgen, welches ihn mehr und mehr zur Herrin Rondra hingezogen hatte.

Jetzt war er wieder hier, in der alten Heimat, in Reichsforst. Zum ersten Mal, seit er im Spätsommer 1035 BF in Graf Danos Gefolge die Grenzen der Grafschaft gen Rahja überschritten hatte. Die Einladung zum Traviabund seines Bruders war durchaus überraschend für Harbolf gewesen. Er wusste noch zu gut, wie sehr Rondradan mit der Entscheidung gehadert hatte, als er ihm diese damals mitgeteilt hatte. Sicherlich war es für die Situation der Familie nicht ideal gewesen, aber gegen den Ruf der Leuin hatte auch sein älterer Bruder letztlich nichts einwenden können. Sie hatten sich im Streit getrennt. Umso mehr freute es Harbolf, dass Rondradan inzwischen so sehr in der Gunst Rondras und des neuen Grafen stand. Der Sieg im Duell auf das dritte Blut gegen den Junker von Erlenfall, war ein deutliches Zeichen gewesen, welches auch Graf Drego nicht hatte übersehen können. Aber auch die hohe Meinung den seine Glaubensschwester Alwene von Grenstade über seinen zum Landvogt von Rubreth aufgestiegenen Bruder hatte, hatte Harbolf davon überzeugt, dass er damals den richtigen Schritt nicht nur für sich selbst, sondern auch für das Ansehen seiner Familie getan hatte.

Wenn es eine Sache gab, die Harbolf im Leben bedauerte, dann war es die, dass er seinen Sohn in all den Götterläufen nie hatte sehen und sprechen können. Ersteres hatte er nun bereits getan, hatte Ludolf doch als Knappe Rondradans seinem Schwertvater während der Hochzeit und des Festmahls als Edelpage aufgewartet. Harbolf hatte seinen Bruder dann in einer ruhigen Minute unter Brüdern gebeten, ein Treffen zu arrangieren, und Rondradan hatte zugesichert Ludolf zu ihm zu schicken, sobald er seine Dienste an diesem Abend nicht mehr benötigen würde. Tatsächlich war der Rondra-Geweihte etwas aufgeregt, fast so wie damals, als er vor den Toren Mendenas seine Schlachtfeldweihe erhalten hatte.

Das leise Knirschen von Ledersohlen auf dem kiesigen Grund der Gartenwege ließ Harbolf aus seinen Gedanken hochschrecken. Er wollte sich umwenden, um seinen Sohn, den er erwartete, freudig zu begrüßen. Doch hatte er kaum eine halbe Drehung vollzogen, als ein niederhöllischer Schmerz ihm in die rechte Seite fuhr. Blanker Stahl hatte sein Kettenhemd mit Leichtigkeit durchbohrt und war ihm tief in den Leib gedrungen. Sofort blieb ihm die Luft weg und beim Versuch zu schreien, spuckte er Blut. Harbolf spürte, wie die Kraft ihn schnell verließ. Die Beine knickten ihm ein und er sank schwer auf seine Knie. Mühevoll hob er den Kopf und blickte ihm Schein des aufgehenden Madamals in das Gesicht seines Mörders. Erschrocken erkannte er den jungen Ritter aus dem Gefolge seines Bruders und begriff schlagartig, in welcher Gefahr sich Rondradan, aber auch Ludolf befanden. Mit letzter Kraft, jeden Schmerz in seinem Körper ignorierend, zog er sein Schwert aus der Scheide. Doch bevor er nur den Versuch eines Schlages ausführen konnte, drehte der Angreifer das Schwert einmal halb in der Wunde, stützte sich mit einem kräftigen Tritt gegen Harbolfs Seite mit einem Bein ab und zog die Klinge brutal wieder heraus. Ein großer Blutschwall ergoss sich auf den weißen Kies und während der Rondra-Geweihte kraftlos zur Seite kippte. Er rechnete mit dem Todesstoß, doch hielt der Mörder plötzlich inne und wandte sich dann schnell zur Flucht.

Kaum war der Angreifer im Dunkel der nächsten Hecke verschwunden, hörte der Pfortensteiner wieder das verräterische Knirschen näherkommender Schritte. Es gelang ihm sich auf den linken Ellenbogen zu stützen und sich mit dem Rücken an die Burgmauer zu lehnen. Schmerz durchzuckte ihn erneut, als er sich schwer gegen die kalten Steine fallen ließ. Als er die Augen wieder öffnete sah er Ludolf vor sich. Sein Sohn war tatsächlich gekommen. Ein Lächeln schlich sich auf die blutverschmierten Lippen. Harbolf wollte gerne etwas sagen, doch ein Husten war alles, was er herausbekam und noch mehr Blut quoll aus seinem Mund. Mit zwei schnellen Schritten war der junge Knappe an seiner Seite, kniete sich nieder und nahm die große Hand des Vaters, welche noch immer die Rondra geweihte Klinge hielt, in die seinen. Entsetzen und Unglauben standen in seinem Blick, doch konnte Harbolf keine Spur von Furcht entdecken. Der Geweihte löste den Griff um das Heft seines Schwertes. Er drückte es dem Knaben sanft in die Hände, sah ihm tief in die Augen und hob mit letzter Kraft seine Rechte, um sie seinem Sohn segnend auf das Haupt zu legen. Ein langer Moment verging, dann rutschte die Hand kraftlos herab und der Arm fiel neben dem Geweihten auf den Kies.

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Halgor hatte im Schatten kurz innegehalten. Als er erkannte, wer sich dort näherte und ihn bei seiner Tat gestört hatte, war er sehr versucht, sein Werk fortzusetzen. Doch der Rondra-Geweihte war noch nicht tot und das Überraschungsmoment verflogen. Der Pfortensteiner war tödlich verwundet und kaum ein Heiler auf dem Dererund hätte ihm jetzt noch helfen können. Sein Ziel für heute war erreicht. Da wollte er nicht riskieren, wegen einer Unachtsamkeit aufzufliegen. Der Knappe mochte ihm heute davonkommen, aber auch seine Zeit würde kommen. Nun galt es die Spuren an seinem Schwert und seiner Kleidung zu beseitigen, damit kein Verdacht auf ihn fallen würde. So schnell und lautlos, wie er gekommen war, wandte sich der junge Ritter dem Ausgang des Kräutergartens zu, fand ihn wie zuvor unbewacht und entschwand ungesehen ins Wohngebäude der Burg.