Geschichten:Zum freundlichen Flößer
Taverne “Zum freundlichen Flößer”, Ingerimm 1046 BF:
Das Leben in der Hafenstadt Dergelmund war eher beschaulich. Mit unerschütterlichem Vertrauen an den Herr Praios und an die Frau Travia sahen sich die Bürger der ehemals darpatischen Stadt als moralisches Bollwerk gegen die in ihren Augen verdorbene, aber ungleich mächtige Reichsstadt Perricum. Die stets drohenden Krallen der Reichsstadt führten innerhalb der Bürgerschaft von Dergelmund zu einem erstaunlichen Zusammenhaltsgefühl. Das spiegelte sich auch in der Stimmung und in dem Erscheinungsbild in der Stadt wider: Die Straßen waren frei von Unrat und die Menschen schienen ein wenig freundlicher im Umgang miteinander. Geldana von Rabicum könnte diese verklärte Glückseligkeit so gar nicht fühlen. Zum einen missfiel ihr, dass die Stadt doch recht unabhängig vom Baron von Perricum:Baronie Bergthann|Bergthann]] agierte und sich ganz selbstbewusst vom Baronshof in Thannfest nichts sagen ließ. Zum anderen wusste sie, dass ihre heutige Mission ihr einiges abverlangen würde. Das ganze glich einer Art politischem Tanz, jedem Schritt des einen, folgte ein weitere des anderen. Gesten und Ausdruck bedeuteten mitunter mehr als der getane Schritt. Die Rabicum war hier in der Stadt zu einer geheimen Unterredung mit Ardur von Dornhag verabredet. Unter vier Augen. Doch sie beide wussten, dass die Augen und Ohren des anderen überall waren. So konnte dem Gegenüber stumm mitgeteilt werden, was dieser wissen sollte. Der Dornhager beispielsweise, verließ wenig geheimnistuerisch die Vordertür des schmucken Stadthauses der Baronin von Hengefeldt und zeigte so deutlich, wer hinter ihm stand. Auch seine Begleitungen, die beiden Perrinländer Ramirion von Palmyr-Donas und Mishan Feqzaïl, zeigten dies sehr deutlich. Die drei Herren schlenderten gut gelaunt zur Taverne “Zum freundlichen Flößer”, augenscheinlich, um einen zu heben. Doch im Hinterzimmer wartete Geldana von Rabicum, wie verabredet, auf Ardur von Dornhag, um mit diesen diese lästige Problematik im Norden von Bergthann zu lösen. Geldana musste sich jedoch erstmal in Geduld üben, denn Ardur sah offenbar keine Notwendigkeit, sich sogleich zur Rabicum zu begeben. Er nahm erstmal mit seiner Entourage ein ausgiebiges Mahl zu sich. Ein Affront, doch Geldana hatte keine Wahl. Sie wartete.
Geldana begrüßte Ardur knapp, als dieser sich schließlich dazu bewegte, das Hinterzimmer zu betreten. Selbstbewusst und mit einem vielsagenden Grinsen, nahm der Ritter aus den Trollzacken gegenüber der Rabicum Platz.
“Es gibt etwas zu besprechen, wie ich hörte?” Süffisant zog Ardur eine Augenbraue hoch.
Geldana biss sich auf ihre Unterlippe. Sie war sich bewusst, in welcher Situation sie steckte. “Ich denke, es ist in unserem beiderseitigen Interesse, dass die Bedrohungssituation in Murwacht entschärft wird.”
“Wohl gesprochen, Ihr wisst, was Ihr dafür zu tun habt, nicht wahr?” Ardur verschränkte seine Arme vor seiner breiten Brust.
“Darüber wird jetzt zu reden sein ...” Weiter kam Geldana nicht, als sich auf einmal knarrend die Tür zum Hinterzimmer öffnete und eine Frau hereingestürmt kam.
“Na, die Herrschaften wollen doch wohl nicht ohne mich beginnen!” Ganz selbstverständlich setzte sich die Frau mit an den Tisch, während Geldana, wie auch Ardur sie vollkommen entgeistert anschauten. “Ach ja, mein Name ist Rondrara von Alxertis. Da hier ja scheinbar die Zukunft Bergthanns verhandelt wird, sollte dies selbstverständlich nicht ohne die Familie Alxertis geschehen, die hier die Interessen der Familie Lauenau vertritt.”
Es dauerte einen Moment, bis sich Geldana gefangen hatte. “Ihr sprecht für die Familie Lauenau? Das wäre mir neu.”
“Für Teile der Familie … die wichtigeren Teile”, fügte Rondrara augenzwinkernd hinzu. “Wollen wir beginnen?”
“Also... “, doch wieder wurde Geldana unterbrochen. Eine verborgene Klappe öffnete sich in der Wand und ein junger, blonder Mann trat ein. “Bin ich zu spät? Nein? Wunderbar! Mein Name ist Salix von Hardenstatt und auch die Interessen meiner Freunde wollen wir doch wohl berücksichtigen, oder etwa nicht?”
So musste Geldana feststellen, dass Geheimtreffen doch nicht so geheim waren.
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