Geschichten:Die Pfade, die sich wandeln

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Ein Bericht von Isfarion Morgentanz

Pfad im Reichsforst.jpg

Ich bin viele Wege gegangen, doch die, die sich durch das Grün der Wälder schlängeln, bedeuten mir mehr als jede gepflasterte Straße zwischen den Städten. Einst kannte ich den Elfenpfad wie das Spiel meiner Hirtenflöte – mit den Füßen wie mit dem Herzen. Doch in den letzten Götterläufen ist etwas geschehen, etwas, das ich weder leugnen noch begreifen kann. Der Wald ist erwacht, auf seine eigene, urtümliche Weise.

Der Elfenpfad, jener uralte Handelsweg durch die Reste des alten Mittwaldes zwischen der Goldenen Au der Greifenfurter Mark, war keine Straße im herkömmlichen Sinn. Er war Gesang, Erinnerung, eine Ahnung in Nebel und Wind. Doch nun scheint er… sich zu verweigern. Wo früher klare Zeichen des Alten Pfades waren – eine bemooste Eiche, deren Wurzeln wie Finger in die Richtung zeigten, das Flüstern der Vögel zur rechten Tageszeit – da herrscht nun Stille. Oder schlimmer: Irreführung.

Es war der „Markt der Alten Völker“, der jeden Rahjamond eine Vielzahl von Händlern aus Gareth und Greifenfurt nach Silz lockte. Hier kamen Menschen, Elfen und Zwerge zusammen, um ihre Waren feilzubieten. Besonders das Bausch der Elfen und das daraus in Silz gefertigte Silzer Tüll hatten reichsweit einen klangvollen Namen. Ich hatte dort ein paar getrocknete Moosblüten erstanden, deren Duft Erinnerungen an eine elfische Wiegenmelodie weckte, die meine Mutter mir einst sang.

Doch auf der großen Marktwiese und in den Gasthäusern und Schenken von Altensilz hörte ich vermehrt das Wehklagen der reisenden Händler. Einer beklagte sich, dass seine Wagenladung mit Uslenrieder Rotbier auf dem Weg nach Silz „vom Nebel verschluckt“ wurde. Bei wieder anderen versanken die Wagen im morastigen Erdboden. Ich selbst war Zeuge, wie Wurzeln und Äste nach meinem Planwagen griffen. Eigentlich war ich auf dem Weg nach Nyë'Tiyala zu der Tierrufer-Sippe. Doch sie ließen sich dieses Mal nicht finden. Es war ein eigenartiges Gefühl, der Wald war... dichter, aber nicht auf natürliche Weise. Als würde der Forst selbst etwas verbergen wollen. Und ich hatte das Gefühl, dass mich etwas beobachtete – kein Tier, kein Wesen aus Fleisch, sondern der Wald selbst, alt und voller Groll.

Erst später, in einem Gespräch mit dem Sippenältesten Salandrion Traumhüter wurde mir klar: Der Pfad hat sich nicht verändert – er hat sich abgewandt. Die Wege, die wir Halbwesen beschreiten, sind nur so lange offen, wie wir im Einklang mit dem Wald stehen. Und in letzter Zeit, so scheint es, haben zu viele Unwissende versucht, ihn zu erzwingen. Händler, Abenteurer, selbst Magier – alle suchten nach Abkürzungen, nach Macht, nach etwas, das sich nicht nehmen lässt.

Ich frage mich, ob es die Wiederentdeckung des hochelfischen Simyala war, die die alten Kräfte geweckt hat. Oder ob es die Umstände in Uslenried und anderswo waren – die Schatten, die sich dort verdichteten, das Verschwinden von Menschen und Dingen. Vielleicht war es auch die Entscheidung der Elfensippen, sich wieder zu zeigen, ihre alten Pfade zu öffnen – aber nur für jene, die sie achten.

So schreibe ich diese Zeilen nicht nur als Händler, sondern als jemand, der mehr als nur Waren trägt. Ich trage Wissen. Und eine Warnung. Der Wald vergisst nicht. Und seine Pfade gehören nicht uns.

Wer den Elfenpfad sucht, soll wissen: Nur ein reines Herz, ein offenes Ohr und tiefer Respekt lassen ihn sichtbar werden. Alles andere führt in die Irre – oder in den Schatten, der jenseits der Bäume lauert.