Geschichten:Die, und keine andere
Haus Abendrot, 25. Tsa 1047 BF
Coruna hatte sich sehr schnell an ihr neues Leben als Freudenmädchen gewöhnt. Aus dem kleinen häßlichen Entlein war in wenigen Wochen ein stolzer, edler Schwan geworden. Sie nannte sich nun Shantalla - wie die berühmte Al'Anfanische Grandessa - und die Männer lagen ihr zu Füßen. Es gab kaum einen Abend, an dem ihre Liebesdienste nicht angefragt wurden, oft sogar mehrfach. Und über zu wenig Publikum konnte sich das Edelbordell ohnehin nicht beklagen. Sie hatte ein eigenes Gemach bekommen, was von einem großen weichen Bett mit roten Kissen und Laken dominiert wurde. In einer kleinen Truhe verwahrte sie ihre Habseligkeiten und besaß auch einen Schrank und einen kleinen Schminktisch mit Spiegel und Kosmetikköfferchen. Anfangs musste sie sich solche Sachen noch vom Bordell oder den anderen Mädchen leihen, doch schon bald klingelten die Taler in ihrer Geldkatze, so dass sie sich nach und nach alles selber nach eigenem Geschmack kaufen konnte. Sie hatte sogar schon exquisite seidene Wäschestücke mit Spitzenbesatz bei der örtlichen Schneiderin in Auftrag gegeben. Nie zuvor hatte sie solch schöne Dinge besessen.
Ihre Freier waren häufig bereit, auch größere Summen für ihre Dienste zu zahlen. Ihr bisheriger Höhepunkt war, als Ratsherr Tannhäuser gleich zwei blinkende Golddukaten auf den Tisch legte, nur um eine ganze Nacht mit ihr verbingen zu können. Für Shantalla leicht verdientes Geld - war er doch nach nicht mal einem dreiviertel Stundenmaß voller wildem Liebesspiel völlig ermattet eingeschlafen. Zwar musste sie - wie die anderen Angestellten auch - die Hälfte ihrer Einkünfte für Kost und Logis an die Besitzerin abführen, doch blieb ihr immer noch so viel für sich, dass es selbst den Lohn als Zofe auf Burg Trollhammer bei weitem übertraf.
Doch blieb ihr Erfolg nicht ohne Schatten. Larissa, die schöne Tochter der Besitzerin, sah in ihr immer mehr eine Bedrohung, und weniger eine Kollegin, da sie dabei war ihr den Rang als begehrteste Liebesdienerin des Hauses streitig zu machen. Das sie darüber alles andere als begeistert war, ließ sie sie auch hin und wieder spüren. Shantalla war zwar nicht die Klügste, aber dennoch klug genug um zu erkennen, dass sie einer Konfrontation mit ihr nicht lange standhalten könnte. Sie hielt sich also immer mehr zurück, drängte sich nicht mehr so in den Vordergrund und achtete darauf, bevorzugt an den Tagen zu arbeiten, an denen Larissa frei hatte.
Falk von Bratzenstein war nach Alrikshain gekommen, um ein paar alte Kumpels wieder zu treffen, mit denen er ein paar Bierchen getrunken hatte. Von denen hatte er unter anderem erfahren, dass sich momentan ein Besuch im Haus Abendrot so richtig lohnen würde. Zwar hatte er ursprünglich geplant, am heutigen Tage wieder nach Burg Bratzenstein im Nordwesten zurückzureiten, da sein letzter Bordellbesuch schon eine Weile her war, und ihm auch die ständigen Litaneien Jescos sich endlich eine Gattin zu suchen längst zum Hals herauskamen, hatte er spontan beschlossen, dem Haus noch einen Besuch abzustatten. Natürlich hatte er wie üblich seine Rüstung noch an, das störte ihn aber nicht weiter.
Beim Eintreten wurde er freundlich empfangen, die Besitzerin Sefira erkannte ihn sogleich wieder. "Na, wenn das nicht der Herr Falk von Bratzenstein ist? Willkommen zurück. Ich hörte, du bist inzwischen zu nem hohen Tier bei den Blaublütern geworden? Stimmt das?"
"Schön dich wiederzusehen, Sefira. Ist schon ne Weile her. Ja, es stimmt. Da meine Schwester vor einer Weile ins Gras gebissen hat, bin ich jetzt der Junker von Bratzenstein, mit Junkertum, Burg und Wappen und so weiter. Aber das ist kein Vergnügen, sag ich dir. Ständig muss man sich um irgendwelche Probleme kümmern, z.B. nicht geleisteten Abgaben hinterherlaufen, Streitereien unter den Lakaien schlichten, oder nem Bauern wurde ein Schaf von Wölfen gerissen, zwei Dörfler streiten sich auf wessen Grundstück der Apfelbaum wächst, und so weiter. Immer ist irgendwas. Ich hab's jetzt schon ziemlich satt."
"Verständlich. Und da willst du dich hier mal wieder auf andere Gedanken bringen lassen, hm?"
Falk nickte. "Ja, das ist dringend mal wieder nötig."
"Dann schau dich nur um, wir haben heute ne recht üppige Auswahl", lächelte sie freundlich.
Er sah sich die Mädchen genauer an, die sich im Salon aufhielten. Darunter waren einige, die er noch von früher kannte. "Ich hörte, ihr habt hier ne Neue? So ne heiße Rothaarige? Ist die gerade frei?"
"Hat sich schon rumgesprochen, was?" grinste Sefira. "Shantalla, komm doch mal bitte." rief sie.
Eine elegante Dame in einem leicht durchscheinenden rosafarbenen Kleidchen erhob sich im hinteren Bereich, und kam mit atemberaubenden Hüftschwung auf die beiden zu. Vor Falk blieb sie stehen.
"Das ist Falk. Er möchte dich gerne etwas näher kennen lernen", zwinkerte Sefira ihr zu.
Falk hatte mit der üblichen eher zurückhaltenden bis abweisenden Reaktion bei der Frau gerechnet, doch sein entstelltes Gesicht mit den Narben und dem fehlenden linken Auge schien sie nicht weiter zu stören.
"Rahja zum Gruße, Falk. Ich bin Shantalla!" hauchte sie mit verführerischem Augenaufschlag. Sie musterte ihn kurz und leckte sich kurz über die Lippen. Falk spürte, wie sein Blut in Wallung geriet.
"Wenn du mit ihr aufs Zimmer willst, kostet dich das 6 Silbertaler für ne Stunde. Für 15 kannst du sie auch die ganze Nacht buchen", erklärte Sefira.
Falk kramte in seinem Geldbeutel und holte einen Dukaten und 5 Silbertaler heraus.
"Dann die ganze Nacht! Ich will nur die, und keine andere."
Shantalla lächelte, fasste ihn fest an der Hand und führte ihn hinein.
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Adelig? Das bin ich auch! | ▻ |