Geschichten:Baron von Puleth - Der Rat zu Kaiserhain
16. Praios 1032, Stadt Kaiserhain in der Baronie Puleth
"...in diesem Sinne wünsche ich uns und der Stadt Kaiserhain einen von den Zwölfen glücklich gefügten neuen Götterlauf, in dem es viel zu erreichen gilt. Geehrte Ratsmitglieder, ich überlasse sie nun ihren zweifellos vielfältigen Aufgaben. Möge der Segen der Zwölfe über euren Bemühungen stehen."
Mit diesen Worten nickte der Baron von Puleth, Felan Rondrik von Schallenberg-Streitzig, den Anwesenden knapp zu und verließ danach samt Gefolge die kleine Ratsstube. Zurückblieb der neue Rat der Stadt Kaiserhain unter der Führung des mit äußerst knapper Stimmenmehrheit ernannten Ratsmeisters Phexian Ferlinger. Zum Erstaunen aller hatte der Herr Baron nicht darauf bestanden einen Stadtvogt von seinen Gnaden zu ernennen, sondern die Honoratioren der Stadt aufgefordert unter den ihrigen selbst einen zu wählen, da "ab von den vor uns herrschenden Zeiten wir uns wünschen, dass diese Stadt durch die Hand fähiger Kaufleute und Handwerker erblühe und es dazu keines Kriegers bedürfe." Er würde allein die Sicherheit der Stadt übernehmen, wie es ritterliche Sitte und Pflicht sei und seinen Sitz hier einnehmen als Baron. Das war zugleich Versprechen, wie auch Drohung, denn der Rat hatte ihm gewisse Summen zugesichert aus den zukünftigen Einnahmen der Stadt. Dass er ihnen weitgehend freie Hand ließ, wie sie die Stadt wieder aufzubauen gedachten und dabei sogar tatkräftige Unterstützung in der Anfangszeit durch seine Leute erhalten sollten wurde allgemein freudig angenommen und wurde von den Bürgern mit Wohlwollen angenommen, die befürchtet hatten den einen Tyrannen nur durch den nächsten ersetzt zu sehen. Der Schallenberger hatte begriffen, dass er eine feste Basis für seine Unternehmungen in der Baronie und offensichtlich glaubte er sie dadurch zu gewinnen, indem er die Bürger von seiner lauteren und gerechten Art eine Baronie zu verwalten überzeugen wollte.
Zu den weiteren Stadträten gehörten unter anderem Tsaiane Erken, Gunilla Uhlig, Answulf Waghold, Firunia Gneisdorp, Gernbrecht Weizschrot. Dazu waren zu dieser Sitzung zwei Vertreter der ritterlichen Familie Kallerberg anwesend, deren missratener Verwandter Geldor von Kallerberg und seine Schreckensherrschaft durch die Ankunft des neuen Barons vertrieben worden war. Den Gesichtern in der Runde waren die unterschiedlichsten Stimmungen abzulesen. Hoffnung, Dankbarkeit und Aufbruchstimmung auf der einen Seite, Misstrauen, Neid und schlecht verhohlene Abneigung, für Nichteingeweihte mit unbekannter Ursache, auf der anderen.
Die Versammlung löste sich nach und nach in kleine Gesprächsgruppen auf in denen sich Freunde und Vertreter gemeinsamer Interessen zusammenfanden. Nach der Wiederherstellung göttergefälliger Ordnung in Kaiserhain durch die bewaffnete Anwesenheit des Schallenbergers gab es viel zu tun: die Stadt war in den vergangenen Jahren recht heruntergekommen und zu einem Treffpunkt von üblem Söldnergesindel und Schmugglern aus und für die im Norden angrenzende Wildermark geworden. Damit hatte der Schallenberger Schluß gemacht: entlang der Reichsstraße hingen nun Schmuggler und Halsabschneider Reih an Reih nebeneinander, die in strengen Verfahren durch den nach praiotischen Maßstäben richtenden Baron abgeurteilt wurden. Dies sollte zur Mahnung geschehen alljenen, die auch nur entfernt hofften ihre dunklen Umtriebe fortführen zu können.
Dies war nicht nur zur Freude der einen, sondern auch zum Verdruss derjenigen Bürger geschehen, die heimlich oder mehr oder weniger offen mit den Schmugglern Handel getrieben hatten und dadurch nicht geringe Summen ergaunert hatten. Viele wären überrascht gewesen die honorablen alten und neuen Ratsmitglieder Answulf Waghold und Firunia Gneisdorp unter den Profiteuren der Geldorschen Herrschaft zu finden, doch hatten diese geschickt verstanden ihr Mitwirken zu verschleiern.
Und während Voltana von Kallerberg glaubhaft und mit reinem Gewissen vor dem neuen Baron versichern konnte, dass sie mit den üblen Machenschaften ihres Neffen nichts zu schaffen gehabt hatte, musste Landolf zähneknirschend den Kniefall machen, um seine Unschuld zu beteuern an den Taten seines Vetters 2.Grades. Vorerst hatte der Baron den Worten des Ritters geglaubt, denn ihm war kaum vorstellbar, dass ein Ritter einen Meineid schwören könnte, zumal Landolf niemals öffentlich als Geldors Scherge aufgetreten war. Doch in Wirklichkeit war Landolf der Verbindungsmann Geldors zu mancherlei Kriegsherren und Söldneranführer in der Wildermark. Er hatte für diesen in aller Stille Verhandlungen geführt, wenn es um den Verkauf von auf der Reichsstraße oder in Richtung Praios gelegenen Ortschaften und einsamen Gehöften geraubten Gutes ging. Für seine praiotische Tante Voltana von Kallerberg hatte er nur Spott übrig, den er jetzt aber mehr denn je nur in Gedanken aussprach.
So steckten Waghold, Gneisdorp und Landolf von Kallerberg die Köpfe zusammen und ein Elf hätte mit seinen gespitzten Ohren vernehmen können, wie sie miteinander sprachen und auf ein geflüstertes "Der Schallenberger muss weg." ein Nicken der anderen beiden folgte, zusammen mit geradezu mörderischen Blicken, die auf die Anhänger des neuen Ratsmeisters und diesen selbst fielen...