Geschichten:Knappe ohne Gunst - Standpunkte

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Schlafgemach des Grafen auf Burg Oberhartsteen, Anfang Praios 1035 BF

Weihrauchgeruch hing schwer im abgedunkelten Schlafgemach des Grafen. Nur wenige Sonnenstrahlen drangen durch die Ritzen in den schweren Vorhängen und tauchten die Szenerie in ein diffuses Licht. Luidor lag auf seinem Bett und seine Gesichtsfarbe konkurrierte mit dem Weiß der Kissenbezüge. Zu seiner Rechten hatte sich der Baron von Hutt einen Stuhl heran stellen lassen und saß nun, steif und aufrecht, als hätte er einen Lanzenschaft verschluckt. Tatsächlich hatte er seinen Bruder dazu gebracht, auch Halina zu ihrer Besprechung mitbringen zu dürfen. Sie saß, aufgeschwemmt und mit fahrigen Bewegungen, zu Füßen des Bettes.

Schließlich hatte sie es gewagt, ihre Frage zu stellen. Weil Luidor die Augen schloss, kehrte daraufhin eine Pause in ihrem Gespräch ein. Als er sie wieder öffnete, sagte er leise aber bestimmt: „Ausgeschlossen. Ich werde Adhumar nicht wieder als Knappen aufnehmen. Nicht nachdem die Angelegenheit in aller Munde ist.“ Er deutete auf eine säuberlich zusammengefaltete Heroldausgabe. „Dein pflichtvergessener Sohn hat mich als seinen Knappenvater zutiefst beschämt. Ein Ritter Hartsteens kann er mit dieser Unzuverlässigkeit nicht mehr werden.“

„Pflichtvergessen?“ Das Wort ließ Halina geradezu nach Luft schnappen. „Ausgerechnet Du wirfst meinem Sohn Pflichtvergessenheit vor?“

„Ich habe für ihn gesorgt, wie es meine Pflicht ist“, antwortete Luidor kalt, „Dein Sohn hat aber entschieden, dass er meiner Fürsorge nicht bedarf und wird nun mit den Konsequenzen leben. Reiß dich also zusammen.“

Seine Schwester zischte empört zurück: „Du, mein lieber Bruder, hast mir meine Familie, mein standesgemäßes Auskommen und meinen Kindern die Zukunft genommen! Und dann sagst du mir ich soll mich zusammenreißen? Bei den Göttern, ich wünschte fast, Du würdest diesen unseligen Prozess vor dem Reichsgericht verlieren. Damit du eine Ahnung davon bekommst, wie es sich anfühlt, wenn die Welt um einen herum zusammenbricht!“ Während dieser Worte verlor sie sichtlich die Fassung, bis sich ihre Stimme überschlug. Schluchzend schlug sie schließlich die Hände vor ihr von innerem Schmerz verzerrtes Gesicht.

Luidor war bei diesen Worten scheinbar noch bleicher geworden und in seinem Gesicht arbeitete heftig: „Bitte verlasse sofort diesen Raum!“ Presste er leise zwischen den Zähnen hervor.

„Komm“, Alrik fasste seine Schwester sanft an den Schultern und führte sie nach draußen.

Als er zurück kam, lag der Graf wieder mit geschlossenen Augen da: „Sie will es einfach nicht verstehen, oder?“

Der Baron von Hutt schüttelte den Kopf und meinte: „Es sind ihre Kinder, die du wie Spielsteine geopfert hast. Es stellt sich die Frage, ob es das wert war.“

„Die Schwingenfelser sind eines der ältesten und mächtigsten Rittergeschlechter Hartsteens. Sie zu ignorieren wäre Dummheit gewesen, denn sie könnten das entscheidende Zünglein an der Waage sein.“

„Möglicherweise, ja. Und Du hast sie noch mächtiger gemacht, als du entschieden hast, dass der Schwingenfelser und seine Kampfgenossen würdige Junker von Ebenhain, Moorsch und Kesseling abgeben würden – ohne mich überhaupt um meine Meinung als Baron von Hutt zu fragen.“

„Ich bin der Graf von Hartsteen!“ Für einen Moment schien es, als wolle Luidor sich aufrichten oder gar aufstehen, doch stattdessen sank er erschöpft zurück in die Kissen.

Stille trat ein und schließlich sagte Alrik langsam: „Du bist der Graf“, und nach einer weiteren langen Pause, „Ich denke, du solltest wissen, was in deiner Grafschaft und bei deinen Vasallen vor sich geht. Die eingesessenen und kleinen Familien auf deiner Seite fühlen sich übergangen und haben Angst, dass es ihnen wie den Windischgrütz ergehen könnte – ich kann es ihnen nicht einmal verübeln. Reibereien und Zusammenstöße sind an der Tagesordnung. Besonders der Katterqueller in Moorsch gießt ständig Öl ins Feuer, und was sich die Gneppeldotzer zuletzt gegenüber den Steuereintreibern des Verwesers herausgenommen haben grenzt an Reichsverrat. Es ist schwierig geworden, deine Entscheidungen vor zunehmend enttäuschten Vasallen verteidigen zu müssen und sie in ihre Schranken zu weisen; Vasallen, die sich wie der junge Adhumar fragen, wie es eigentlich um die Treue ihres Lehnsherrn gegenüber seinen Getreuen bestellt..."

„Genug davon!“

Die Schärfe in Luidors Stimme ließ den Baron zusammenzucken: „Soll ich dich allein lassen?“

Der Graf drehte mühsam den Kopf: „Nein. Ich kann nur kein erregtes Gefasel gebrauchen, wenn es gilt, das weitere Vorgehen zu planen. Die Zeit der Entscheidung naht. Und wenn sie gekommen ist, dann muss jeder Ritter Hartsteens den Platz einnehmen, der ihm zugewiesen wurde.“

„Und Adhumar...?“ versuchte Alrik zum letzten Mal, seinen Bruder auf ihren Schwestersohn anzusprechen.

„...wird dabei keine Rolle mehr spielen“, gab Luidor hart zurück und fügte hinzu: „Übrigens ist er nicht nur mein Neffe.“



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Texte der Hauptreihe:
10. Pra 1035 BF zur mittäglichen Ingerimmstunde
Standpunkte
Standpauke


Kapitel 5

Autor: Steinfelde