Geschichten:Knappe ohne Gunst - Haukerl

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Burg Oberhartsteen, Travia 1034 BF

Späne flogen. Unaufhörlich sauste der Stahl auf das harte Holz hernieder. Schnelle, kräftige Schläge trafen den bereits arg ramponierten Haukerl und brachten die Konstruktion gefährlich ins Schwanken. Erneut holte Adhumar aus und hieb seine Klinge zielgenau zwischen Kopf und Rumpf der Puppe. Es knirschte als sich das Übungsschwert in das Holz fraß. Ein weiterer derartiger Schlag und das Übungsintrument würde enthauptet. „Aufhören, Grützchen!“ Der spottende Zuruf des gräflichen Waffenmeisters ließ den Knappen innehalten. Es sich mit dem Ausbilder vollends zu verderben, war keine gute Idee. Adhumar von Windischgrütz war großgewachsen und kräftig und keiner nahm es so schnell mit ihm auf. Aber der alternde Recke war nicht nur stark, sondern kannte auch eine schier unerschöpfliche Zahl hinterhältiger Tricks, so dass er noch jeden Knappen, der sich gegen ihn auflehnte oder ihn herausforderte, zuerst demütigend in den Staub des Übungsplatzes und dann zum Latrinenschrubben geschickt hatte. Auch wenn Adhumar noch so wütend war, er beherrschte sich und ließ des Schwert sinken.

Grund für seinen Zorn hatte er genug. Seit dem Tag, an dem er erfahren hatte, dass der Graf - sein Onkel! - die Familie Windischgrütz preisgegeben hatte, um sich der Loyalität der zwölfmal verfluchten Schwingenfelsern in der Grafenfehde zu sichern, war seine Welt eine vollständig andere geworden. Alles, was er bis dahin über Treue und Pflicht gehört und befolgt hatte, war ihm seitdem nur noch wie leeres Gerede vorgekommen. Adhumar wusste, dass sein Bruder Frostelin letztendlich die Niederlage gegen die Schwingenfelser heraufbeschworen hatte. Aber der Graf hatte nicht einmal den Versuch unternommen, etwas zu Gunsten der Windischgrütz zu bewegen, sondern nicht nur ihn, sondern auch seine Mutter immer wieder kalt und brüsk abgewiesen, sooft sie um ein Wort baten. Gleichwohl hatte Luidor angeordnet, dass Adhumar auf dem Oberhartsteen bleiben solle. Seitdem war der Bursche am geschäftigen Grafenhof oft allein im Gegensatz zu früher, als er Wortführer und Mittelpunkt der Oberhartsteener Knappenschar gewesen war. Bis auf Helmbrecht von Steinfelde waren eigentlich alle von ihm abgerückt und vermieden wenn möglich seine Gesellschaft. Er bemerkte nur zu gut, dass auch die Bediensteten ihn nicht mehr mit dem früheren Respekt behandelten und sich über ihn lustig machten. Doch kaum einer außer dem Waffenmeister wagte es, seinen Spott laut werden zu lassen. Die durch jenen erlittenen regelmäßigen Erniedrigungen wogen dafür umso mehr.

Aber mindestens genauso schwer wog, dass Haldora ihn dazu gebracht hatte, ihr sein Wort zu geben, dass er nichts gegen die verhassten Schwingenfelser unternähme. Seit dem unseligen Treffen auf Ebenhain hatte er kein Wort mehr mit ihr gewechselt, nicht einmal einen Gruß hatte er ihr zu ihrer Hochzeit mit diesem Oderik gesandt. Sie hatte die Familie verraten, soviel stand für ihn fest; genauso wie diese unselige Thuronia von Windischgrütz, die damals gegen den Willen ihres Vaters einen Schwingenfels geheiratet hatte und die Ursache für den langen Streit zwischen den beiden Geschlechtern gewesen sein sollte. Allein vor sich hinbrütend und grübelnd hatte er seitdem viele Stunden zugebracht, sich schlaflos auf seinem Lager gewälzt, auf dem Wehrgang stehend ziellos in die Weite gestarrt und sogar in ein paar Büchern gelesen, um irgendeinen Hinweis zu finden, irgendetwas, das er tun könnte, für sich und seine Familie. Aber alles war umsonst gewesen. Und so waren nur Gefühle der Ohnmacht und des Zorns geblieben, die Gefühle eines Gefangenen.

Der bullige Ausbilder kam näher und betrachtete die beträchtliche Kerbe im Hals der Übungspuppe, tätschelte übertrieben fürsorglich deren Holzkopf und meinte dann: „Der Arme. Da hat ein ehrlicher Handwerker viel Arbeit reingesteckt. Es wäre betrüblich, wenn er durch deine Holzhackerstreiche ernstlich Schaden nähme. Lass das Schwert hier und geh in den Wirtschaftshof zum Holzhacken! Da bist du besser aufgehoben, Grützchen.“ Jemand hinter Adhumar lachte und er spürte die schadenfrohen Blicke der anderen Knappen in seinem Rücken, als er wortlos den Übungsplatz verließ.


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Texte der Hauptreihe:
7. Tra 1034 BF zur mittäglichen Efferdstunde
Haukerl


Kapitel 1

Silberstreif
Autor: Steinfelde