Geschichten:Die Höhle des Löwen - Leihenbutt bei Nacht
Dramatis Personae:
- Aischa saba Melin, Wächterin der Leibgarde des Großmeisters
- Anjun von Ingrams Fels, Geweihter Rondras, Ordensritter
Teil 11 – Leihenbutt bei Nacht
Die beiden Zornesritter hatten zwar – dank dem heldenhaften Opfer Seannas und Manujuks – einen Vorsprung herausarbeiten können, doch konnten sie bei Nacht kaum sehen wohin sie ritten, noch kannten sie sich gut genug in der Baronie aus, um sich blind zurechtzufinden. Zudem musste sie einzelnen Wachposten, bewaffneten Gütern und patrouillierenden Söldnern Simionas immer wieder ausweichen, während ihre Verfolger stets den direkten Weg nahmen und somit immer näher und näher kamen. Schließlich als Simionas Schergen drohten die beiden Zornesritter einzuholen, zügelte Anjun sein Pferd und zwang auch Aischa somit zum Halten. „Es hat so keinen Sinn, Edle Dame“, meinte der Geweihte knapp. „Es sind zu viele und sie werden uns bald stellen. Egal wie viele wir läutern werden, so wird die Kunde um der Umtriebe hier Schwertwacht nicht erreichen.“ Fragend schaute die Wächterin Anjun an. Noch bevor sie erkennen konnte was Anjun vorhatte, nahm er die Zügel eines der verbliebenen Ordenspferde, die ihnen gefolgt waren. Hastig stellte er fest: „Ihr wart bei der Comtessa und seid daher wichtiger. Bei Rondra, wartet hier bis sie vorbei sind und dann die Zwölfe mit Euch!“ Damit gab er seinem Pferd die Sporen und preschte im direkten Winkel von Aischa weg, dabei soviel Lärm machend, wie er nur konnte. Und Anjun hatte Glück, die Verfolger, die schon nahe heran waren, konnten in der Dunkelheit nicht ausmachen, dass das zweite Pferd vor ihnen nicht beritten war und jagten ihm nach und an Aischa vorbei. Innerlich fluchte die Wächterin, würde sie Anjun allem Anschein nach ebenfalls nie wiedersehen.
Der Geweihte führte seine Verfolger in Richtung Wildermark. Er hoffte Aischa damit soviel Zeit zu geben, wie sie brauchen würde um zumindest Leihenbutt und eventuell noch ein Stück weiter hinter sich lassen zu können, so dass sie – und vor allem die Informationen die sie gesammelt hatten – Schwertwacht erreichen sollten. Still betete er für sie, während seine Verfolger immer weiter aufholten. Anjun von Ingrams Fels wusste nicht wie lange die Verfolgung andauerte doch bemerkte er, dass sein Pferd nicht mehr lange durchhalten würde. ‚Wenn ich schon zu Rondra fahre‘ dachte er sich ‚dann nicht als Flüchtender:‘ Damit suchte er sich ein Stelle, die er halbwegs überschauen konnte und in der die zahlenmäßige Übermacht seiner Verfolger nicht vollends zur Geltung kommen würde. Und Rondra meinte es gut mit ihm. An einem kleinen Bachlauf stand eine kleine Baumgruppe. Mit den Bäumen im Rücken und dem Bach zur Seite hoffte der Zornesritter einen guten Kampf zu liefern. So saß er ab, zog sich die Kettenhaube über, seinen Helm auf und die Handschuhe an. Er klopfte seinem Pferd auf die Schenkel, so dass es davon stob, nachdem er sich seinen Schild zur Hand genommen hatte und zog fast gemächlich sein Bastardschwert. Mit ein paar rituellen Schlägen und Stößen versicherte er sich dem Gewicht der Waffe und stellte sich auf den bevorstehenden Kampf ein. Als sich das knappe Dutzend Söldner dem Zornesritter näherte, zügelte dessen Anführer sein Pferd. „Pest und Galle! Diese Hurensöhne haben uns getäuscht!“ rief er verärgert. „Ihr da, kommt mit mir! Wir müssen zurück und den zweiten finden, wenn wir unsere Haut auf unserem Leib behalten wollen. Und ihr da schlachtet diesen Schwachsinnigen und schließt euch dann wieder uns an.“ Damit wendete der Anführer sein Pferd und stob mit dem Großteil seines Trupps davon. Lediglich vier Söldner blieben zurück. Diese vier schienen sich ihrer Sache sehr sicher. Gemächlich stiegen auch sie ab. Sie waren alles raue, kampferfahrene Gesellen. Trugen Kettenhemden, Lederpanzer oder Plattenteile, während sie mit Schwertern, Äxten und Schilden bewehrt waren. Einer spannte sogar eine Armbrust. „Wir sollten uns mit dem hier Zeit lassen. Immerhin haben WIR dann einen geschnappt und die anderen versagt“, meinte einer herablassend.
Anjun machte keine Anstalten, dass die Worte oder auch nur die Anzahl seiner Feinde ihn beeindrucken würden. Er wusste, dass er heute sterben sollte. Er war mit sich im Reinen und somit zufrieden. Mit jedem Augenblick der verstrich, würde er Aischa mehr Zeit verschaffen. „Ja!“ Knurrte einer der Söldner. „Aber wir sollten diese Sache schnell hinter uns bringen. Beim Leichenfleddern können wir uns dann ja wieder Zeit lassen.“ Die Zustimmung der anderen Söldner ging in deren allgemeinen Gelächter unter. Schließlich hob der Armbrustschütze seine Waffe und schoss. Anjun riss seinen Schild hoch und drehte ihn etwas zur Seite, so dass der Bolzen nicht frontal auf das Metall traf und damit wirkungslos zur Seite abglitt. Als er sich zum Kampf stellte, betete er zur Leuin und hoffte inständig, dass sie ihr Auge jetzt in diesem Augenblick auf ihn richtete. „Oho, er wehrt sich, das Ritterlein.“ Höhnte der Söldner, der eine Streitaxt und einen Schild führte. „Ja, so macht es Spaß“, gab derjenige zurück, der ein Schwert zu anderthalb Hand gezogen hatte. “Heil Dir Rondra, Sturmleuin….!“ Die Söldner waren sich ihrer Sache sehr sicher und bemerkten nicht, wie Anjun sich in seinem Gebet für Rondra hingab. „Zaudere ich in meinem Kampf,…“ Die ersten Axtschläge waren nur halbherzig geführt und Anjun konnte sie ohne Mühe parieren oder blocken. „…Sende mir den Mut des heiligen Hlûthar.“ Jetzt versuchte es der Anderthalbhänder, doch auch dieser konnte keinen Treffer landen. „…Drohe ich zu verzweifeln im Angesicht der Übermacht,…“ Schließlich legte der Armbrustschütze seine Waffe zur Seite und kam mit gezogenem Kurzschwert und dem vierten Söldner auf den Zornesritter zu. „….sende mir die Tapferkeit des heiligen Hlûthar.“ Gemeinsam griffen sie jetzt an, wobei die Bäume und auch das Bachbett es unmöglich machten, dass sie ihn von mehr als zwei Seiten zu gleich attackieren konnten. „….Blenden mich Falschheit und Lüge…“ Mit einem kreisenden, waagrechten Schlag gelang es Anjun sogar die Angreifer zurück zu drängen. „..sende mir den Rat des heiligen Hlûthar.“ Langsam begriffen die Söldner, dass ihr Sieg nicht so leicht werden würde und dass ihr Feind zu kämpfen verstand. „…Wanke ich angesichts des übermächtigen Feindes,…“ Verbissen gab deren Anführer das erneute Zeichen anzugreifen. „…sende mir die Kraft des heiligen Hlûthar…..“ Wild und unerbittlich kamen die Schläge jetzt immer schneller, immer heftiger auf Anjun nieder. „…Entleihe mir, o Göttin, die heilige Flamme deines göttlichen Zorns, auf das ich streite zu Deinem Wohlgefallen allein….“ Schließlich musste der Zornesritter ein, zwei Schritte zurückweichen. „…Angefüllt mit dem Geist des Heiligen Hlûthars bleibe ich standhaft und halte Wacht!“ Schließlich gelang es einem der Söldner seine Deckung zu umgehen, sein Kettenhemd zu sprengen und in sein Fleisch einzudringen. Doch Anjun spürte den Schmerz überhaupt nicht. „…So sei es - bei meinem Blut!“ Und landete dagegen sogar selbst einen Treffer und brachte damit den Armburstschützen zu Fall.