Geschichten:Das Große Kabinett - Silberne Worte mit Finte
Endlich hatte sich der Markgraf dazu bewegen lassen, sich offen für seine eigenen Belange einzusetzen. Es war der zweite Tag des großen Kabinetts auf Schloss Auenwacht und damit höchste Zeit, den Forderungen der Reichsstadt Perricum einen Riegel vorzuschieben. Aldron von Firunslicht hatte sich trotz eigenen Unmuts in die Wogen der Politik gestürzt, um andere Adlige von seinen Ansichten zu überzeugen. Glücklicherweise fielen seine Worte am Vormittag auf zahlreiche offene Ohren. Das Machtstreben der Pfeffersäcke war vielen der Kabinettsteilnehmer ein Dorn im Auge. Und so hatte sich eine stattliche Gruppe gesammelt, die nun der Schreibstube zustrebte, in der sich der Kanzleirat für allgemeine Angelegenheiten während des Kabinetts einquartiert hatte, um Eingaben der Vasallen an die Krone aufzunehmen.
Vorweg der Heermeister Perricums selbst. Wie stehts gerüstet gab er bei jedem Schritt das Klirren seines Kettenhemdes von sich, dass die Schreiber mistrauisch aufsahen. An seiner Seite schritt Wallbrord von Löwenhaupt-Berg, Baron von Vellberg und als Garnisionskommandant von Perricum direkter Zeuge der Vorfälle. Aus Greifenfurt hatte sich Brin von Pilzhain, der Baron von Schnayttach angeschlossen und schloss den bahnbrechenden Keil an der linken Flanke ab, der die eigentlich als Wortführer vorgesehenen geleitete: Von seiner Gattin war Aldron empfohlen worden, sich der Hilfe Leomars von Zweifelfels zu verdingen. Der Zweifelfelser nämlich stand im Rufe, sich sehr gut mit den Befindlichkeiten der Kanzlisten auszukennen und auch gut vernetzt zu sein. Am Vortag schon - so hieß es - habe er mit seinen Reden und Winkelzügen den äußerst umstrittenen Ausbau des Elfenpfades durch die Krone sozusagen im Alleingang durchgebracht. Auch die Greifenfurter redeten sehr anerkennend von dem Mann, der sich glücklicherweise als Gegner der Allüren des städtischen Bürgertums herausstellte. Fünfter im Bunde war Anaxios von Ochs. Sein Magierstab wies ihn als gebildet aus, der Name Ochs sprach für Reichstreue. Bitter schmeckte, dass seine Unterstützung damit erkauft war, zu versprechen, sich nicht weiter für die Förderung der Rabenbrücke stark zu machen, aber es galt, Prioritäten zu setzen.
Mit einem energischen Stoß öffnete er die Tür zur Amtsstube. Der Insasse Unterkanzleirat Brandt von Molgar erschrak und kippte fast vom Stuhl, als die kampferprobten Hochadligen den Raum betraten. Der Teller mit den Resten seiner eben beendeten Speise wackelte bedenklich auf einem Stapel Pergamente, denen er als Beschwerung diente. Ein geschickter Griff mit zwei Fingern verhinderte das sich anbahnende Chaos in seiner Ablage, während die Flut an durch die Tür strömenden Baronen und Vögten langsam verebbte. Mit etwas pikierter Stimme versuchte er die Kontrolle über sein Reich wieder zurückzugewinnen: "Die hohen Herrschaften haben einen Wunsch, nehme ich an?" "Das wohl! Es geht um die Anmaßungen der perricumer Bürger." Die schlechte Laune des Heermeisters schlug in seine Stimme durch, die wirkte, als wolle er sein Gegenüber zum Mittagsmahl nehmen. Brandt von Molgar zog mit spitzen Fingern nach kurzem Suchen eines der Schreiben aus dem Packen mit den durch Boten zugestellten Anliegen und überflog die Zeilen noch einmal. Als plötzlich ein aus weiterem Pergament bestehendes Geschoss in seinem Sichtfeld aufschlug, zuckte er unwillkürlich erneut zusammen. Obenauf erkannte er das Siegel der Burggräfin von Ochsenblut, doch schienen noch zahlreiche andere Schreiben in dem Bündel darunter zu ruhen. Probeweise hob er einige an und ließ die Siegel auf sich wirken. "Es wird etwas Zeit benötigen, dies alles zu studieren...", versuchte er einen Vorstoß, um sich vielleicht der Vorstelligen vorerst zu entledigen. Die Schwerter machten ihn etwas nervös.
Derweil wechselten diese einige Blicke. Der Landvogt vom Arvepass nickte dem Kronvogt zu Neerbusch einmal bekräftigend zu und Leomar von Zweifelfels trat näher an den Schreibtisch heran, griff den bereitstehenden Stuhl an der Lehne und setzte sich mit einer fließenden Bewegung. „Wohlgeboren, ich weiß Ihr seid ein vielbeschäftigter Mann und gerade dieser Tage sehr begehrt. Es ist die Arbeit von Kanzlisten wie Ihr einer seid die das Reich zusammen halten. Nur duldet unser Anliegen bedauerlicherweise keinen Aufschub. Ihr selbst stammt aus alten aranischen Geschlecht und wisst, dass der alten Adel es nicht zulassen kann, den ungeheuerlichen Forderungen der Pfeffersäcke statt zu geben, denn es würde einen Präzedenzfall schaffen, dessen Folgen unabsehbar sein würden. Praios liebt den Adel, erfüllen wir hier auf dem Derenrund doch die von ihm auferlegten Aufgaben in Demut und Göttervertrauen in die praiosgefällige Ordnung. Der Adelsstand wurde von den Göttern auserkoren um über die Gemeinen zu herrschen – so will es Praios! Keine Stadt und sei sie auch eine Stadt des Reiches hat das Recht an der von den Göttern gegebenen Ordnung zu rütteln.“ Leomar schaute seinen Gegenüber eindringlich in die Augen. „Mein lieber Freund, ich erinnere mich noch zu gut an unsere garether Zeit, als wir gemeinsam unzählige Abende den Klängen der aranischen Zitter gelauscht und uns mit Dattelwein berauscht haben. Was haben wir damals über die wachsende Macht der Pfeffersäcke gezetert. Nun habt Ihr die einmalige Gelegenheit den Worten von damals Taten folgen zu lassen, erhebt Euch aus Eurem Kanzleisessel und tut das Euch mögliche um das eherne Recht des Adels zu schützen.“ Der Unterkanzleirat war bei den letzten Worten des Zweifelfelsers aufgestanden nur um sich dann wenige Augenblicke später etwas benommen wieder in seinen Sessel zurückfallen zu lassen. „Mir ist, als ob Hesinde Eure Zunge führe, tut sie doch Wahrheit kund, das wohl. Ich werde unverzüglich mit der Bearbeitung der eingegangenen Schreiben beginnen, das kann ich Euch versichern.“ Leomar nickte zufrieden und deutete seinen Begleitern zu gehen.
Als man die Kanzleistube verlassen hatte, atmete der Firunslichter einmal tief durch. "Na also. Recht bleibt, was rechtens ist. Seine Erlaucht wird erfreut sein. Und bei den Göttern - Zweifelfels, ihr führt das Wort so spitz und treffend wie die Lanze, das wohl! Der Adel des Reiches steht in eurer Schuld."