Geschichten:Die Chronik der Gemmenritter - Vorwort
verfasst von Geron von Esenfeld,
genannt der Angler,
Efferdritter und Ältester des Bundes.
Ich will nicht sagen, dass ich der Erste war, noch der Beste unter ihnen. Aber ich war einer von vieren. Und das genügt.
Es wurde viel erdichtet in den vergangenen Jahren. Von zwölf Gründungsmitgliedern ist zu hören, manchmal von über zwanzig. Die Wahrheit ist schlichter – und vielleicht gerade deshalb würdig, niedergeschrieben zu werden: Es waren nur vier.
Vier Streiter, vier Waffen, vier Schultern, auf denen all das ruhte, was später der Bund der Gemmenritter wurde.
Wir waren keine Helden, als wir uns fanden. Wir waren gefallen. Vom Adel verlassen, ohne Lehen, ohne Sold, und – was schlimmer wiegt – ohne Stolz. Wir hatten uns kaufen lassen, beim Schandturnier von Luring im Jahre 755 nach Bosparans Fall, und das, was uns am meisten schmerzte, war nicht der Verrat am Volk, sondern der Verrat an uns selbst. Ich, Geron, hatte meine Lanze gesenkt, als mein Herz sich hätte erheben sollen.
Und doch: Die Zwölfe sind gnädig wie fruchtbare Au oder launisch wie das Meer, wer weiß das schon. Beim darauffolgenden Ingerimmsturnier zu Eslamsgrund kamen wir in unserer Schuld zueinander. Ayshala von Bosquirquell, Rondras Geweihte und meine schärfste Richterin. Alwene von Essebeck, meine alte Gefährtin aus Kriegstagen, wild wie der Funke Ingerimms. Und Werdomar von Rothental, ein gestrenger Streiter, der mit seinem Blick allein die Wahrheit aus dir herausmeißeln konnte. Wir vier. Am Feuer. Mit offenem Herzen und gesenktem Haupt.
In jener Nacht beichteten wir einander, was geschehen war – und schworen auf Ayshalas Schwert, "Leuinnenzorn", dass wir unsere Ehre wiederherstellen würden. Wir nannten es den "Bund der zwölfgöttlichen Ehre", nicht aus Hochmut, sondern aus dem demütigen Wunsche, allen Zwölfen wieder ein wenig näher zu sein.
Vielleicht, weil ich der älteste war, weil die Gezeiten des Lebens mich gelehrt hatten, solche Omen zu erkennen, war es an mir zu bemerken, dass ein jeder von uns einem der vier Götter von Brig-Lo besonders verbunden war: Praios, Rondra, Efferd und Ingerimm. Das war kein Zufall, das war ein Zeichen der Götter. Das war die Queste, die sie uns auferlegt hatten.
Und es war wiederum kein Zufall, dass wir alle unter die letzten Acht gelangten, und dass Alwene, der Hammer aus Waldstein, das Turnier gewann. Von ihrem Preisgeld kaufte sie Edelsteine, einen für jeden der vier Götter – und ließ sie in unsere Klingen einsetzen. So wurden wir genannt, zunächst mit Spott: Die Gemmenritter. Und später mit Ehrfurcht.
Als wir im folgenden Jahr zur Zwölfgöttertjoste nach Perricum zogen, wollten schon viele zu uns gehören. Doch Werdomar, weise und streng, erkannte, wie leicht ein Bund sich verlieren kann, wenn die Falschen ihm beiträten. So beschlossen wir diese unsere vier ehernen Gesetze:
I. Unser Bund schließt Ehe und Lehen aus, denn nur wer nichts hat außer der Ehre, schützt sie wie einen Schatz.
II. Eine Gottheit, ein Tjoster, eine Klinge, auf dass wir den Götterkreis ehren und ihm nicht spotten.
III. Nur in der Tafelrunde aller Gemmenritter kann ein neues Mitglied eingeschworen werden, denn unsere Stärke entstammt unserem Bund.
IV. Siegesprämien gehören dem Bund, nicht dem Einzelnen, auf dass kein Streiter in Versuchung geführt werde, für sich zu kämpfen statt für uns alle.
Dies ist mein Zeugnis. Und wenn einst jemand in später Zeit diese Zeilen liest und fragt: "Waren sie Helden?" Dann möge er oder sie wissen:
Nein, wir waren fehlbar.
Aber wir sind aufgestanden.
Und das, so weiß ich, zählt am meisten.
Seit jenen Tagen ergänzt und fortgeführt von den jeweils Ältesten des Bundes, neue Seiten in der Chronik der Gemmenritter werden jeweils beim Tode eines Mitglieds angefügt.