Geschichten:Schmerzen und Glück - Alptraum

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Staub wirbelte durch die Straßen, Todesschreie verhallten irgendwo in den endlosen verschatteten Gassen der einstigen Metropole des raul'schen Reiches. Dunkel ward der Himmel, das Auge des Praios nicht mehr zu sehen, verdunkelt durch Dreck, Staub und die Schatten der gewaltigen Festung aus dämonischer Macht, die auf die Stadt des Lichtes gestürzt war.

Doch nicht der Gedanke an die darbenden Priester beherrschte den Ritter, der in just diesem Moment mit seinem der Rondra geweihtem Schwerte gegen unheilige Kreaturen focht, um die Priester der Travia zu beschützen. Es war allein dieser Kampf, die Vernichtung dieser sinistren Kreaturen, der seinen Geist beherrschte. Wutentbrannt und auch unter Schock stehend, durchbohrte das mit der Kraft der Leuin erfüllte Schwert den Nicht-Leib dieses niederhöllischen Henkers. Ein schriller Schrei durchzog die staubverhüllten Gassen und die Unkreatur löste sich in eklen Nebel auf. Ein weiterer Schrei durchzuckte die Szenerie, doch war er nicht schmerzerfüllt, sondern getragen von Hass und Wut:

„IGNIFAXIUS!“

brüllte die sonst dünne Stimme eines Zauberers und eine gleißend helle Lanze aus reinem Feuer durchbrach die Staubschicht, um eine weitere Unkreatur in dieses reine zerfetzende Feuer zu hüllen. In zerfetzter Robe stand der Zauberer dort, sich auf seinen Stab stützend und doch mit einer Leidenschaft auf den kreischenden Tiger mit geiferndem Maul starrend, die den Göttern gedacht war. Brennend in diesem elementarem Feuer gab das dämonische Vieh nicht auf und stürzte vorwärts auf den Magier, der sich schützend vor eine alte Priesterin gestellt hatte. Drohend schwang er seinen Stab und bellte:

„GARDIANUM ZAUBERSCHILD!“

Flackernd erschien eine schimemrnde Kuppel wie aus Licht um den Zauberer und die Priesterin, eine Kuppel, an der Klauen und Maul der blureißenden Unkreatur abprallten wie an einer Wand aus Stein. Tirus Dracomar von Gorsingen, Adept der Contramagischen Schule zu Gareth schöpfte neuen Atem und bereitete sich auf einen weiteren Zauber vor. Doch seine astrale Macht war geschwächt, am Ende. Mehr als einen Zauber konnte er nicht mehr wirken, es sei denn mit seinem Blut. „So die Götter dieses Ende für mich vorgesehen haben, sei es!“ knurrte er entschlossen.

Ebenso entschlossen schwangen seine Brüder Junker Carolan von Gorsingen zu Ferinstein und Lucardus von Gorsingen ihre gesegneten Klingen gegen das Gezücht, wehrten die Angriffe auf die Priesterinnen der Travia ab. Doch mit geradezu lebenshasserfüllter Entschlossenheit drang ein weiteres Biest raubkatzengleich auf den Junker aus der Baronie Syrrenholt ein, während Lucardus aus vielen Wunden blutend unvermittelt zusammenbrach. Tirus musste handeln. Schnell sammelte er seine Kräfte, konzentrierte sich.

Der niederhöllische katzengleiche Bote des Blutrausches sprang vor, rammte seine Klauen in den Brustpanzer des Ritters von Gorsingen. Carolan brüllte auf, als die Klauen den Panzer durchbohrten und in sein Fleisch vorstießen. Klappernd fiel das Schwert zu Boden und das war der Moment, den Tirus zu nutzen wagte.

„IGNIFAXIUS FLAMMENSTRAHL!“ brüllte der Zauberer erneut, hob beide Hände und aus beiden Händen schossen zwei Flammenstrahlen auf die letzten beiden niederhöllischen Schlächter zu. Flammen züngelten um das beißendkalte Fell, stoben auf den verwundeten Ritter über, Staub wirbelte auf, verdunkelte den Blick.


[ Im Gorsinger Haus zu Maarblick/ Brn. Syrrenholt ]


Schweißgebadet wachte die Alt-Junkerin auf, saß nahezu senkrecht in ihrem Bett und starrte in die Dunkelheit. Augenblicke später hörte Traviadane von Rothammer-Gorsingen weiche herbeieilende Schritte mehrerer Personen und dann öffnete sich die Tür zu ihrem Gemach.

„Herrin?“ flüsterte eine besorgte Stimme und es schob sich eine weibliche Gestalt in das Zimmer, gefolgt von einer weiteren Dame. „Herrin, ich bin es, Aidaloê.“ Die Stimme war nun direkt neben Traviadane. „Ist Ihnen etwas? Habt Ihr schlecht geträumt?“

Traviadane kam langsam zurück in die Gegenwart, zurück in das warme Bett in ihrem Gemach. Sie sah sich um, bemerkte die beiden Frauen – eine schlanke und eine kräftige – die sie mit sorgenvollen Mienen betrachteten. Sie waren nur in ihre Schlafgewandung gekleidet, darüber nur einen dünnen Morgenrock. Die Mutter des Junkers Carolan schüttelte sich und zog die Decke enger an sich.

„Ich weiß nicht mehr.“ murmelte sie verschreckt. „Ich wieß nicht mehr. Wohl nur ein schrecklicher Traum.“ Ihre Stimme klang dünn und kraftlos. Sie konnte sich – bei Boron – wirklich nicht mehr an den Traum erinnern, der sie wachgerüttelt hatte.

Aidaloê, die halbelfische Erste Schreiberin des Junkers Carolan – Traviadanes erstgeborenen Sohnes – drückte ihre Herrin zurück in die Kisse und wandte sich gleichzeitig an der Alt-Junkerin Kammerzofe Luitperga Hälderin: „Bitte, Luitperga. Bring doch unserer Herrin schnell eine Tasse warmer Milch und tu' etwas Honig hinzu.“ Die dralle Nordmärkerin nickte, warf noch einen besorgten Blick auf ihre Herrin und verschwand dann in Richtung Küche.

Aidaloê zog die warme Decke über den Oberkörper der Alt-Junkerin. „Es war nur ein schlimmer Traum. Er ist jetzt verschwunden, Bishdariel hat ihn mitgenommen, Herrin.“ versuchte sie die alte Edeldame zu beruhigen. Die Halbelfe lächelte und strich sich eine der goldenen Strähnen hinter der spitze Ohr zurück.

„Gleich kommt Luitperga mit warmer Milch. Und der Morgen ist auch nicht mehr fern.“ Traviadane sah nach draußen, als hoffte sie die ersten Sonnenstrahlen gen Rahja erblicken zu können – doch die Läden ihres Fensters waren verschlossen und es war dunkel in ihrem Zimmer. „Aidaloê, Kind. Bitte mach doch Licht, entzünde die Kerzen. Es ist so dunkel hier drinnen.“

Die Angesprochene strich der alten Dame über das faltige Gesicht und nickte. Dann erhob sie sich und begann damit, einige der Kerzen mit Stahl und Feuerstein zu entzünden. Nicht lang dauerte es und ein warmes Licht erhellte das Gemach der ehemaligen Junkerin von Ferinstein und nunmehrigen Edlen von Syrrenmaar. Während Aidaloê die Kerzen entzündete, betrachtete Traviadane die schon fast vierzig Sommer zählende Halbelfe. Sie suchte nach... ja nach was? Schnell senkte die Alt-Junkerin den Blick und schob sich tiefer in die Decken hinein.

Als einige Kerzen leuchteten, legte Aidaloê Stahl und Stein zurück in die Lade und schob sie leise zu. Danach trat sie wieder zum Bett der Herrin. „Seht Ihr, jetzt ist es angenehm hell. Die Lichter leuchten.“ Lächelnd setzte sie sich auf die Bettkante und wickelte den Morgenrock um sich. „Habt keine Angst mehr, der Traum ist vorbei.“

Ein leichter Seufzer entrang sich der Kehle der alten Dame und ihr Blick wurde leicht entrückt. „Ich weiß, mein Kind. Geh ruhig zu Bett, du bist sicherlich müde. Gleich kommt Luitperga mit der Milch.“

Aidaloês Blick war etwas skeptisch, doch Traviadane wunk jede Skepsis ab. Energisch strich sie sich eine gelöste Haarsträhne zurück unter die weiße Haube. „Mach dir keine Sorgen. Es war nur ein Traum. Nur ein Traum! Wenn ich nicht gleich wieder einschlafen kann, werde ich noch ein wenig lesen. Du geh nur zu Bett, morgen wartet eine Menge Arbeit auf dich.“

Sie rang sich ein herzliches und möglichst zuversichtlich wirkendes Lächeln ab. Immer noch etwas skeptisch erhob sich Aidaloê und verabschiedete sich mit den Wünschen für eine diesmal ruhigere Nachtruhe. Traviadane war allein. Allein mit ihren Gedanken, Gedanken an den verschwundenen Albtraum und Gedanken an eine ferne Vergangenheit.


[ Am nächsten Morgen auf dem Gut ]


Nachdenklich spazierte die Alt-Junkerin über den Hof, sich auf ihren knorrigen Stock stützend. Sie schien etwas abwesend, sodass die Bediensteten ihr ausweichen mussten. Doch dann und wann kam etwa der greise Hofmeister Quendan Steinbrück zu ihr, um sie wegen des Tagesablaufes etwas zu fragen oder die Köchin Tertia wollte mit ihr die heutigen Speisen besprechen. Denn dieser Tage war Traviadane die Herrin des Junkergutes. Ihr Sohn, Junker Carolan von Gorsingen, war gemeinsam mit seinem Bruder nach Gareth gereist, um dort seinen Geschäften nachzugehen. Und auch der dritte Bruder im Bunde war fern der Ferinsteiner Heimat, denn seine Aufgaben riefen ihn als Zauberer nach Punin, dorten tagte der Allaventurische Konvent der Magie. Doch das Leben in Maarblick und Rohden ging auch ohne die drei weiter – allerdings fehlten sie. 'Sie kommen bald zurück.' erinnerte Traviadane sich selbst und blieb dann mitten in ihrem Lauf stehen. Abrupt drehte sie sich um und fixierte einen Knecht, der gerade dabei war, ein Reitpferd zu striegeln. Es schien, als wollte sie ihm eine Anweisung zurufen, doch dann schüttelte sie den Kopf und entschied sich anders.

„Herrin?“ Traviadane drehte sich um und blickte in das Gesicht der Ersten Schreiberin. Aidaloê stand vor ihr mit einer Tasche voller Pergamente, die versuchten aus dem Chaos zu entfliehen.

Die Alt-Junkerin lächelte und antwortete: „Was kann ich für dich tun, mein Kind?“

Aidaloê griff zielsicher nach einer Rolle Pergament, die irgendwann mal en Brief werden wollte und hielt es entrollt der Alt-Junkerin hin. „Hier ist der Brief an die Junkerin von Berstenbein, den ich vorbereiten sollte. Ihr wolltet ihn noch einmal lesen und dann siegeln.“

Traviadane ergriff das Schriftstück und las es langsam und konzentriert. Während sie mit dem Lesen des Briefes beschäftigt war, wurde sie von Aidaloê betrachtet. Intuitiv spürte die Halbelfe, dass etwas Tieferes, Nachdenkliches unter der Konzentration verborgen lag. Sie spürte die innere Unruhe der Edlen und vermeinte gar einen Fetzen des Albtraumes von letzter Nacht wahrzunehmen – ein spitzer Schrei. Aidaloê schloss die Augen, versuchte ihrem eigenen Geist wieder Klarheit zu verschaffen.

Sie nahm den Brief wieder entgegen und auch das Lob der Edlen. „Du hast vortreffliche Arbeit geleistet, Kind. Mit diesem Brief kann die Berstenbeinerin gar nicht anders, als uns die Wolle zu überlassen.“ Vergnügt zwinkerte Traviadane und in diesem Moment war nichts mehr von der inneren Unruhe der Edlen zu spüren – sie wirkte so lebhaft wie eh und je. „Komm, ich siegele noch den Brief und...“

In diesem Moment preschte ein Reiter durch das wie immer geöffnete Tor des Hof. Schweißnass waren die Flanken seines Braunen, schäumend troff der Geifer aus dem Maul des stattlichen Tieres und kaum kam das bebend atmende Pferd zum Stehen, rutschte ein vollkommen ausgemergelter Reiter aus dem Sattel zu Boden und blieb keuchend dort liegen. Sofort stoben aufgeregt einige Knechte und Mägde herbei. Auch Aidaloê und Traviadane stürmten zum Unglücksort.

„So hört doch auf zu tratschen und helft dem armen Mann!“ befahl die Alt-Junkerin und verschaffte sich mit einigen Hieben ihres knorrigen Stockes Gehör.

Zwei der Knechte kümmerten sich dann um das Pferd, während der Rest sich um den Mann kümmern wollte. Doch er wehrte alle Hilfeversuche ab und krächzte nur, versuchte sich zu äußern, doch seine Stimme brach. Aidaloê zuckte unter einem Schwall gräßlicher Panik zusammen, sah grausame Dunkelheit in ihrem Geist aufwallen – sie hatte in den Geist des Reiters geblickt, sie wusste es.

„Dämonen!“ krächzte der Mann. „Sie haben Gareth angegriffen. Die Stadt des Lichtes ist ... zerstört!“


Es hatte viel Zeit gedauert, bis Traviadane, Aidaloê, Greifmar von Rothammer-Hardenried – der Verwalter des Gutes – und die Ritter Ailgrimm von Fuchsstein und Trautmann von Haderstein für Ruhe gesorgt und die Gemüter beruhigt hatten. Die Bewohner des Gutes waren außer sich, als der Reiter mit der schrecklichen Kunde herausgeplatzt war, doch sie hatten keinen Zweifel an der Wahrheit des Gesagten. Auch die hohen Herren hatten keinen Zweifel, doch sie hatten für Ruhe sorgen müssen. Sie hatten die gesamte Dienerschaft nun in dem großen Speisesaal versammelt und sie mit Milch, Dünnbier, Käse und Brot ruhiggestellt. Ritter Ailgrimm von Fuchsstein hatte sich erboten, aufzupassen, dass niemand dem Wahn ob der Furcht verfiel, sodass sich Traviadane, Greifmar, Trautmann und Aidaloê um de Reiter und die Nachrichten kümmern konnten. Es war ihnen über einige Stunden hinweg gelungen, einen halbwegs zusammenhängen Bericht aus dem Mann – er nannte sich Alrik Gerber – herauszubekommen. Er war ein Flüchtling, hatte sich irgendein Pferd genommen und war mit wenig Sack und Pack aus der Stadt geflüchtet. Er hatte ihr den Rücken gekehrt, hatte nur einfach weg gewollt.

Es waren erschreckende Berichte aus Gareth, die der Flüchtende mitbrachte. Irgendwann war er vor lauter Erschöpfung eingeschlafen und diese Zeit hatte Trautmann genutzt, den Perainepriester Lorderin Halburg zu holen, um dem jungen Mann beizustehen. Die Mienen der Umstehenden waren verdüstert, denn alles, was sie wussten, waren Halbwahrheiten, angsterfüllte Kunde aus dem Mund eines geschockten Flüchtlings, der durch seinen Tagesritt and en Rand der körperlichen Erschöpfung getrieben worden war.

Aidaloê bemerkte die Panik in den Augen Traviadanes und sie ahnte, welche Frage die alte Edle nun bewegte. Was war mit ihren zwei Söhnen in Gareth? Was war mit ihrer Tochter am Arvepass? Was war mit ihren Kindern?!

Die Halbelfe trat zu der Gutsherrin und legte ihr de Arm um die schmale und erstaunlich kraftlose Schulter. „Vertraut auf die Götter, SIE werden Euren Kindern beistehen.“ versuchte sie der Herrin Mut zu machen, doch sie sah die Verzweiflung in den Augen Traviadanes.

„Ich habe es geahnt.“ flüsterte sie.

Aidaloê hatte es nicht ganz verstanden. „Was habt Ihr geahnt?“

Traviadanes Kopf fuhr herum und starrte Aidaloê in die sanften und doch erschrockenen Augen.

„Ich habe es geahnt. DAS wollte mir der Herr BORon durch seinen Traumraben Bishdariel verkünden. Dass meine Kinder tot sind!!“ Sie sprach mit schriller Stimme. „Sie sind im Kampf gegen die dunklen Horden gefallen und ich habe davon geträumt. DAS war mein Traum, DAS war eine Botschaft!“

Sie brach in erschütternde Tränen aus und sackte wie ein schlaffer Sack in sich zusammen. Aidaloê kniete nieder, nahm die Junkerin in den Arm und drückte sie. Sie wusste nicht, was sie hätte sagen oder was sie hätte tun sollen – also schwieg sie und strich der verzweifelten Traviadane einfach über das graumelierte Haupt, sanft und wieder und wieder. Tränen rannen der Edlen über die Wangen wie Bäche, niemand hatte sie bislang so verzweifelt gesehen. Doch irgendwann versiegte der Tränenfluss, Traviadane wurde ruhiger. Mit matter kraftloser Stimme versuchte sie zu sprechen, ihre Verzweiflung und Mutlosigkeit suchte sie zu überspielen.

„Wir müssen die Dienerschaft instruieren, sie dürfen die Gerüchte nicht nach außen tragen. Verschließt das Tor und erteilt Ausgehverbot, niemand darf nach Maarblick gehen.“ Ihre Stimme klang kratzig, belegt, erschöpft, doch Traviadane versuchte Kraft zu schöpfen. Mit der alten Hand wischte sie sich einige Tränennachzügler von den Wangen und versuchte sich zu erheben. Aidaloê half ihrer Herrin, stützte sie, die sie ein wenig schwach auf den Beinen war.

„Ritter Trautmann, reitet gen Herrschaftlich Zankenblatt. Wir müssen von Seiner Hochgeboren mehr erfahren. Oder – so er bei den Göttern noch nichts weiß – ihn in Kenntnis setzen.“

Der eher zierliche Ritter nickte, hatte seine Anweisung verstanden. Sofort und ohne Umschweife verließ er das Gastzimmer, in dem der Flüchtling untergebracht worden war und machte sich zu den Ställen auf. Er durfte keine Zeit mehr verlieren. Derweil fuhr Traviadane fort, mit matter Stimme ihre Anweisungen zu geben: „Aidaloê, du kümmerst dich mit Ritter Ailgrimm um die Dienerschaft. Erzählt ihnen nicht zuviel, bedenkt sie lieber mit Aufgaben. Haltet sie davon ab, Gerüchte in Maarblick zu verbreiten – eine Panik können wir...“ Ein Schniefer brach aus ihrer Brust hervor. „... eine Panik können wir nicht gebrauchen.“

Die alte Edle ließ sich von ihrer Schreiberin zu einem Stuhl führen. Dort nahm Traviadane Platz, während ihr Neffe Greifmar von Rothammer-Hardenried, die Schreiberin Aidaloê und der Peraine-Priester Lorderin Halburg sie erwartungsvoll ansahen. „Greifmar, du wirst mit seine Hochwürden begleiten. Ihr werdet sicherlich die anderen Götterdiener informieren wollen.“

Der alte Perainepriesterin in seiner grünen Leinenkutte schlug die schattige Kapuze zurück und nickte entschlossen. Schon als die ersten Gerüchte an sein Ohr drangen, wusste er, dass er die anderen Götterdiener von Maarblick und Rohden über die neuerlichen Geschehnisse würde in Kenntnis setzen müssen.

„Und das wichtigste...“ Traviadanes Stimme wurde eine Spur leiser, schwächer. „... niemand wird nach Gareth reiten. Wir wissen nicht, was in der Reichshauptstadt vor sich geht und das...“

Ihre Stimme brach und erneut brach die Edle in Tränen aus, als ihr Gewahr wurde, wer noch in Gareth weilte – ihre eigenen drei Söhne. Auch Aidaloê standen Tränen in den Augen, als sie ihre Herrin so verzweifelt sah. Doch Traviadane zwang sich mit einer inneren Kraft zur Ruhe. Sie räusperte sich, trocknete dann die Tränen mit dem Zipfel ihres Schultertuches.

„... Das Risiko einer Gefahr darf niemand im Moment auf sich nehmen.“

Traviadanes Blick war klar und deutlich. Ein eiskalter Griff hatte sich um ihr Herz gelegt, ein Kältehauch, der ihr die nötige Kraft gab, bis zum Eintreffen bewahrheiteter Kunde durchzuhalten. Sie wusste nichts, nichts. Und solange galt der Angriff auf die Hauptstadt als nicht erwiesen.


[ Irgendwo auf den Feldern der Baronie Syrrenholt ]


Das Pferd war nicht geeignet. Es war ein Kutschpferd, hatte im Geschirr einer herrschaftlichen Kutsche gestanden und versucht sich zu befreien. Es hatte fliehen wollen und nur durch besonderes Einfühlen war es dem Reiter gelungen, das Pferd zu zähmen. Jetzt ritt er es und hetzte es über die sanft gewellten Felder der Baronie Syrrenholt, seiner Heimat. Sowohl der Reiter als auch das Pferd keuchten, atmeten schwer. Sie waren erschöpft, ihr Geist war zerrüttet.

Doch der eigene Lebenswille hielt sie aufrecht, band sie aneinander. Braune Flecken verunzierten die dunkelblaue kostbare und zerfetzte Robe, die er trug – rotbraune Flecken getrockneter Blutlachen. Er musste nach Hause, er musste es.

Er musste einfach nach Hause ...