Geschichten:Schmerzen und Glück - Ein neuer Anfang (3. Teil)

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Schweigen senkte sich über den Raum, drückendes Schweigen angesichts dieser Offenbarung. Der Barons treuester Verbündeter, Lehnsmann und Freund war gefallen in den Schlachten um Gareth. Erlan hatte keinen Grund an den Worten seiner Lehnsfrau zu zweifeln. Junker Carolan war ihm immer eine treue Stütze gewesen und nun hatte sich dort eine Lücke aufgetan. Es dauerte einige Augenblicke, bis die Alt-Junkerin sprach und damit diese Decke aus Schweigen von der Versammlung riss.

Und als habe sie die Gedanken des Barons gelesen, antwortete sie auf die unausgesprochene Frage des Zankenblatters: „Wir sind hier um die Lücke, die sich aufgetan, zu schließen.“

Sie richtete ihren Blick aus den grauen Augen auf die Halbelfe neben ihr. Erlan schob den Silberkelch mit verdünntem Wein von sich und harrte nun der Dinge die da kommen mochten.

„Junker Reto Hagenius hat eine Tochter. Bevor er mit mir den Traviabund einging, hatte er eine Affaire mit einer reisenden Elfin, die als Bardin im Gorsinger Haus aufgespielt hatte – ihr Name war Eldariêl Traumweberin, sie war wohl eine Elfin des Auvolkes.“

Ihre Stimme zitterte ein wenig, als sie von diesen Zeiten erzählte, da sie noch nicht Teil des Lebens ihres Gemahls gewesen war. Wie als schützendes Zeichen zog die alte Frau ihren dünnen Seidenschleier bestickt mit den Primeln des Hauses Gorsingen über das Haupt und fuhr mit der Hand die bestickten Spitzen am Saum entlang.

„Reto Hagenius war damals ein der Rahje sehr zugetaner junger Mann und so kam es, dass neun Monde später die Elfin ein kleines halbmenschliches Kind zur Welt brachte.“

Aidaloê ließ bei diesen Worten die Hand der alten Edlen los, legte die beiden Hände in den Schoß unter der Tischkante und senkte den Blick.

Erlan kannte solche Gesichtsausdrücke, es war der Halbelfe unangenehm, ein Bastard zu sein. Der Baron von Syrrenholt ahnte, worauf Traviadane hinauswollte und nahm ihr die weiteren Ausführungen vorweg. Mit fester Stimme – denn in einem Moment erschien es ihm wie Verrat an seinem Junker Carolan – fing er darob an zu sprechen: „Edle Traviadane, Ihr wollt mir also sagen, dass die Dame Aidaloê Maarblickerin, deren elfisches Erbe unübersehbar ist, die Tochter Junker Reto Hagenius' mit einer reisenden elfischen Bardin ist?“ Er fuhr fast zusammen, seine Stimme klang viel schärfer als beabsichtigt – er hatte er fragend klingen wollen.

Auch die anwesenden zeigten kleine, winzige Reaktionen von Verstimmung – Vater Lorderin runzelte die Stirn, die Augen des Rondrageweihten Helmbrecht verengten sich und Traviadane bekam einen flehentlichen Gesichtsausdruck.

„Genau das möchte ich sagen“, wagte die Edle von Syrrenmaar einen weiteren Vorstoß, um dem Baron die Situation des verwaisten Junkertitels darzulegen. „Ich weiß, dass es alles äußerst wage klingt, doch natürlich kam ich nicht ohne Beweise.“

Nun griff sie in ihre lederne Umhängetasche, die sie die ganze Zeit bei sich getragen und dann neben ihren Stuhl gestellt hatte. Aus den tiefend es alten, schon trocknen und harten Leders mit der schönen Elfenbeinschließe förderte sie ein kleines Buch sowie einige Pergamente, sorgfältig zusammengerollt, zutage und schob sie über den wuchtigen Eichenholztisch zu Seiner Hochgeboren.

„Hier seht Ihr das Tagebuch seiner Wohlgeboren Reto Hagenius', sowie Briefe an Eldariêl, die niemals zugestellt wurden. Weiterhin eine Urkunde über die Geburt der kleinen Aidaloê die sorgfältig unter Verschluss gehalten wurde. Und weiters begleiteten mich Vater Lorderin Halburg und Ritter Helmbrecht von Baliho, die damals bei der Geburts und beim Geburtssegen anwesen waren und die Abstammung Aidaloês bezeugen können.“

Der Hüter der Saat erhob sich bei diesen Worten und strich seine grüne schlichte, aber saubere Kutte glatt. Mit seinen alten Fingern nestelte er ein wenig an dem Storchenamulett an seinem Gürtel.

„Es ist wahr...“ antwortete er mit fester Stimme. „... Seine Ehrwürden Helmbrecht von Baliho und meine Personen waren die Geweihten, die damals den Geburtssegen über die kleine Aidaloê gesprochen haben. Man hatte uns unterrichtet über die Abstammung der Dame Aidaloês, doch gleichzeitig hat man uns gebeten, darüber zum Schutze des kleinen Mädchens zu schweigen. Doch wir hatten keinerlei Zweifel an den Worten Reto Hagenius von Gorsingen sowie seiner wohlgeborenen Eltern. Sie waren sogar bereit, einen Heiligen Eid zu schwören, dass sie die Wahrheit sagten. Auch die Mutter – gleichgültig inwieweit man die Aussage einer reisenden Elfe beurteilen mag – bekräftigte, dass Aidaloê das Kind Reto Hagenius' sei.“

Der alte Perainegeweihte setzte sich wieder und bemerkte in diesem Moment, dass er ja noch unbotmäßiger Weise seine Kapuze trug. Mit einer raschen Handbewegung fegte er den Stoff in seinen Nacken und entblößte so sein kahles Haupt. Diese Pause nutzte der Rondrageweihte, der in seinem gut gearbeiteten Kettenhemd und dem weißen Wappenrock mit der roten aufrechten Löwin auf seinem Stuhl saß, als habe er einen Besenstiel verschluckt. Und so barsch klang auch seine Stimme, doch der 62 Sommer zählende Geweihte war ein Veteran vieler Schlachten und die feine Kunst der Diplomatie war an seiner gut geölten Kettenhaube abgeglitten. Er war ein Kämpfer, ein Krieger und er war den Schlachtenlärm gewöhnt.

„Ich kann den Worten seiner Hochwürden nichts mehr hinzufügen und nur noch bekräftigen, dass ich einen Eid auf die Wahrheitsmäßigkeit unserer Aussagen leisten werde, so es verlangt ist.“

Erneut legte sich Schweigen über die Runde, doch diesmal war es ein nachdenkliches. Baron Erlan von Zankenblatt wirkte sehr nachdenklich. Nachdenklich spielte er wieder mit seinem Kelch, fuhr mit seinem Finger an den Gravuren entlang. Sein Barrett lag neben ihm auf dem Tisch, vor ihm stand ein Silberteller mit Brot und Braten, das er beides noch nicht angetastet hatte. Mit der rechten Hand spielte er mit seinem Kelch, die linke diente ihm zum Abstützen. Er bemerkte nicht, wie die Augen der anderen Anwesenden erwartungsvoll auf ihm ruhten.

„Euer Hochgeboren?“

Es dauerte Traviadane fast schon zu lang. Sanft klang ihre Stimme, sie wollte den Baron nicht vergrätzen – denn noch immer war er der Baron von Syrrenholt und damit einer der einflussreichsten Männer der Grafschaft Reichsforst. Erlan sah wieder auf.

„Ihr möchtet also, dass ich diesen Dokumenten und den Aussagen vertraue und eine ehedem bürgerliche Frau zur Erbin eines sehr wohlhabenden Gutes ernenne?“

Traviadane nickte und Erlan erhob sich, die Dokumente an sich nehmend.

„Ich werde die Dokumente genauestens prüfen und möchte auch seine Hochwürden Vater Halburg und seine Ehrwürden Helmbrecht von Baliho sprechen.“

Die beiden Geweihten erhoben sich, der kräftige Rondrageweihte bot dem alten Perainepriester den Arm und die beiden Geweihten folgten dem Baron, der sich nun aufmachte in seine Schreibstube.