Geschichten:Lagebeobachtungen - Urlaub auf dem Gerbaldsberg - Edorian

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Urlaub auf dem Gerbaldsberg

Anfang Boron 1036 BF

Das Fest der Toten wurde auf dem Gerbaldsberg ziemlich unheimlich gefeiert: Für jeden Pfalzgrafen der kaiserlichen Festung, der in der Vergangenheit gestorben war, wurde ein Kürbis ausgehölt, auf einen Stecken gespießt und von Knechten rund um die Pfalz getragen. Die Kürbisse, die für frevelhafte oder außerhalb des Stands der Gnade gestorbene Hausherren standen, waren daran zu erkennen, dass in ihnen keine Kerze brannte. In den anderen Kürbissen flackerten hingegen Kerzen, gut sichtbar durch in die Kürbiswand geschnitzte Muster. Diese Muster waren die Aufgabe der Jugend auf dem Gerbaldsberg – ungeachtet welcher Aufgabe die Knaben und Mädchen nachgingen -, und die jungen Schnitzer versuchten sich, in ihren Mustern zu übertreffen. Manche schnitzten sogar Fratzen und Gesichter in den Kürbis. Die Verteilung der Kürbisse auf die Pfalzgrafen der Vergangenheit erfolgte zufällig, dieses Jahr zeigte der Kürbis für Arngrimm Golgodan von Kieselburg eine große Sonnenblume – die allerdings nicht erhellt wurde, weil Kieselburg ja ermordet worden war.

Auch Edorian von Weidenhoff musste einen Kürbis in der Prozession um den Gerbaldsberg tragen, begleitet von zwei Wachen und den gruseligen Chorälen, die Eslamsgrund üblich sind. Glabers Schule – eine triste Musik.

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Edorian wird nach dem Fest vor den Pfalzgrafen Giselbert von Streitzig geführt und ermahnt, nicht zu glauben, er sei etwa zur Erholung hier. Solange kein Prozess begonnen habe und überhaupt eine Untersuchung, sei er, Edorian, als Verbrecher zu behandeln. Von Stand, das ja, aber als Verbrecher. Wenn Edorian einen Schwur bei seinem Blute und seinen Ahnen leiste, keinen Ausbruch zu wagen, alles zur Aufklärung der Unruhen beizutragen und drittens sich an keinen weiteren Unruhen mehr zu beteiligen, dürfe er seine Privilegien behalten und sich auf dem Gerbaldsberg frei bewegen und sein Gemach weiterhin bewohnen. Andernfalls müsse er in den Kerker – wohin der ›ausländische Spion‹ bereits verbracht worden sei.

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Am 11. Boron änderte sich etwas auf der Pfalz: Nachdem Fanfaren geblasen worden waren, ergoss sich eine erkleckliche Zahl an Reitern und einige Kutschen in den weitläufigen Wirtschaftshof der Pfalz. Gardisten und Reisige in der Königin Rock nahmen Quartier in den Mannschaftsunterkünften, es gab Besprechungen mit der Gerbaldsgarde und den Bewaffneten des Pfalzgrafen, bei denen es um die gewaltsame Niederschlagung diverser Folgeunruhen ging. Neben den Soldaten waren auch Schreiber und Amtleute aus Gareth angereist. Der Kundige konnte darunter den Schreiber des Zedernkabinetts entdecken, Ludemar von Schroeckh.

Am nächsten Morgen

Edorian wurde in ein einfaches, aber großes Zimmer gebracht, in dem auf der Längsseite auf einem Podest ein langer Tisch stand. Seine dem Raum zugewandte Seite war mit kunstvoll verzierten Blenden verschlossen, so dass der Tisch aussah wie eine Theke – oder wie eine Richterbank. Und genau das war er auch. An der anderen Längsseite gaben hohe Fenster durch Bleiglasfenster Licht, an der einen Stirnseite befand sich das hohe Portal, auf der anderen Seite ein ähnlich wie der Türsturz gestalteter Kamin, der zu sagen schien: Der du hier vor Gericht stehst, du wanderst entweder hinaus ins Freie oder ins Feuer.

Hinter dem Richtertisch saß ein schmaler Mann in winterlicher Kleidung, an seiner Seite ein Geweihter des Götterfürsten. Neben Schroeckh war noch ein weiterer Schreiber im Novizenkleid der Praioskirche anwesend. Darüber hinaus säumten Bewaffnete den Saal. Auch Pfalzgraf Giselbert hatte als Hausherr auf der hohen Bank Platz genommen, auf der anderen Seite ein Rittersmann.

»Edorian von Weidenhoff, Geweihter des Nandus, tretet vor und nehmt an dem Pult in der Mitte Euren Platz ein. Ich bin des Königreiches Cantzler Horulf von Luring, dies ist seine Hochwohlgeboren Giselbert von Streitzig, Euer Gastgeber, und dies Seine Hochwürden Kunrath Praiowin Schlattner, Ordentlicher Inquisitionsrat im Orden der Göttlichen Kraft. Schließlich Ritter Angrist von Rond, dem das Verdienst zukommt, besonders tatkräftig gegen die Versuche eingeschritten zu sein, an den Grundfesten der Ordnung zu hämmern.«

»Der göttlichen Ordnung«, unterbrach Schlattner den Cantzler.

»Der zwölfgöttlichen Ordnung«, präzisierte Luring. »Wir wollen die Ereignisse des 30. Efferd mit Euch durchgehen, die Prüfungsfestunruhen. Es steht außer Frage, dass Ihr die Wahrheit sprechen werdet und Euer ganzes Handeln in den Dienst der Aufklärung der Revolte stellen werdet.«

»Etwas formlos für einen Prozes... ist dies ein Prozess, euer Exzellenz?«, fragte Edorian nach.

»Nein, es ist eine Untersuchung, die ich in meiner Eigenschaft als Cantzler des Königreichs durchführe. Seine Hochwürden Schlattner ist zur Beobachtung dabei. Beginnen wir«, sagte Luring bestimmt. Er war in seinem Element, immerhin hatte er das Amt des Reichsforster Landrichters lange ausgeübt.

»Warum ward Ihr am 30. Efferd in Eslamsgrund und warum im Druckhaus Andermann Nachf.?«

„Ich, oder besser die Körperschaft des garetherer Stiftes, hatten schon im Rahja letzten Jahres ein anonymes Schreiben erhalten, welches die nandusgefälligen Bürger des Königreichs zum Prüfungsfest nach Eslamsgrund rief, der Name war recht stümperhaft in den Anfangsbuchstaben der Absätze des Schreibens versteckt. Der Text hatte gewisse … kritische Tendenzen … Wortwahl, einige Formulierungen ihr versteht. Ich sah in dem Aufruf eine Gefahr vor allem für unsere Kirche und bemühte mich um die Ermittlung des Verfasseres. Außerdemwollte ich sicherstellen, dass weder die Kirche des göttlichen Nandus, noch der Reichfrieden Schaden nimmt. Diese Ziele führten mich zum Prüfungsfest nach Eslamsgrund, wo ich auf Marwan Nandrash Alfessir stieß...“

»Wer ist Marwan Nandrash Alfessir

„Ein geweihter des Nandus aus Fasar -7. Grad der Erkenntnis, wie man hört … und damit ein brillantes Bespiel für Weltfremdheit... Ich kannte ihn nicht bevor, ich ihn das erste Mal in der Druckerei traf, aber hatte schon mal von ihm gehört. Ein genialer Philosoph und profunder Kenner alter garetische Mythen und Legenden... aber kein Mann praktischen Wissens die Staatskunst steht ihm fern... er bezeichnet die diesseitige Welt nur als blassen Abglanz höherer göttlicher Prinzipien. Darum glaube ich auch nicht, dass sein Vortrag eigentliche aufrührerische Tendenzen hatte. Zugegeben seine Abhandlungen hatten etwas Adelskritisches, aber ich denke es ging ihm wenn überhaupt um die allgemeine Benennung dieser vermeintlichen Missstände und selbst das war nur ein Teilaspekt eiegtnlich wollte er den Menschen Eslamsgrunds einen erleuchtenden Vortrag über das Weltgefüge halten … Armer Tor, er hatte keine Ahnung, was er auslösen würde. Ich habe versucht ihn auf die Gefahren aufmerksam zu machen... auch auf die Gefahren für unsere Kirche. Ich hielt ihn jedoch nicht für so töricht... vielleicht trübte der Respekt vor seinem Grad der Erkenntnis meinen Scharfsinn.“

»Bleiben wir kurz dabei: Was bedeuten die 12 Grade der Erleuchtung? Welchen Grad besitzt Ihr? Wer ist Euer in Anführer in Garetien?«

„Die zwölf Grade der Erleuchtung … nun dies ist nicht ganz leicht zu beantworten. Es handelt sich um ein Theorem der Kirche. Die Welterkenntnis einer Person wird in zwölf Erkenntnisgraden angegeben. Der zwölfte Grad entspricht dabei der vollen Erkenntnis der göttlichen Ordnung des Kosmos. Auf ihm wird allgemein Nandus verortet. Mir ist kein Mensch bekannt, der über den neunten Grad hinauskam. Rohal aber auch sein dunkler Bruder sollen den elften Grad erreicht haben. Dies lässt den Schluss zu, dass die Grade keine moralische Kompetenz bezeichen, dazu scheint man auch auf hohen Graden nicht vor Irrtum, ja sogar Götterfrevel gefeit zu sein. Die Grade bringen durchaus ein gewisses Ansehen und eine gewisse Autorität sind jedoch keinesfalls innerkirchliche Ränge. Ich selbst befinde mich auf dem 3. Grad der Erkenntnis. Habe jedoch dennoch als Subprior mehr Entscheidungskompetenzen und Verantwortung für andere Geweihte als Alfessir der den 7. Grad der Erkenntnis innerhat. Wenn ihr so fragt gibt es keine Hierarchie innerhalb der Nanduskriche. Sämtliche geweihten stehen de facto auf einer Stufe. Entscheidungen werden auf einem zweijährlichen Konzil zu Vinsalt getroffen. Rumina von Bosporan, die Stimme des Meisters und Tempelobere zu Vinsalt ist mehr eine Sprecherin und Repräsentantin unsere Kirche als ein Oberhaupt und ihrer Repräsentationsrolle beschränkt sich ohnehin aufs Horasreich. So hat unsere Kirche auch im Königreich keinen Anführer … die Tempelobreren stehen zwar ihren Templen vor aber sind eher Delegierte der Gemeinschaft oder Übernehmen nötige Verwaltungsaufgaben aus innerer Berufung. Sie sind nicht im eigentlichen Sinne die Oberen ihrer Brüder und Schwestern. Dies gilt im Wesentlichen auch für Priorin della Tenna in Gareth wobei wir es etwas Stenger handhaben als viel andere größere Tempel. Ohnehin operieren Viele Geweihte jahrelang auf eigene Faust. Wenn ihr erlaubt euer Exzellenz, ich denke hier liegt eine Schwäche unserer Kirche gerade in Garetien, aber auch im Rest des Raulschen Reiches. Diese mangelnde Vernetzung und Kontrolle der Geweihten untereinander und durch die Kirche machte diese Tragödie überhaupt erst möglich. Die Berufung einer Stimme des Meisters durch ihr kaiserliche und königliche Hoheit, als Repräsentant der Kirche vor der Obrigkeit und die Etablierung von Regelmäßigen Kirchenversammlungen … vielleicht sogar unter Teilnahme königlicher oder kaiserlicher Vertreter könnte Wildwuchs stoppen und eine festere Struktur schaffen.

»Eueren Vorschlag nehme ich hiermit zur Kenntnis. Man wird sehen müssen, wie und ob es der Nanduskriche gestatten wird ihm Reich weiter zu bestehen. Ihr spracht von Tempelvorstehern. Sagt mir, wer ist Roban Nando Elmenbarth und in welchem Verhältnis steht Ihr zu ihm?«

„Er ist der Vorsteher des Dornenseer Nandustempels und genießt den Ruf eines brillanten Kopfes. Persönlich begegnete ich ihn während meiner Nachforschungen in Eslamsgurnd nur flüchtig. Er scheint mir jedoch den weltlichen und vor allem politischen Dingen sehr viel mehr Bedeutung beizumessen als Alfessir. Vielleicht war sogar er es, auf den das Einladungsschreiben oder wenigstens gewisse gesellschaftskritische Passagen zurückgehen, auch in Alfessirs Rede.

»Besitzt Ihr noch ein Original des Einladungsschreibens des ›Einhorns‹? Könnt Ihr uns dieses erläutern, insbesondere die Passagen, die sich mit der gerechten Herrschaft befassen«

„Das Original befindet sich im Garether Nandusstift. Ich besitze Lediglich eine Abschrift in meinem Diarum. Jedoch wird euch Priorin della Tenna euch das Original sicher unverzüglich übersenden, solltet ihr danach ersuchen.“

»Welche Schriften besitzt Ihr, die im Zusammenhang mit Alfessir, Yesatan oder dem Dornenseer Nandus-Tempel stehen?«

„Ich habe wieder Fron und Lehen gelesen. Eine gewisse Berechtigung kann ich des verurteilten Herzogs Anprangerung der teilweise erbärmlichen Lage der Leibeigenen nicht absprechen. Doch die darausabgeleiteten Thesen sind zu verwerfen. Eine auf Demokratie beruhende Herrschaftsform würde das Reich ins Chaos stürzen. Daneben spielten mir meine Nachforschungen einen Auszug der Ursprünglichen Arbeit Hesindian Quandts in die Hände. Dies e lag wohl sowhl den den wissenschaftlichen Arbeit Alfessirs als auch seinem Vortrag zu grunde. Das Stück befindet sich im Gewahrsam der Kanzlei des Herrn Grafen.“

„Wie gelangt ihr an dieses Stück?“

„Ich erhielt es von einem Mondschatten nach einem Gespräch mit dem Nachtschatten des Eslamsgrunder Tempels. Wie die Geweihten des Fuchses an das Schriftstück kamen ist mir unbekannt.“

„Kommen wir zu den Ereignissen des 30. Efferd zurück, nach euren … ihr spracht von Nachforschungen … in Eslamsgrund, welches Bild offenbarte sich euch, wieso Fand man euch laut dem Bericht der Hauptfrau Verina von Silberhuf bei den anderen Geweihten in der Druckerei Andermann. Was habt ihr zur Anschludigigung der Hauptfrau zu sagen ihr habet aufrührerische Reden vom Balkon des Hauses gehalten? Habt Ihr in diesen zum Aufstand aufgerufen oder die Herrschaft in Zweifel gezogen?“

„Ich habe weder das eine noch das andere getan noch intendiert, darauf werde ich jeden Eid schwören. Am Vorabend des Prüfungsfestes präsentierte sich mir die Lage vielmehr so, das Alfessir einen etwas freigeistigen aber im wesentlichen Harmlosen Vortrag halten würde, weshalb ich ihn gewähren ließ. Zudem wahr die Stimmung in Eslamsgrund ruhig und ausgelassen. Die Nandus- und Hesindegeweihten wurden überschwänglich begrüßt. Ich hoffte – was vielleicht ein wenig blauäugig war – dass das Volk mit dem Vortrag Nandus in der Tat näher gebracht werden könnte. Die folgenden Ereignisse sah ich keinesfalls voraus. Was mich beunruhigte waren lediglich einige Wortfetzen, die ich auf einem Gang durch die Stadt aufgeschnappt hatte. Es ging darum, dass die „Alten Bekannten“ sich versammelt hätten man wüsste was zu tun sei und man sei es dem Alten und seinen Sohn, der sich übrigens in der Stadt befände schuldig. Dass ich diese Worte so vernahm, bin ich auch bereit mit jeden Eid zu beschwören. Im Nachhinein schelte ich mich einen Dummkopf, dass ich die Zusammenhänge nicht früher durchschaute und zu Stadtwache ging um die Rede Alfessirs unterbinden zu lassen. Doch, wie gesagt, trotz meines Wissens über das Schicksal Yesetans war ich von dem, was sich dann ereignen sollte, vollkommen überrascht, wie übrigens auch Alfessir und die anderen Geweihten. Auf dem Platz befanden sich wohl strategisch verteilt Stimmungsmacher,die an den geeigneten Stellen in Alfessirs Vortrag ketzerische und adelfeindliche Parolen einwarfen. Die Schnelle mit der sich der Ruf nach Yesetan auf dem Platz verbreitete traf mich völlig unvorbereitet. Ich war zu dieser Zeit nicht auf der Empore sondern bei meinem Bruder. Ich wollte aus nächster Nähe mitbekommen, was diese „Alten Bekannten“ vorhatten und taten. Also der Platz im Chaos zu versinken drohte sandte ich meinen Bruder die Stadtwache zu holen und schlug mich selbst zum Balkon durch. Wo ich Alfessir vom Balkon zerrte und versuchte die Menge nun meinerseits durch eine Rede zu beruhigen. Ich glaube nicht dass mich viele vernahmen... aber es sollte den ein oder anderen Zeugen für meine Worte geben. Ich versichere euch ich appellierte an ihre Treue Kaiserin und Reich, nicht zum Aufstand sondern zur Besinnung aus diesen gottesfrevlerischen Wahn wollte ich die Leute verleiten.“

Das Gesicht des Kanzlers verriet keine Regung ob dieser Worte: „Ihr sprecht so als wäret ihr euch gewiss , dass diese „Alten Bekannten“ von denen ihr sprecht, nicht zu eurer Kirche gehörten und von anderen Parteien in böser Absicht, ja vielleicht sogar in Ausnutzung der Situation auf dem Platz postiert worden seien. Könnt ihr diesen Verdacht erhärten?“

„Ihr habt Recht, was meine Implikationen anbetrifft, doch es handelt sich nur um eine Vermutung euer Exzellenz. Dennoch ihr seid als ein versierte Rechtsgelehrter bekannt. So möchte ich den alten Grundsatz ins Feld führen: Cui bono? Die Nanduskirche in Garetien ist, so bin ich mir sicher inzwische sogut wie zerschlagen vielleicht sind einige Brüder untergetaucht. Doch sollte dies Wirklich unser Zeil sein? Die Kirche faste im Königreich immer mehr Fuß. Der Erfolg des Stiftes in Gareth mag dies verdeutlichen. Warum all dieses Erfolge aufs Spiel setzen für einen eigentlich – sind wir doch mal ehrlich – recht aussichtslosen Aufstand. Die Kirche verliert gerade alles was sie sich in einem halben Jahrhundert erarbeitete. Sollte aber jemand an ihrer Zerschlagung interessiert sein oder aber seine Pläne durchzusetzen und dafür eine Sündenbock suchen...

„Denkt ihr dabei an Bestimmte Personen?“

„Mir gingen während des Chaos auf dem Marktplatz einige Personen durch den Kopf. Mittlerweile maßeich mir solche Einsichten jedoch nicht mehr an Exzellenz.“

»Was wisst Ihr über Hesindian Quandt?«

„Nicht viel, als Drittgebohrener der Familie kam er unter die Kutte und wurde Geweihter der Herrin Hesinde. Er befasste sich vor allem mit Hartsteener Märchen und Sagen. Kurz vor der Jahrtausendwende verschwand er spurlos. Wie gesagt habe ich einen kleinen Ausschnitt seines Werkes gelesen und es diente Alfessir wohl als Grundlage seiner Forschung“

„Nun gut, habt Ihr jemandem von den Eslamsgrunder Ereignissen durch Boten oder Briefe Kenntnis gegeben?“

„Nur was nötig war um meinen Bruder kurz ins Bilde zu setzen als ich ihn zur Gerbaldsgrade sandte. In Rathauskerker sprach ich auch gelegentlich mit Alfessir.“

»Warum verwendet Ihr eine Geheimschrift?«

„Bitte?“

„Ah, nun ja von einer Geheimschrift würde ich nicht gerade Sprechen, eher von einer Schrift der Gebildeten. Nanduria ist in den entsprechenden Kreisen recht weit verbreitet. Bei Magiern. Alchemisten, Mathematici, Mechanici... Die Schrift dient weniger der Geheimhaltung, als viel mehr der Selektion des Leserkreises. Es ist ein Grundsatz des Nanduskirche, dass Erkenntnis nicht weitergegeben sondern immer nur selbst erarbeitet werden kann. Man will also auch nicht allen jedes Wissen zugänglichmachen. Vor allem wenn sie dazu noch nicht weitgenug auf dem Weg der Erkenntnis fortgeschritten sind. Es ist die Verantwortung des Lehrers den Geist des Schülers nicht zu verwirren oder gar auf Abwege zu führen. Dies ist übrigens eines der Dinge, das mich an besagtem Einladungsschreiben sehr stutzig werden ließ. Auf dem Schreiben findet sich zwar eine Nanduriaformel doch diese ist ein Gemeinplatz der Kirchengrundsätze. Der eigentliche Text steht zumindest jedem offen, der des Lesens kundig ist. Während es viele meiner Brüder und Schwestern bevorzugen auf Bosporano zu korrespondieren. Dazu war der Verschlüsselungsgrad des Textes doch alles andere als phexgefällig.

»Wart Ihr 1029 BF im Lieblichen Feld, namentlich in der Stadt Sibur? Habt Ihr Kontakte ins Horasreich und ist die Agentur Nanduria dabei?«

„Nun verwundert ihr mich aber, euer Exzellenz. Wie eure Nachforschungen euch doch sicher verrieten hatte ich 1029 grade erst die Weihe empfangen, befand mich also noch in der Liturgie ausbildung nach dem Noviziat bzw. im verlängerten Noviziat, das ich im garether Pentagontempel der Hesinde am dortigen Nandusschrein durchlief. Im Gegensatz zu anderen Novizen meiner Kirche folgte ich nie einem reisenden Geweihten. Erst im Tsa verließ ich meinen Ausbildungstempel undl begleitete einen inzwischen zu Boron gegangenen Hesindegeweihten des Tempels auf einer kurzen Reise. Diese ging jedoch nach Greifenfurt, das ich noch immerin wärmster Erinnerung habe - solch ein von Praios gesegneter Landstrich. Darauf setzte ich mich ab und reiste über die Streitenden Königreich zum siebenwindigen Meer und an der Küste per Schiff ins Horasreich. Dieses erreicht ich erst im Travia 1030. Wie ihr also einwandfrei nachvollziehen könnt habe ich nichts mit der schon im Travia 1029 gefallenenFreien Nandusrepublik vcn Sibur zu schaffen, die ich übrigens für den größten Fehltritt in der Geschichte unserer Kirche halte. Was eure weiteren Fragen betrifft, ja ich war, wie oben schon angedeutet im lieblichen Feld, sogar mehrmals im Laufe der Jahre zwischen 1030 und 1034 und habe Zahlreiche Kontakte geknüpft. Die Nachrichtenagentur ist mir bekannt. Doch ist sie für mich nicht weiter von Belang. Trotz des Namens halte ich sie eher für phex- als nandusgefällig. Unsere Kriche verkauft keine Informationen.

»Kennt Ihr den Begriff der ›Nandussöhne‹? Könnt Ihr ihn erläutern?«

„Allgemein kennt man Rohal den Weise und den Bethanier als Söhne des Nandus, wenn ihr dies meint. Dies deutete ich ja auch schon an als ich von ihnen als Inhabern des elften Grades der Erkenntnis sprach. Eine Organisation oder ähnliches mit diesem Namen ist mir nicht bekannt.“

»Habt Ihr Marwan Nandrash Alfessir zur Flucht verholfen oder kennt Ihr jemanden, der es getan hat oder getan haben könnte?«

„Das letzte Mal als ich Alfessir sah saß er mir gegenüber in einer Zelle und zwar im Keller des Rathauses. Das war jedoch schon vor einigen Wochen. Mir ist neu, dass er entkommen ist und ich versichere euch, ich hatte keinen Anteil daran. Wie mir auffiel war war der Dornenseer Tempelvorsteher nicht unter meinen Kerkergenossen im Rathaus. Ich kann mich nicht erinnern wann ich ihn das letzte Mal auf dem Platz sah. Er scheint sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht zu haben. Wenn irgend jemand in der Reihen der Nandusbrüder etwas mit Alfessirs verschwinden zu tun hat oder irgendwie an der Eskalation der Ereignisse am 30. Efferd zu tun hat, dann würde ich auf ihn Tippen. Auch wenn Alf kann euch auch Sharban von Ockerbeck bestätigen. Gerne hätte ich ihn und Andersmann genauer untersucht aber vor dem Fest fehlte mir die Zeit und vielleicht konzentrierte ich mich zu sehr auf Alfessir. Danach waren mir nunmal die Hände gebunden. Interessant wäre, ob es eine Verbindung zwischen Yesatan und Elenwarth gibt. Dafür habe ich mich jedoch mit beiden zu wenig beschäfftigt.“

Nach der Befragung schwieg Horulf von Luring eine sehr lange Zeit. Selbst dem Pfalzgrafen und dem Ritter wurde es ungemütlich lang, während der Inquisitor starr wie eine Echse auf den Kamin blickte. Endlich erhob sich der Cantzler und schlug mit einem lauten Knall seine Mappe zu, um sie anschließend unter den Arm zu klemmen.

»Höret, Edorian von Weidenhoff. Wir nehmen Euch mit nach Gareth und werden dort das weitere regeln. Vorerst ist – und bleibt es, Hochwürden -, ein Fall für die weltliche Gerichtsbarkeit. Mit uns die Götter.«