Geschichten:Waldsteiner Totenbuch - Horgert von Altensberge

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Schlossgut Bergensteen, 30. Peraine 1043 BF:

Die tief am Horizont stehende Sonne tauchte das pittoreske Schlossgut der Junker von Bergensteen in ein herbstliches Spiel aus Licht und Schatten. Hier schien die Zeit eine andere zu sein. Während anderorts die Große Fehde tobte, hier bekam Junkerin Cassia davon nichts mit – und das war auch gut so. Für die große Politik interessierte sich die Adlige mit den blonden Locken und der angenehmen Stimme nicht, jedenfalls nicht vordergründig, ihr Blick richtete sich auf das Kleine. Vielmehr waren es die Kunst, die Musik und natürlich die Rahjafreuden, die das Herz Cassias erfüllten – und freilich ihre spielerische Gegnerschaft mit ihrem ihr dienenden Ritter Horgert von Altensberge. Eine Gegnerschaft, die beiden durch ihr Blut floss und ihnen schon in die Wiege gelegt wurde.

Alles begann, als 880 BF Yalinda von Bergensteen von Baronin Ayana von Falkenwind zur Junkerin des neu geschaffenen Lehen Bergensteen erhoben wurde. Die genauen Umstände der für Außenstehende überraschende Belehnung blieben ein wohl gehütetes Geheimnis – und das bis heute. Doch die demütigung für die benachbarte Familie Altensberge bestand darin, dass sie fortan Diener der Familie Bergensteen wurden, da ihre Herrschaft ihnen untergeordnet wurde. Eine über ein Jahrhundert andauernde Gegnerschaft ward geboren.

Die der lieblichen Rahja zugetanen Junkerin Cassia war es eine große Freude den alten Horgert zu Triezen wo sie nur konnte. Für sie war alles nur ein Spiel, ein Zeitvertreib wenn die Langeweile sie übermannte. Für den stolzen Ritter hingegen war jede Stichelei eine Demütigung.

So lag die Junkerin auf einer ausladenden Bettstatt und ließ sich von einem sehr Rahja gefälligen Diener poetische Ergüsse vorlesen, während ein weiterer, ebenso ansprechend anzusehender Diener diesen mit einer Laute begleitete. Es war an Jargolan Vernsen diesen Moment des rahjanischen, wie hesindianischen Hochgenusses zu stören.

„Aller rahjagefälligste Wohlgeboren, ich störe nun sehr ungern Eure Lesestunde.“

Eine Handbewegund der Junkerin genügte und sowohl der Vorleser, wie auch der Lautenspieler verstummten. „Mein guter Jargolan, da du mich nicht wegen Nichtigkeiten behelligen würdest, nehme ich an es ist wichtig.“

„Das sehr wohl meine gnädige Herrin“, begann der Haushofmeister untertänigst. „Gerade erreichten uns Neuigkeiten von Eurem Vasall Horgert von Altenberge.“

„Ach, was hat der alte Griesgram denn jetzt schon wieder? Stört er sich an meinen Plänen in Bergensteen einen Tempel der Schönen zu stiften?“

„Nein, Herrin, er ist tot!“

„Wie bitte was?“, stammelte die sonst um keine Antwort verlegene Junkerin.

„Boron hat Ritter Horgert abberufen.“

„Ach nee … was … also wie ist es passiert?“

„Ritter Horgert hatte sich zu seinem monatlichen Treffen mit Ritter Wolfhardt von Hellrutsberge im Gasthaus Hellbräu eingefunden. Nach einem feuchtfröhlichen Abends und übermäßigem Genuss des allseits gekannten Bieres namens Dunkles Helles hat dem armen Ritter Horgert der Schlagfuß ereilt.“ Zu Jargolans Überraschung wirkte die Junkerin gar etwas betroffen. „Soll ich Eure Zofe Rahjane über den Tod ihres Vaters informieren?“

„Nein, sie sollte es nicht von uns erfahren, sondern von ihrer Familie.“

„Wie Ihr wünscht.“

„Welch würdiger Abschied aus dem diesseitigen Leben. So schließt sich also wieder ein Kapitel im ewigen Buch der Toten. Auch wenn wir in freundschaftlicher Feindschaft vereint waren, ich werde den alten Miesealrik vermissen.“