Geschichten:Ein schöner Bart zu dieser Zeit – Tar'Cheles

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Baronie Sebarin, Dorf Feshaven, Gaststätte zum Feldherren, Anfang 1044 BF

Das geräumige Feldherrenzelt, das einst Eslam von Brendiltal gehört haben soll und den Schankraum des Gasthauses darstellte, war erfüllt von dem Gejohle der Anwesenden. Nachdem Can und Tar mit ihren Mannen zunächst den Kor-Tempel aufgesucht und gebetet hatten, waren sie nun hier eingekehrt und lieferten sich einen Wettstreit. Während der düstere Tempel mit all seinen Waffen und Blutopfern nicht zur Gänze Cans Sache gewesen war, war er hier voll in seinem Element. Es galt immer einen Schluck mehr zu trinken als der andere. Aber Can, als Mann des Weins und des Mahls, hatte einen Trick, ganz bewusst, hatte er sich sog. “Stu'yak Fez'hava” - Feshavener Happen - dazu bestellt und den Wirt angewiesen, nach seiner Anleitung noch ein paar köstliche, fettige Kartoletten anzufertigen. Von diesen steckte er sich nach jedem Schluck den er mehr als Tar nahm eine ordentliche Hand voll in den Mund und spülte es dann mit einem weiteren Schluck nach. Gerade grinste er den jungen Mann mit dicken Backen und am Kinn entlang laufendem Weintropfen an, denn er merkte wie dieser schon wankte.

Sein Schnurrbart glänzte ob des Weins und des Fetts der Kartoletten, doch es wirkte fast so, als ob er davon nur noch imposanter wirkte. Beinahe könnte man meinen, dass der Bart sich über jeden Tropfen dieses Gemischs freute, das er in sich aufsaugen konnte. “Kek al’ Wajin (Junge des Weins), habt Ihr denn schon genug? Wir haben doch gerade erst angefangen!”, der Junker lachte herzlich und es flogen einige Krümel aus seinem Mund auf den bebenden Bauch. Dann schnappte er sich die Flasche und goss schonmal etwas in seinen Becher. Dies hier war eindeutig mehr sein Element!

Sein gegenüber funkelte ihn aus glasigen Augen an: “Das würde Euch so gefallen, Sefra’nimayoll Gum’Osolund (nimmervoller Schlund), aber ich habe Euch durchschaut, Yasatl’hah (Alter Mann), gebt mir was von diesem fetttriefenden Geheimnis und ich zeige Euch was ein waschechter Ammayin der Horda Chal’Acha ist.”

Can lachte beherzt auf, wobei sein Schnurrbart euphorisch hoch und runter wippte. “Ihr seid wahrlich ein Mar’olum al’ Orhima (Prinz der Klugheit)!”, mit einem gekonnten Griff schob der Junker die Schale mit dem verlangten Essen herüber. “Denn was gibt es nicht schöneres, als sein Wissen und Essen mit der Shar (engste Familie) zu teilen!”.

Tars scharlachrote Rechte griff beherzt in die Schüssel und er verschlang gierig die Kartoletten. Ein trunken-kämpferisches Lächeln umspielte sein ganzes verwegen-verschmitztes Gesicht. Er gab nicht klein bei und wollte sich vor allem keine Blöße vor seinen Männern geben. So kämpfte sich dieses Bild von einem nebachotischen Krieger wieder heran, Schluck um Schluck, auch Can merkte den Wein langsam deutlich. Er merkte aber, dass sein Gegenüber ihm wohl in Kampfkraft, aber nicht in der Genußfreudigkeit überlegen war. Kurz darauf hieß der Korbrunner seine johlenden Krieger mit einem einzigen, völlig nüchtern wirkenden Wink, ihn und Can allein zu lassen. Als sie sich entfernt hatten, goß er ihnen beiden noch einen ordentlichen Schluck aus der Karraffe in ihre Becher nach. Sein Gesicht wurde ernst, so ernst, dass Can nicht genau abschätzen konnte, was gleich passieren würde. “So, … Haran Al'Ghenusiyo (Oberhaupt des Geschmacks)...”, er legte seinen Krummdolch auf den Tisch, die Stimmung im Laden wurde etwas gespannter oder war es nur für Can so? “...dies ist ‘Kra’Irian”, der Dorn der Krähe, meine Mutter schenkte ihn mir einst. Sprecht, Väterchen, glaubt ihr wirklich, ihr Frieden und Freiheit schenken zu können? Ich hoffe, mir gefällt Eure Antwort, Hatah al’Kra.” Ein Flackern in seinem Blick.

Can nickte bedächtig, während er sich zurücklehnte und seinen Schnurrbart zwirbelte, fast schien es so, als würde sich auch die andere Seite zwirbeln. Er blies etwas Luft nach oben auf, wodurch sich sein Schnurrbart auffächerte und noch voluminöser wirkte. “Der Dorn einer Krähe ist ein gutes Sprichwort, Kek al’ Kra. Ein einzelner Dorn mag ein vorzügliches Mittel für vielerlei Dinge sein, doch erst wenn es eine ganze Shar wird, sind sie wie ein Wall Dshadras, Shardras quasi!”.

Er beugte sich verschwörerisch nach vorne, “und sollte eine Krähe von ihrer Shar getrennt werden, werden die anderen ihr ganzes Können aufwenden, um sie zurück in ihre Reihen zu führen”. Er griff nach seinem Becher und zog ihn mit einem Blitzen der Kühnheit zu sich. “Dorne werden uns wohl nicht helfen, doch nutzen wir die anderen Dinge, die eine kluge Krähe ausmachen, dann werden wir unsere verlorene Kek wieder in unsere Reihen aufnehmen können, sowahr ich Can han Rab’a Enock heiße!” Und mit diesen Worten hob er den Becher siegesgewiss in die Höhe.

Es waren weniger die genauen Worte des Rabenstockers, die Tar von Korbrunn bewegten, sondern viel mehr die Art und Weise, wie er diese vortrug, mit einer Hingabe und einem Selbstvertrauen in sich und seine Tochter, Tars Mutter. Noch nie hatte er jemanden so vertrauens- und gefühlvoll über Familie und seine Mutter reden hören. Can, Tars Gegenüber, war sich sogar nicht sicher, ob die gläsernen, feuchten Augen des gestandenen Kriegers nur vom Alkohol her rührten. “Wenn Eure Taten so rein und wahr sind wie Eure Worte, Ammayin Al’Taran (Krieger des Herzens), dann will ich euch helfen. Ich hoffe für Euch, das dem so ist und Ihr meiner Mutter die Familie sein könnt, die ihr vorgebt zu sein.” In seiner Stimme lag Hoffnung aber auch eine gewisse Schärfe. Sein Becher flog zur Besiegelung des Vorhabens, gegen eine nahe Wand, der Inhalt ergoß sich blutrot daraus.