Geschichten:Ein Stein im Nebel - Einer Greifin Flügel reichen

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Anfang Phex 1034 BF – Kloster Rabenhorst

Der Schattenpass, am Fuße des Nebelsteins, des südlichsten Gipfels des Nebelgebirges wurde von der mittäglichen Pracht des Herrn Praios in ein schemenhaftes Licht getaucht. Der schwere Atem der Rösser bildete stoßweise Nebel um ihre Köpfe. Ruhig hob Anselm die Hand zum Halten geboten. Direkt hinter ihm ritt Raslan auf einem märkischen Kaltblut, wie er selbst. Ihnen folgten getreue Frauen und Männer, die der Mark selbstlos ihren Dienst anempfohlen hatten. Den Abschluss bildete Hochgeboren Genzmer von Radulfshausen, der Baron von Orkenwall.

Überall um die Reiter herum standen die Boronsräder. Noch immer von leichtem Schnee bedeckt kündeten sie von den Gefallenen von anno 1021 BF als das orkische Heer die Thuranische Legion niedermetzelte. Dahinter, etwas weiter im Pass zeigten sich die schneebedeckten Dächer des Klosters Rabenhorst, welches auf Anraten des Prinzen und der Greifin selbst errichtet worden war, um die Gebeine der Gefallenen zu schützen. Nur ein lebender Gast weilte seit längerer Zeit auf Rabenhorst – die Greifin selbst versucht hier ihren Frieden zu finden, der ihr genommen worden war.

Rabanus Falk von Krähenklamm empfing den überraschenden Besuch und hieß einen weiteren Bruder, die Markgräfin zu holen. „Sie ist verändert seit ein paar Wochen“, eröffnete der Abt den Besuchern. „Seltsam klare und gefasste Momente lassen mehr als nur einen Hauch davon erahnen, welch selbstbewusste und kräftige Frau sie einst gewesen sein muss!“

In einem Garten, der bereits schneefrei war und jetzt in den rötlichen Schein des späten Praioslichts erfüllt war, warteten die Greifenfurter auf ihre Lehensherrin. Als diese schließlich erschien, zart und gebrechlich, geführt von einem weiteren Golgariten, zollten die Besucher ihren Respekt.

„Ihr seid gekommen mich zu holen. Ich sehe es an euren Gesichtern. Eure Sorge um die Mark leitet Euch. Eure Treue“, sie blickte zu Genzmer, „ist es, die Euch zu mir führt. Ist die Einigkeit der Mark in Gefahr?“ fragte sie an Anselm gewandt. „Die Einigkeit ist gebrochen, die Garafan unser ermahnt hat. Es ist Tilldan, der den Bruch seit langem geplant und nun vollzogen hat.“ Voll der Sorge aber ohne Erschrocken zu sein folgte Irmenella den Ausführungen der Getreuen der Mark, die mit den Worten Genzmers endeten, „Die Mark braucht seine Greifin!“ Erwartungsvoll und zugleich fordernd waren die Blicke, welche die Greifin trafen und schon wollte der Abt, der den Gesprächen stumm folgte seinem Bruder einen Wink geben, um die Markgräfin wieder in ihr Zimmer zu führen. Doch im Schein der rotgoldenen Sonne des vergehenden Tages straffte sie sich.

„So brüllt nun der Stier mit voller Kraft und wirft sich gegen die Fesseln des Fleisches und es ist nur noch eine kurze Zeit, bis er sich befreit und ungehemmt im Blute seiner Feinde waten wird, seinen schaurigen Götzen zum Wohlgefallen. Doch noch sind die Treue, der Mut und die Wachsamkeit nicht vergangen. Ich sehe die Einigkeit, die Euch alle hierher geführte hat und die Eure Gefährten das Volk der Mark aufruft, um gegen einen Feind zu stehen, den wir uns nie vorstellen konnten – einen Feind aus dem Inneren. Ich sehe den Willen des Greifen hier und jetzt und in den Träumen, die ich sah, als der Greif mit seinen Krallen einen Schwarzpelz zerriss, der einen kupfernen Dolch an die Kehle eines Greifenbalgs hielt. Nun, da ihr hier seid ist die dumpfe Ahnung Gewissheit! Es ist der Wille des Garafan – es ist der Wille der Greifen, dass ich nun mein Exil aufgebe und mit Euch für die Einigkeit unserer geliebten Mark Greifenfurt streite.“

Für einen weiteren Moment stand Irmenella allein ein des letzten Strahls des Praios Lichts und ein jeder, der sie hier und jetzt erblickte, wusste, dass sie nun – geheilt – das Heft wieder in ihre eigene Hand nehmen würde.