Geschichten:Ein Fanal der Ordnung

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Stadt Hahnendorf, Baronie Fremmelsfelde, 12. Ingerimm 1046 BF

Der Geruch von verbranntem Fleisch und Haar stieg ihm in die Nase. Ein ganz und gar unangenehmer Geruch, wenn man Angar Helmisch fragte, doch nie fragte ihn irgendwer irgendwas. Der Mittdreißiger war es gewohnt, Befehle zu empfangen und auszuführen, wie er zu diesem oder jenem stand, was seinen Vorgesetzten meist gleichgültig. Dabei hatte er, seiner bescheidenen Meinung nach, ganz passable Gedanken. Ein Beispiel: Olruk von Schartenstein kam aus Dornensee, was machte der denn bitte hier in Fremmelsfelde? Eine berechtigte Frage, befand Angar. Genauso wie folgende: Warum sollte Peradan Kormin den armen Olruk mit einem Trank vergiften, der ganz eindeutig auf den Alchemisten verwies?

Der Ritter im Orden vom Bannstrahl Praios’ biss sich auf die Unterlippe. Alles berechtigte Fragen, wenn man ihn fragte. Was - wie bereits festgestellt - jedoch niemand tat. Nicht die immer so ruhig wirkende Greifwine von Ulmenhain, deren überlegte Worte das wesentlich zu erfassen schienen. Aber auch Pervalia Gurva von Ulmenhain hatte kein Interesse an den Fragen Angars. Wobei… Das lag sicherlich nicht an ihm, sondern viel eher daran, dass die Ritterin nichts auf die Worte von jemandem gab, der nicht ihr Vorgesetzter war.

Ein Krachen war zu vernehmen, als der Scheiterhaufen in sich zusammenfiel. Die Schmerzensschreie des Peradan waren schon lange erstorben. Er hatte überraschend lange geschrien, stellte Angar fest. Die meisten Verurteilten verstummten recht zügig, sobald die Flammen über ihre Körper leckten und sowohl Kleidung als auch Haare versengten. Ach, die Haare! Wie die immer stanken, scheußlich! Der Bannstrahler hatte mal vorgeschlagen, den Verurteilten ihre Haare zu scheren, ehe diese dem reinigenden Feuer überantwortet wurden. Doch, das hatten ihm verschiedene Quellen versichert, ging das definitiv ganz und gar nicht! Immerhin mussten die Fanale der Ordnung nicht nur visuell (er fand erst nach einigen unpassenden Verwendungen dieses Worts dessen wahre Bedeutung heraus) sondern auch durch die anderen Sinne erlebbar sein!

Er verzog seine Mundwinkel angeekelt und bereute es fast schon, auf den Brief seines Vaters reagiert zu haben. Diesem war es nämlich zu verdanken, dass er gemeinsam mit den beiden anderen Ritterinnen hierher geschickt wurde. Immerhin war Baltram Helmisch nicht nur der hiesige Holzhändler (das Holz für dieses Fanal der Ordnung - eine schöne Umschreibung für Scheiterhaufen - kam aus seinem Lager), sondern auch ein geschätztes Mitglied des Stadtrates. Und überdies sehr darauf erpicht gewesen, dass der Orden vom Bannstrahl Praios’ sich dieser Sache annahm.

Er hatte auch dafür gesorgt, dass die Stadtwache mit den Rittern aus Lichteneck eng zusammenarbeitete. Es war recht einfach gewesen im Gastzimmer des Schartensteins eine Rechnung und eine Erklärung über die Verwendung eines “Potenztranks” zu finden. Unterschrieben von niemandem anderen als vom hiesigen Alchemisten. Der hatte natürlich seine Beteiligung abgestritten, doch glücklicherweise fand die Wache auch Aufzeichnungen die beschrieben, wie man einen Trank zur Ehren der Herrin der Blutigen Ekstase herstellte. Auch dieser sollte die Manneskraft stärken, doch seinen Anwender in einen dunklen Abgrund stürzen, dessen Aufschlag tödlich war und die Seele des Opfers direkt in die Niederhöllen schickte!

Bei der Befragung hatte sich Angar eine zentrale Frage gestellt: Warum sollte der Alchemist ein so offensichtliches Mittel nutzen, noch dazu bei einem Opfer in seiner Nähe? Tatsächlich hatte diese Frage auch Peradan bei dessen Vernehmung gefragt. Doch Greifwine, welche die Befragung geleitet hatte, führte aus, dass Anhänger des Chaos eben nicht überlegt vorgingen, sondern… Chaotisch und deshalb unüberlegt und dumm. Das war das Los aller, die sich mit diesen verdorbenen Mächten einließen.

Ein Räuspern an seiner Seite riss den Bannstrahler aus den Gedanken. “Der Gerechtigkeit ist Genüge getan und der Glanz Praios scheint nun auf diesen Flecken Dere!”, mit unbewegter Miene blickte Greifwine auf den Scheiterhaufen und wandte sich sodann ab. “Wir haben gezeigt, dass Praios Herrlichkeit jeden erreichen wird, auf die ein oder andere Art”, pflichtete Pervalia ihr bei, während die beiden Frauen vom brennenden Haufen Holz und der verkohlten Leiche wegschritten. Angar blickte etwas verdutzt drein, beeilte sich dann jedoch den beiden zu folgen. Er hatte das Gefühl, dass sie benutzt worden waren. Von wem wusste er nicht. Warum wusste er auch nicht. Er wusste nur, dass er besser schlafen würde, sobald sie Fremmelsfelde verlassen hätten.