Geschichten:Hartsteen - Travia 34 - Nahe bei Puleth

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Verwundert schaute Gerbald aus dem Fenster. Es war Travia, der Sommer war mild mit guten Niederschlägen gewesen, er selbst hatte den Weizen auf den Feldern golden wogen gesehen. Endlich hatten die Götter es nach so vielen Dürrejahren gut mit den Menschen gemeint. Der alte Ugdalf hatte bereits in seinem Göttinendienst seinen Erntesegen gesprochen, der milden Mutter Peraine dankend und eigentlich sollten die Bauern heute mit der Ernte beginnen. Aber stattdessen standen sie auf dem Marktplatz und saßen in der Sonne, genossen die letzten warmen Strahlen dieses Jahres.

Der Dorfschulze legte seinen Federkiel auf den begonnenen Brief an seinen Herren in Schloss Orbetreu, dem Stammsitz der alten und ehrwürdigen Familie Schwingenfels. Er selbst war auf Umwegen und einige Bastarde mit dem alten Haus verwandt, doch wer war dies in Hartsteen nicht? Mit eiligen Schritten trat er hinaus auf die Wiese vor seinem Haus, auf der die Bauern bereits angefangen hatten mit ihren Knöchelchen zu würfeln.

„Bei Praios, was macht ihr dummen Bauern hier im Dorf!“, fuhr der Mittvierziger die versammelte Gruppe an. „Weshalb seid ihr nicht auf dem Feld und bringt die Ernte rein? So wie es sich gehört!“

„Weißt du, Gerbald, wir hamm frei, so hett der Rittersmann gesprochen. Und wenn so’n Rittersmann so sprechen tut, dann hat der wohl Recht“, entgegnete blinzelnd Umme, mit zustimmenden Nicken von seinen Umgebenden begleitet.

Ungläubig schaute Gerbald in die faulenzende Runde. Er roch keinen Branntsteen, den regionalen Branntwein, und so mussten die Männer wohl alle nüchtern sein. Wieder sprach Gerbald Bauer Umme an: „Was für ein Ritter denn? Bei den Göttern, da kann ja jeder kommen und was erzählen. Und ihr Bauern hört auch auf jeden!“, begann der Dorfschulze sich in Rage zu reden.

„Sicherlich hett der Rittersmann noch watt gesacht gehabt. Hett uns allen fünf Keuzer für die Mühen gegeben, ein richtiger Rittersmann. War ganz freundlich. Und hat einen richtigen, blinkenden Panzer angehabt. Mit einem richtigen Wappen am Pferd. So wie die anderen sechs Ritter auch…“

„Was für andere Ritter, Bauer, ich dachte da war nur einer?! Erzählst wieder Märchen, wie, so wie damals, mit dem Feenmädchen im Wald, wie?“

„Nee, Gerbald, ersmal war da wirklich im Wald das Mädchen wo hett sich gebaden tut in so einem Bach, und ist dann schnell verschwunden, und dann waren da wirklich, bei den Zweelfen, sieben oder acht Rittersleut.“

Gerbald blickte in der Runde umher, und sah zustimmendes Nicken. Die gelben Knöchelchen in dem grünen Gras zeigten eine 3 und eine 1. Umme hatte die letzte Runde wohl gewonnen, bemerkte Gerbald nebenbei, während darüber nachdachte, was er jetzt zu tun habe.

„Gut, dann waren da eben Ritter. Bringt mich zu denen, ich muss mit denen reden, was denen einfällt die Ernte zu unterbrechen! Wir haben ja keine Zeit zu verlieren. Und ihr wollt ja auch keinen Winter, wie vor zwei Jahren, oder?“, mit eindringlichen Worten brachte er die Bauern zum Aufstehen aus der Dorfwiese.

Trenner Garetien.svg

Die Rauchschwaden sah Gerbald schon sehr bald, und ebenfalls der strenge Geruch brennenden Grases und Strohs war deutlich in der Luft zu schmecken. Beunruhigt schaute er die ihn begleitenden Bauern an, die sich ihrerseits leicht verunsichert anschauten. Sie beschleunigten ihre Schritte auf dem Feldweg, der direkt zu den Feldern führte, direkt am Wald vorbei, der die Felder vom Dorf trennte. Und bereits nach wenigen Schritten sahen sie die flackernden Lohen aus dem Feld hochschlagen. Erschreckt liefen die Männer zum Rain, als sie die Pferde am Waldrand grasen sahen. Sie waren mit grün-weißen Wappendecken unter den Satteln geschmückt. Das, so wusste Gerbald genau, war nicht das Wappen seiner Herren. Dieses Wappen gehörte der Familie Windischgrütz, einem anderen alten Rittergeschlechts in Hartsteen.

Doch was, bei den Zwölfen taten diese Ritter mit ihrer Ernte?

Der hochgewachsene Ritter hatte die Dörfler schon von weitem kommen sehen. Er kam mit Kettenhemd und Wappenrock gekleidet den Männern entgegen. Seine Hand lag drohend auf seinem Schwertknauf und seine Miene war eisig und hart.

„Ich habe damit gerechnet, dass ihr Bauern den Dorfschulze holen würdet“, bemerkte der Ritter trocken.

„Aber, hoher Herr, mit welchem Recht zerstört Ihr die Ernte eines harten Arbeitsjahres?“, sprach Gerbald beinahe flehend den fremden Ritter an.

„Hört genau zu, Leute, und sagt es so auch eurem Herren, dem Seginhardt von Schwingenfels. Wenn er nicht sein Amt aufgibt als Zeugmeister des Grafen und weiter schlecht von Freunden des Hartsteener Volkes spricht, so wie er schlecht von den Zornesrittern spricht, dann ist dies nicht das einzige Feld, was brennen wird!“, und mit einem Griff in sein Geldbeutelchen zog er mehrere silberne Münzen hervor, die er dem verdutzten Schulze in die Hand gab. Milder fuhr er fort: „Hier, Schulze, nimm diese Münzen und verteile sie in deinem Dorf. Wir wollen nicht, dass ihr einfachen Leute unter den Streitigkeiten des Adels leiden müsst!“

Bleich nahm der Schulze die etwa 20 Münzen an sich. Seine Begleiter schauten ihn mit großen Augen an und ihre Augen strahlten vor so viel Reichtum und Mildtätigkeit.

„Geh jetzt mit deinen Leuten heim und schreib deinem Herren einen Brief. Er soll hiervon erfahren. Und kommt nicht auf die Idee das Feuer löschen zu wollen, wir werden hier warten, bis die letzte Ähre verbrannt ist. Ihr habt diesen Travia frei.“


 20px|link=[[Kategorie:|Nahe bei Puleth]]
Texte der Hauptreihe:
1. Tra 1027 BF
Nahe bei Puleth
Nahe bei Puleth


Kapitel 2

Nahe bei Puleth
Autor: Hartsteen