Geschichten:Zwischen Feder und Kelch - Unheil über Garetien

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Schloss Rossgarten, Baronie Wasserburg, Anfang Rahja 1046 BF

Am Morgen rollten mehrere Kutschen über den kiesbedeckten Weg zum Schloss Rossgarten. Hauptfrau Ciarda und die Garde geleiteten die Wagen sicher durch das Tor. Korhilda stand schon bereit, musterte aufmerksam das Treiben und gab Anweisungen an die Dienenden. Die Lieferung war groß. Es handelte sich um Korn, Nahrung und Tierfutter, das dringend gebraucht wurde.

„Zum Glück konnten wir schnell auf dem Markt von Baburin und in den umliegenden Dörfern der aranischen Stadt Korn und Nahrung aufkaufen“, erklärte Korhilda erleichtert, während sie und Leobrecht an den Wagen entlanggingen. Ihr Gatte Leobrecht öffnete die Plane eines Wagens, ließ einige Körner prüfend durch die Finger rieseln und blickte zufrieden zu ihr. „Du hattest schon immer ein Händchen dafür die Truppen zu versorgen. Du hast sofort reagiert und hast eilends zugeschlagen, als die Katastrophe begann. Das Korn ist wirklich von guter Qualität.“ Korhilda nickte, aber ihre Gedanken waren schon bei der Planung. „Einige Wagen bleiben hier in unserer Baronie Wasserburg, der andere Teil aber muss nach Viehwiesen gebracht werden. Dort ist die Not nach dem Vulkanausbruch noch viel größer.“

Leobrecht schob die Plane zurück und seufzte. „Mein Neffe, hat es nicht leicht. Der Vulkanausbruch hat unserem Stammlehen zugesetzt. Gut, dass er schon einen Viehzug nach Bärenau geschickt hat. So kann das Viehwiesener Fleckvieh wenigstens auf den Weiden von Iralda grasen.“ Korhilda nickte. „Die Baronie Bärenau ist vom Ausbruch nicht betroffen, gut dass sie nordwestlich der Kaisermark liegt. Damit kann sie Viehwiesen und Wasserburg unter die Arme greifen.“

Während die Kutschen entladen und zum Teil weitergeschickt wurden, setzten sich Korhilda und Leobrecht in den Garten, während ihr Nesthäkchen Etilian im Hintergrund Imman spielte, und sprachen über die Lage. „Ich mache mir Sorgen,“ begann Leobrecht, „es brodelt in Garetien. Niemand weiß, wann es politisch explodieren wird. Die Menschen sind angespannt.“ Korhilda nickte ernst. Seine politische Erfahrung ließ ihn die Gefahr spüren und Korhilda traute seiner Erfahrung schon immer blindlinks. „Du hast recht“, sagte er, „wir müssen wachsam sein.“

Korhilda dachte an ihre Kinder und Enkel. „Leonora und ihre Kinder sind zum Glück sicher in Elenvina. Und Idamil geht es gut im Kosch. Aber hast du dir schon Gedanken über die Jüngsten gemacht?“ Leobrecht antwortete: „Für Aldare suche ich noch den geeigneten Hof. Und Hardane soll, sobald sie alt genug ist, in die Firunkirche unter die Kütt gehen. Etilian, ich weiß es noch nicht. Er bleibt noch in meiner Nähe.“ Korhilda lächelte. „Bei unserem Treffen in St. Boronia war ich beeindruckt von Erlan Sirensteen aus dem Horasreich. Erste Kontakte konnte ich zu ihm knüpfen. Er ist eloquent, angesehen und vor allem weit weg von all dem Trubel in Garetien.“

Leobrecht runzelte die Stirn. „Der Comto ist ein herausragender Diplomat, doch ist er seinem Horasreich tief verpflichtet, ich dagegen fühle mich dem Mittelreich verbunden. Ich sähe meine Enkel lieber bei Persönlichkeiten in unserem Reiche.“ Aber Korhilda ließ nicht locker und spielte all ihren Charme aus. Einen Augenaufschlag hier, ein Lächeln dort, ein unbedachtes Streicheln über den Handrücken. Leobrecht war ihr so zugetan, dass er ihr selten etwas abschlagen konnte. „Es wäre besser, wenn die Enkel weiter weg in Sicherheit wären. Das Horasreich ist nach den letzten Zwisten nun sicherer als Garetien und wurde vom Vulkanausbruch verschont.“ Der Reichsvogt grummelte vor sich hin. „Gut, ich werde den Briefkontakt mit Erlan aufnehmen und auf dem Treffen bei Schlundgau werde ich auf den Horasier zugehen, damit Aldare unter seine Obhut kommt. Die Sicherheit unserer Kälbchen sollte immer an vorderster Stelle stehen. Vielleicht geht sie dann nicht in die Reichskanzlei, sondern nach ihrer Ausbildung in den Diplomatischen Zweig des Reiches – also unseres Reiches.“

Während die letzten Kutschen Richtung Viehwiesen rollten, blickten Korhilda und Leobrecht schweigend hinterher und spürten, dass nun schwere Zeiten anbrechen würden in ihrer Heimat.

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Zeilen zwischen den Zeilen

In den Monden danach wuchs aus der Bekanntschaft zwischen Irendor und Wasserburg eine regelmäßige Korrespondenz. Die Briefe waren von kluger Beobachtung, feinem Witz und einer seltenen Aufrichtigkeit – doch wer aufmerksam las, bemerkte bald, dass über den Zeilen des Leobrecht von Ochs ein Schatten lag. Nicht Kälte, sondern Melancholie sprach aus seiner Feder, und Erlan, der schon manch verborgenes Motiv in den Kanzleien der Mächtigen erkannt hatte, las auch hier mehr, als geschrieben stand.