Geschichten:Zwischen Feder und Kelch - In den Hallen von Alarasruh
Alarasruh, Ende TSA 1047 BF
Viele Monate später, in 1047 BF, begegnete man sich wieder – diesmal in den Hallen von Alarasruh, wo sich der Adel, die Gesandten und Gelehrten zu Ehren des zweihundertneunzigsten Geburtstages des Hochkönigs Albrax, Sohn des Agam, versammelt hatten.
Offiziell stand das Fest im Zeichen der Zwergenkönige und der Freundschaft zwischen den Reichen. Doch wer Rang und Namen trug und Sinn für die feinen Strömungen der Macht besaß, ahnte, dass es hier nicht allein um Feierlichkeiten ging. Hinter den goldenen Fassaden und den Liedern der Barden wurden alte Allianzen geprüft, neue Absichten gewogen. In einem stillen Moment, fern des Trubels und der höfischen Stimmen, fanden Erlan Sirensteen und Leobrecht von Ochs sich in einem Seiten-Salon wieder – nur das gedämpfte Licht der Kerzen zwischen ihnen.
Erlan trat näher, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
„Leobrecht“, sagte er leise, „wir schreiben uns seit vielen Monaten – und doch lese ich zwischen Euren Zeilen mehr, als Ihr mir sagen wollt. Ihr wirkt bedrückt. Redet doch endlich: Gibt es etwas, das Euch lastet? Etwas, das ich wissen sollte?“
Leobrecht hob dankbar den Blick und lächelte schwach. „Ihr habt richtig gespürt, Erlan, was zwischen den Zeilen stand. Garetien leidet schwer unter den Folgen des Vulkanausbruchs, und meine Sorge um die meinen wächst von Tag zu Tag. Es wäre mir ein Trost, zu wissen, dass meine Enkel in Sicherheit sind. Glaubt Ihr, Ihr könntet Euch vorstellen, einen kleinen Ochs – die herzallerliebste Aldare – unter Eure Fittiche zu nehmen? Sie ist die Tochter meines ältesten Sohnes Wolfaran von Ochs und seiner Frau Iralda, der Baronin zu Bärenau“
Erlan hatte mit vielem gerechnet - das war seine Aufgabe, wenn er im Auftrag des Reiches unterwegs war, dass er verschiedene mögliche Optionen abwog und natürlich auch im Vorfeld sich überlegte, wie die Verhandlungspartner - und er sah sie immer als Partner - reagieren würden und wie man dann darauf reagiert. Wie in einer guten Partie Garadan, was er bei seinem Oheim gelernt hatte, hatte er sich immer verschiedene Argumente überlegt, die je nach Bedarf einzusetzen wären.
Doch damit hatte Erlan jetzt nicht gerechnet, doch es rührte ihn an. Er lächelte ihn an, sagte „Leobrecht“, und ging auf ihn zu, umarmte ihn und schlug ihm freundschaftlich auf den Rücken: „Mein Freund, damit hätte ich nicht gerechnet. Das rührt mich. Und bevor ich zu viel sage: Natürlich kann ich mir das vorstellen. Mein Heim soll ihr Heim sein!“ Der mittelreichische Reichsvogt freute sich über die warmen Worte, das Umarmen jedoch ließ er stocksteif über sich ergehen. Der Ausdruck Südländer kam ihm in seinen Gedanken in den Sinn.
Und während Erlan dann los ließ und bedauerte, dass er gerade keinen Pagen dabei hatte, der jetzt zur Feier des Tages zwei Kelche und einen guten Wein hätte holen können, dachte er sich, dass sich das ja gut fügen würde. Denn seit Rafim nicht mehr sein Page, sondern sein Knappe war, gab es da eine gewisse … Lücke … im barönlichen Hof. Und natürlich war ihm da jemand lieber als die ungefragten Empfehlungen seiner Muhme, die ihm regelmäßig schrieb, dazu auch nur in Betracht zu ziehen. Zuletzt - aber das hatte wohl was mit der neuen persönlichen Zofe von ihr zu tun - fing auch schon seine Schwester Erlgard an, dahingehend ihm ungefragt Ratschläge zu geben, bis er ihr irgendwann mal sagte, dass Ratschläge vor allem auch Schläge seien.
„Lasst uns diesen freudigen Moment begießen - ich habe in meinem Quartier sicherlich noch eine Flasche der Yaquirblume, einem schönen Weine aus dem Yaquirbruch, den man für eine solche Gelegenheit nutzen sollte“, sagte Erlan. Bei diesen Worten verließ er den kleinen Salon und traf - und das wunderte ihn nicht - draußen seinen Anverwandten Gareno. „Gareno, hole er doch bitte eine Flasche von dem guten Wein, ja, Yaquirblume, und zwei Kelche. Es gibt auch in der Dunkelheit manchmal ein helles Licht, das es zu feiern gilt.“
“Dann wohlan, lasst uns unsere Abmachung besiegeln. Zu eurer Yaquirblume werde ich noch den besten Torbelsteiner Brand zum gedeckten Tisch beigeben. Er wärmt so schön von Innen.” Zufrieden wippte der lange graue Schnauzbart des alten Ochsen.
Es sollte nicht lange dauern und die beiden Familienoberhäupter saßen sich gegenüber an einem Tisch, beredeten Absprachen und genossen dabei sowohl die roséfarbene Yaquirblume als auch den Torbelsteiner Brand - und noch das eine oder andere aus den Küchen Alararuhs. Dort war man erfreut, doch noch was zu tun zu haben, denn die Hügelzwerge hatten zumindestens in den letzten Tagen immer dort, wo sie waren, dem Ansinnen der Bediensteten von Alarasruh sie zu versorgen widersprochen - denn sie kümmerten sich selbst auf gar vortrefflichste Weise darum.
| ◅ | Unheil über Garetien |
|
Ein traviagefälliger Dienst | ▻ |
| ◅ | Unheil über Garetien |
|
Ein traviagefälliger Dienst | ▻ |