Geschichten:Zwischen Feder und Kelch - Ein traviagefälliger Dienst

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Alarasruh, Ende TSA 1047 BF

Der Lärm der Feierlichkeiten war verklungen. Wo noch vor Tagen Adlige, Geweihte und Magier disputiert hatten, und sich auch viel fahrendes Volk eingefunden hatte – Neugierige, Händler, Diener und Gaffer –, lag nun eine ungewohnte Stille über Alarasruh. Erlan erinnerte sich an eine spöttische Bemerkung, die er vor wenigen Tagen aufgeschnappt hatte: Jemand hatte gesagt, das gleiche eher einer Warenschau zu Grangor als einer Zusammenkunft von Adligen, Gelehrten und Zwergen, um den 290. Geburtstag eines Hochkönigs zu feiern. Ganz unrecht hatte die Person nicht. Er überlegte noch, wer ihm das gesagt hatte, kam aber nicht mehr drauf.

In einem der oberen Salons der Burg traf Comto Erlan Sirensteen sich mit seinem Verwandten Gareno Sirensteen und einem Gardisten der Irendorer Liliengarde. Der Raum war klein und schlicht, das Licht der Nachmittagssonne fiel gedämpft durch die bleigefassten Scheiben. Auf dem Tisch lagen einige Papiere, daneben eine geöffnete Karte des Mittelreiches und seiner Umgebung. An zahlreichen Stellen waren Markierungen angebracht: Fasar, Schlund … überall dort, wo die Angroschim angegriffen wurden.

Erlan stand am Fenster und sah hinaus auf die Türme und Zinnen. „Es war eine denkwürdige Zusammenkunft“, sagte er nachdenklich. „Und ich fürchte, sie wird noch einige Auswirkungen haben.“

„Selten hat man Zwerge, Magier und Diplomaten so friedlich nebeneinander gesehen“, meinte Gareno, der an der Lehne eines Stuhls lehnte.

Erlan lachte leise. „Man merkt, du warst nicht bei allen Verhandlungen in der Nähe. Mehr als einmal hat der Hochkönig auf den Tisch geschlagen. Ich bin nur froh, dass er es nicht mit dem Hammer gemacht hat. Und ja – die Stimmen wurden auch lauter. Manchmal auch zu Recht, möchte ich sagen.“

„Na dann – nach außen hin hat man von einem Disput immerhin wenig mitbekommen“, versuchte Gareno seine Argumentation zu retten.

Erlan ging ein paar Schritte durch den Raum, während draußen irgendwo ein Pferd wieherte. „Nicht nur die Zwerge selbst haben festgestellt, dass der Koschbasalt sich verändert. Er sieht aus wie immer, ist fest, tragfähig und bleibt ein hervorragender Baustoff. Doch seine besondere Wirkung schwindet – die Abschirmung arkaner Kraft, für die man ihn seit so vielen Jahrhunderten, ach vermutlich viel länger, schätzt, verliert an Stärke. Noch hält sie, aber immer seltener so, wie es sein sollte. Das wird Konsequenzen haben.“

Erlan schwieg einen Moment, dann fuhr er fort. „Ich habe eine Vereinbarung getroffen. Ich muss nach Eslamsgrund. Es ist ein traviagefälliger Dienst, den ich mit Freuden annehme.“

Gareno richtete sich auf. „Ihr reist allein?“

„Nein“, erwiderte Erlan. „Du reist allein. Mich wird unsere Delegation der Baronie begleiten. Du aber machst dich unverzüglich auf den Weg zurück ins Reich. Zuerst nach Schradok – oder besser gesagt nach Gergaltor, denn ich bin mir sicher, du bist schneller als das ehrwürdige Väterchen. Dann nach Vinsalt und schließlich nach Horasia. Die Krone muss wissen, was vereinbart wurde, was man uns vorwarf und worauf man sich am Ende doch einigen konnte.“ Und mit diesen Worten legte Erlan mehrere Depeschen in eine Kuriertasche und reichte sie Gareno.

Gareno nickte. „Ich mache mich sofort auf den Weg. Ich lasse mich nicht aufhalten.“

Romin verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Sollten wir nicht vielleicht zu zweit reiten? Das ist sicherer, als wenn man nur einen Boten schickt.“

„Das ist aber auch doppelt auffällig“, entgegnete Erlan knapp. „Vermutlich ist es besser, wenn man in Eslamsgrund wachsam ist – und ansonsten nur ein Bote reitet.“

Einen Augenblick herrschte Schweigen. Draußen wehte der Wind stärker, ließ die Flamme in der Wandleuchte flackern.

„So soll es sein“, sagte Erlan schließlich. „Wenn die Zwölfe es wollen, sehen wir uns bald wieder – in Irendor, Oberfels, Unterfels oder anderswo.“

Er trat ans Fenster zurück und blickte hinab in den Burghof, wo Knechte das Gepäck luden und Pferde gesattelt wurden. Dann wandte er sich ab und verließ den Raum, um sich den Tross seiner Baronie anzusehen – prüfend, ob alles bereit war für die Rückreise, die über Eslamsgrund führen sollte.