Geschichten:Natzungen im Frühjahr - 1. Rondrastunde

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Baronie Natzungen, 13. Tsa 1030 BF

Hesine musste gähnen. Sie hasste diese elendigen Nachtwachen. Seit sie bei den Schwingen angeheuert hatte, war das Leben aber um einiges leichter. Der Kommandant sorgte sich um die Leute und Hesine war eigentlich froh, dass sie im Winter eine Anstellung gehabt hatte. Und lieber bewachte sie diese blöde Stadt und ihre Bewohner, als dass sie irgendwo in einem Drecksloch von Lager ihr Dasein fristete. Sie unterdrückte ein weiteres Gähnen und setzte ihre Patrouille fort.

„Solltest Du nicht eher bei deinem Weib sein und der schönen Göttin ein angemessenes Opfer darbringen?“ Raul hatte die Turmplattform betreten ohne das Hadrumir es bemerkt hatte. Innerlich fragte sich Hadrumir, was mit seinen Reflexen und seinen Instinkten geschehen war. Normal ließ er sich nicht so überraschen. Er drehte sich zu seinem Freund und sprach: „Wer sagt denn, das Rahja ihr Opfer nicht schon lange erhalten hat?“ „Dann frage ich mich, was mein Hauptmann hier allein auf der Turmspitze macht. Zumal es verdammt kalt hier oben ist.“

Der Mond beschien die sechs Reiter auf ihrem Weg. „He, Jost, wie lange werden wir wohl brauchen?“ Der so angesprochene Anführer der Gruppe schaute den rechts von ihm reitenden Mann an. „Wenn du weiterhin so bescheuerte Fragen stellst, sind wir im Morgengrauen noch nicht da.“ Der gescholtene Reiter antwortete verdrießlich: „Ist ja schon gut. Ist nur verdammt kalt in dieser Nacht. Da habe ich halt gedacht, es wäre schön, wenn wir zügig da wären.“ „Überlass das Denken den Pferden! Die haben mehr Ahnung davon als du!“ rief der Anführer und sprach leise zu sich: „Dem hat Hesinde wohl eher ins Hirn geschissen, als das sie ihre Gaben an den verschwenden wollte.“ Die Reiter trieben ihre Pferde in scharfen Galopp an.

„Nun, meine Teuerste, ich habe noch eine Aufgabe zu erledigen.“ sprach Leomar von Gerstungen zu seiner Begleiterin in der Kutsche. Er selbst war mittlerweile auf sein Pferd gestiegen und machte sich für einen Ritt bereit. „Es wird nicht lange dauern.“ „Und das hättet Ihr nicht früher erledigen können?“ Der Gerstunger straffte sich. „Doch durchaus und das habe ich auch, jedoch verlangt die Gegenseite für ihr Entgegenkommen eine angemessene Entschädigung.“ Dabei zeigte er einen kleinen Sack, welcher ob seines Inhalts laut klimperte.

Hesine wanderte eher gelangweilt ihren Mauerabschnitt entlang. In dieser Nacht war alles ruhig. Es war viel zu kalt, als dass sich irgendjemand nach draußen wagen würde. Der Grützer hatte sich eigentlich den ganzen Winter nicht blicken lassen und schien dies auch nicht vor zu haben. Manche der Soldaten fragten sich hinter vorgehaltener Hand, ob der Kommandant nicht an Verfolgungswahn litt. Der alte Jobdan hatte sogar erzählt, dass der Kommandant heimlich Gebäude in der Stadt als Fluchtpunkte ausbauen ließ. Das Misstrauen war groß.

Hadrumir schaute Raul missmutig an. „Was schert dich, was ich tue?“ Raul hob beschwichtigend die Hände. „Ich wollte dir nicht zu nahe treten. Es wundert mich halt nur. Ich meine, ich bin nicht für die Ehe geboren, aber wenn, dann würde ich…“ Er lachte schmutzig. Hadrumir hob eine Augenbraue. „Ich meine, dass du die Kleine nicht aus Liebe geheiratet hast, war mir von Anfang an klar. Wenn so tote Hose bei dir ist, kann ich da aber was für dich besorgen.“ Hadrumir schaute Raul ernst an. „Nur damit wir uns richtig verstehen, Hauptmann. Nur weil du mein Freund bist, erlaube ich dir ausnahmsweise solche Reden. Solltest du aber weiterhin dein loses Mundwerk nicht beherrschen, sehe ich mich gezwungen, dir Manieren bei zu bringen.“ Raul wirkte mit einem Mal sehr ruhig. „Es geht dich nichts an, was zwischen mir und der Kleinen läuft. Dir als Freund sage ich nur, dass mich mitnichten ein Mangel nach draußen treibt. Es geht irgendetwas vor. Das spüre ich. Ich weiss nur noch nicht was.“

„Wenn ich zurück bin, werdet Ihr mein Handeln besser verstehen.“ Leomar wendete sein Pferd. „Hauptmann!“ „Zu Befehl!“ „Ihr werdet den Weg fortsetzen, bis ich zurück bin.“ „Jawohl, Stadtvogt!“ Leomar gab seinem Pferd die Sporen. Bald würde er auch diesen miefigen Titel ablegen können und mit Respekt behandelt werden.

Hesine betrat einen der kleinen Wachtürme. Drinnen war alles ruhig. Sie nahm sich von dem Kräutertee, der für die Wachsoldaten bereit stand. Langsam trank sie das wohlig warme Getränk.

Raul wusste, dass er mit seiner Rede zu weit gegangen war. „Verzeiht, Kommandant! Ich war mein Leben lang Soldat. Da wird man manche Gewohnheit nicht los. Mein Verhalten Euch gegenüber war ungebührlich, Euer Hochgeboren.“ Hadrumir klopfte seinem Kampfgefährten auf die Schulter. „Lass gut sein, Raul! Wir beide haben es nicht einfach.“ „Ich wollte deine Ehre oder die deiner Frau nicht angreifen.“ Hadrumir wirkte ungehalten. „Ich sagte, lass gut sein. Aber wenn du schon meine Frau ansprichst. Ich erwarte nicht, dass du Adelspolitik verstehst, aber merke dir eins: Tanira ist wichtiger als alles andere!“ „Wie meinst du das?“ „Sie wird die Mutter meiner Kinder. Durch sie darf ich mich Baron nennen. Verstehe mich nicht falsch, ich respektiere sie, aber wenn ihr etwas widerfährt, dann ist alles, wofür ich in den letzten Monden gearbeitet habe umsonst.“ „Ich verstehe!“ „Wenn also der Grützer angreift, will ich, dass du Tanira schützt, egal was mit mir geschieht.“ „Willst du das wirklich?“ „Ich will nicht, dass du es verstehst. Ich will, dass du es tust! Schwöre es mir!“ Raul zuckte mit den Achseln, hob seine Rechte zum Schwur: „Ich stehe in deiner Schuld. Also schwöre ich hiermit, dass ich Tanira schützen werde.“ Hadrumir nickte und klopfte seinem Freund nochmals auf die Schulter. „Und jetzt lass mich noch ein wenig allein.“

Die sechs Reiter konnten im Mondschein vor ihnen die Stadt ausmachen. Der Anführer Jost gab ein Signal zum Halten. „Wir sind fast da. Jetzt beginnt der schwierige Teil unserer Aufgabe!“

Nachtwächter Brin schritt gelangweilt weiter: „Hört Ihr Leut und lasst Euch sagen, es hat die Efferdstund geschlagen.

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